Carl Frühling: Architekt des Märchenschlosses

Untrennbar mit dem Umbau des Wernigeröder Schlosses im Stil des Historismus von 1862 bis 1883 ist der Name des Architekten Carl Frühling (1839 - 1912) verbunden. Relativ wenig ist zu seinem Leben bekannt. Am 4. August 1839 wurde dieser Architekt in Blankenburg / Harz als Sohn des Kreis-Baumeisters und Baurats Carl Heinrich Frühling (1807 - 1893) geboren. Zehn Jahre später folgte ihm sein Bruder, der spätere Architekt Otto Frühling (1849 - 1919). In der Blütenstadt am Harz besuchte er von 1850 – 1856 das Gymnasium und im Anschluss bis 1859 das Collegium Carolinum in Braunschweig. Unter Heinrich Ahlburg studierte Frühling dort Architektur und wurde ab 1860 Assistent von Eisenbahn-Baumeister Ebeling. Für ihn übernahm er von 1860 bis 1862 im Auftrag von Graf Botho als Bruder des späteren Fürsten Otto von Stolberg-Wernigerode (1837 - 1896) die Bauleitung bei der Umwandlung von Wirtschaftsgebäuden im Westen der Klosterklausur von Ilsenburg zu einem neugotischen Schloss nach Plänen von Ebeling. Dort beteiligte sich Frühling auch bis 1877 am Umbau und der Restaurierung des im 11. Jahrhundert entstandenen Benediktinerklosters. Im benachbarten Drübeck war er von 1867 bis 1883 beteiligt an der Restaurierung der ehemaligen Klosterkirche St. Vitus.


Bereits 1866 legte Frühling sein Examen ab und wurde ein Jahr später Baumeister. In Wernigerode verbrachte er seine längste berufliche Zeit und es verwundert schon, dass Frühling in seiner Geburtsstadt nicht tätig wurde. Während dieser Wirkungszeit entstand unter ihm das heutige Gerhard-Hauptmann-Gymnasium in der Bauzeit von 1871 bis 1873 und danach am Burgberg 9a ein heute als Hotel genutzter Villenbau. Bevor Carl Frühling 1880 zum Fürstlich-Stolbergischen Baurat ernannt wurde, war er 1879 beteiligt am Bau der Ilsenburger Kirche St. Maria. In Wernigerode entstanden unter ihm von 1897 bis 1912 das Krankenhaus mit Erweiterungsbauten. Mehr zu Carl Frühling erfährt man in dem Beitrag der Blankenburger Autorin Katrin Röhlich in der 2002 erschienenen Publikation „Fülle des Schönen. Gartenlandschaft Harz“. Danach entstand unter ihm auch die große Freiterrasse am Schloss Wernigerode in der Zeit zwischen 1869 und 1872 als Abschluss der ersten Bauetappe. Ohne Zweifel ist sie bis heute der schönste Balkon der bunten Stadt am Harz mit einer Größe von ca. 1.300 qm. Den Abschluss an der Westseite bildet eine 22 Meter hohe und etwa 2,50 Meter breite massive Mauer. Von dieser Aussichtsterrasse genießt man einen weiten Blick über Wernigerode und seine Stadtteile Hasserode und Nöschenrode. Aber auch über das Harzvorland bis hin zum höchsten Gipfel des Harzgebirges, dem Brocken mit 1.124 Meter.


Das heutige Aussehen des Schlossumfeldes spiegelt weitestgehend die Planung Carl Frühlings von 1871 wider. Zwischenzeitlich gab es jedoch mehrfache Umgestaltungen der Freiterrasse. Nach Röhlich wurden im September 1864 zwei Geschütze bei Grabungsarbeiten freigelegt, die aus dem 16. Jahrhundert stammen sollen. Es handelt sich um die Feldschlange als Guss von 1530 und die „Schöne Treiberin“ mit folgender Aufschrift:


du schone treiberin heis ich
hertzog iorg von sachssen
schangkt mich dem von
stolberg graf bot genannt itzt
wonent in doringer land.


Die Platzierung der Geschütze erfolgte bei der Gestaltung durch Carl Frühling vor den Schießscharten im Brüstungsbereich. Eingegrabene Geschütze, die später auch auf einer historischen Postkarte vor 1899 in der südöstlichen Terrassenecke stehend widergegeben werden. Vergraben aus welchem Grund oder war es doch anders?


Werfen wir einen Blick nach Schönhausen an der Elbe. Nach Ferdinand Fürst von Bismarck aus Friedrichsruh standen seit 1872 vier mächtige französische Kanonen aus grünschimmernder Bronze auf der Schlossterrasse des um 1700 neu errichteten Schlosses Schönhausen in der östlichen Altmark. Diese hatte der Kaiser Wilhelm I. (1797 - 1888) 1872 seinem bis 1890 amtierenden Kanzler Otto von Bismarck (1815 – 1898) in dankbarer Erinnerung an den siegreichen Feldzug gegen Frankreich 1870/71 geschenkt. Vizekanzler des Deutschen Reiches und damit Stellvertreter Bismarcks wurde Fürst Otto von Stolberg-Wernigerode, der 1890 in den Fürstenstand erhoben worden war. In Schönhausen wurde 1945 Schloss II abgebrochen und Schloss I als Geburtshaus Otto von Bismarcks am 2. August 1958 im Rahmen einer „Pionierübung“ gesprengt. Aus dem Schlossgelände kamen Sandsteinfiguren nach Magdeburg und fanden Aufstellung im Hangbereich vor dem heutigen IBA-Shop. Kanonen gelangten nach Wernigerode und wurden inzwischen wieder nach Schönhausen zurückgeführt.


In Wernigerode geht die Terrassengestaltung des Weingartenbereichs am Schloss auch auf Carl Frühling zurück, zu welcher er in den 1870er Jahren Detailzeichnungen anfertigte. Volker A. W. Wittich

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