Der wertvolle Klang der Scheyrings

Tausend Deutsche Mark. Der abgebildete Geldschein war vom 27.07.1964 bis 1992 offizielles Zahlungsmittel. Lange Zeit hatte man Zweifel an der Person auf dem von Lucas Cranach dem Älteren geschaffenen Porträt (1529). Heute gilt die Identität als geklärt.

Ein Geldschein über Tausend Deutsche Mark kam bis 1990 wohl kaum einem Magdeburger unter die Augen. Selbst nach der Währungsunion wechselte das Zahlungsmittel selten den Besitzer. Noch seltener mag man sich hierzulande über die darauf abgebildete Person Gedanken gemacht haben. Lange Zeit blieb die Identität der abgebildeten Persönlichkeit unklar.
Neben Dr. Johannes Scheyring (geboren 1454 in Wemding; gestorben 1516 in Halberstadt) vermutete man darauf auch dessen Zeitgenossen, den Astronom und Mathematiker Johannes Schöner (1477–1547), bis im Jahre 1950 in der „Zeitschrift für Kunstwissenschaft“ (Berlin) ein Aufsatz von Hjalmar Sander erschien, der mit überzeugenden Gründen nachwies, dass der Abgebildete auf keinen Fall Schöner sein konnte. Sander wies nach, dass die Aufschrift „Johannes Scheyring Dr.“ zwar nicht vom Künstler stammte, aber noch im Reformations-Jahrhundert hinzugefügt worden sein musste. Auch ein Bildnis des späteren Juristen Dr. Johannes Scheyring (1505 bis 1555) schloss er aus. Er führte vielmehr eine Reihe von Gründen an, dass der Onkel des Juristen, nämlich der Magdeburger Domprediger Dr. theol. Johann Scheyring (= Zcyring) gemeint sein müsste. Dieser Johann I. galt als Vorläufer der Reformation und war offensichtlich mit Lucas Cranach bekannt gewesen. Vom Domherr Scheyring sind leider keine Schriften überliefert.
Bekannt ist auch, dass der Neffe Johann II., besagter Dr. juris., von 1523 bis 1530 acht Jahre lang in Wittenberg studiert hatte. Dort 1528 Magister der freien Künste war und 1530 Mitglied der philosophischen Fakultät wurde. In dieser Zeit (1529) malte Cranach das „Brüsseler Porträt“, etwa 13 Jahre nach dem Tod des Dargestellten. Dies war eine nachträgliche Huldigung des Neffen und seines begüterten Vaters Emeranus an den Verwandten, Stifter und Domprediger. Da Johannes Scheyring keine Nachkommen hatte, begründete er 1516 durch sein Testament die Zieringsche Familienstiftung. Diese vergab bis nach dem Ersten Weltkrieg an Nachkommen des Bruders Emeran Ziering (1464–1547) Stipendien für junge Männer sowie Aussteuerhilfen für junge Frauen.

Burhard Dienemann, Prof. Johannes-Henrich Kirchner (Vorsitzender vom Familienverband Ziering-Moritz-Alemann e.V.) und Carola Köhler als Nachkommen am neuen Straßenschild.

Am 26. Januar dieses Jahres entschied der Magdeburger Stadtrat dem Namen Scheyring mit einer Straßenbenennung zu gedenken. Die im B-Plangebiet von Othrichstraße und Resewitzstraße neu entstandene Straße wurde am 3. Mai offiziell mit dem Namensschild geweiht. Im Magdeburger Dom existiert übrigens eine viel ältere Scheyring-Erinnerungstafel, Im östlichen Flügel des Kreuzgangs, unweit der Tür steht ein Grab- und Gedächtnisstein, der 1556 vom damaligen Bürgermeister Dr. Johann Schreyring für sich und seinen 1547 verstorbenen Vater Emmeram gesetzt wurde. Der Stein kam allerdings erst 1957 in den Domkreuzgang. Zuvor stand er an einem Chorpfeiler der Ulrichskirche. Der Stein zeigt das Scheyringsche Familienwappen. Der  Bürgermeister Scheyring war ähnlich wie später Otto von Guericke eine Art Außenminister der Stadt. So wurde er 1540 an den Hof Kaiser Karls V. in Gent gesandt. Dazu hatte man extra für ihn eine Abschrift der Magdeburger Schöppenchronik angefertigt. In den Verhandlungen, die sich über ein halbes Jahr hinzogen, gelang es Scheyring endgültig, den Kaiser zu einer Verordnung zu bewegen, die einer Wiedervereinigung von Protestanten und Katholiken den Weg ebnen sollte. Während der Domprediger Scheyring noch Katholik gewesen war, zählten sich dessen Nachfahren zu den Protestanten. Aber auch der Domherr galt wie alle Scheyringer als ein Mann des Ausgleichs, der nicht gegen Protestanten eiferte.
Nach einigen Jahren wurde der Bürgermeister Scheyring Kanzler des Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg. Als dann Magdeburg im Jahre 1550 von den Heeren des Kurfürsten Moritz von Sachsen belagert wurde, schien Scheyring der geeignete Mann zu sein, einen Ausgleich mit der belagerten Stadt herbeizuführen. Das war bei der extrem protestantischen Haltung der Magdeburger ein undankbares Geschäft. Und Scheyring scheiterte damals. In der Geschichtsschreibung wird Scheyrings Vermittlungstätigkeit als Verrat an der evangelischen Sache bezeichnet. Später hat sich Scheyring allerdings mit der Stadt ausgesöhnt und ist auch wieder Bürgermeister geworden. Seine Nachfahren, die sich dann Ziering schrieben, sind noch jahrhundertelang in Magdeburg ansässig gewesen. Durch die „Zieringsche Familienstiftung“ haben sie sich einen Namen gemacht.
Der Name Scheyring und dessen Magdeburger Wurzeln strahlten also gar unabhängig vom Willen der Stadtväter selbst in der alten Bundesrepublik Deutschland auf der wertvollsten Geldnote der D-Mark und rückt nun wieder ein wenig mehr ins Bewusstsein der Stadt. (tw)

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