Die offene Bildungsgleichung

Es sind stets die gefürchteten PISA-Studien, die im Staatenvergleich offenbaren, wo Schüler Lern- und Fähigkeitsschwächen zeigen. Obwohl die letzte, 2016, vorgelegte Untersuchung den ostdeutschen Schülern einen Vorsprung in Mathematik und Naturwissenschaften gegenüber ihren Altersgenossen in den Westländern bescheinigte. Trotzdem ist der Aufschrei über Bildungsmängel permanent groß. Was sich daraus oft nicht erschließt, warum dabei vorrangig Schüler und Lehrer in der Kritik stehen und mit Forderungen bedacht werden, dass sie sich fortlaufend verbessern müssten. Es erscheint dringlicher, dass mathematische Kompetenzen ebenso bei Erwachsenen überprüft werden müssen. Vor allem bei Politikern, insbesondere solchen, die für den Bildungsbereich zuständig sind, sollten Rechenleistungen und Lösungsfähigkeiten für komplexe Zusammenhänge untersucht werden. In Sachsen-Anhalt gibt es da scheinbar manche Defizite. Fehlende Lehrkräfte kann die höchste Landesverwaltung noch irgendwie beziffern, mit kreativen Stundenverschiebungsmodellen werden dann aber Variablen eingeführt, die nicht zu einem schlüssigen Endergebnis führen. Im Landtag formulieren Abgeordnete für Bildungsminister Marco Tullner immer mal wieder schöne Textaufgaben. Doch die ministerialen Ergebnisangebote fallen nach wie vor dürftig aus. Natürlich hat man als Bürger Verständnis für die Komplexität der Berechnungen, bei denen aus Teilmengen, abgegrenzten Kreisgebietsflächen und Schulamtszuständigkeiten sowie unberechenbaren Wahrscheinlichkeiten über Bevölkerungsbewegungen und Geburtenraten ein Bedarf ermittelt werden muss. Komisch ist nur, dass am Ende immer – und zwar immer – zu wenig Stellen herauskommen. Ja, leider bewegt sich im Land das Leben der Leute, nichts bleibt stehen. Doch allein dieses Wissen hilft Bildungspolitikern nicht, ihre Berechnungen und Planungen flexibler zu gestalten. Wenn dann plötzlich 236 Millionen Euro Steuermehreinnahmen als geplant über den Landeshaushalt hereinbrechen, fordern die Linken einen Einsatz des Geldes im Bildungsbereich. Für Finanzminister Schröder ist das absurd, weil aktuelle Mehreinnahmen durch künftige Mindereinnahmen aufgerechnet werden müssten. Es ist so wundervoll zu erleben, mit welchen Rechengeniestreichen jeder zu einem anderen Ergebnis kommt. Am Ende kommen nur nie genügend Lehrer für eine in den nächs-ten Jahren ansteigende Anzahl von Kindern heraus. Ich plädiere dafür, Mathelehrer in die Parlamente zu entsenden, um die Rechenwege zu überprüfen und zu benoten. Ach so, leider gibt es ja zu wenig davon. Vielleicht genau deshalb, damit sie Politikern beim Rechnen nicht auf die Finger schauen können. Thomas Wischnewski

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