Neue Kanäle, lichte Zukunft?

Der deutsche Handball steht im Jahr 2017 vor großen Einschnitten. Ein neuer TV-Vertrag soll die mediale Präsenz der zweitpopulärsten Sportart extrem verbessern.

Eine ausgewachsene Revolution ist es zwar nicht, ein „Revolutiönchen“ aber auf jeden Fall, was sich da 2017 im deutschen Handball ankündigt. Es bleibt zwar weiterhin bei zwei Mannschaften, zwei Toren und sieben Spielern und auch an den Regeln wird diesmal nicht gekratzt. Aber ansonsten wird sich die zweitpopulärste Sportart hierzulande im neuen Jahr mit einem ziemlich veränderten Gesicht präsentieren. Schuld daran ist ein neuer Fernsehvertrag, der ab Spätsommer greift. Optimisten sprechen schon von einem „Quantensprung“, für andere ist es mindestens ein „Meilenstein“.

Worum geht es, was verändert sich? MAGDEBURG KOMPAKT ging der Sache nach. Die traditionsreiche Sportart, die ihre Wurzeln vor gut 100 Jahren vor allem zwischen Nordsee und Alpen hatte, erlebt mit dem neuen TV-Vertrag, geschlossen zwischen der Bundesliga-Vereinigung (HBL) und der Sender-Kooperation Sky/ARD, eine Verjüngungskur. Als der Kontrakt Ende 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, schwoll den Machern regelrecht die Brust: Noch mehr Reichweite, weit mehr Produktionsqualität und eine noch nie dagewesene mediale Präsenz im deutschsprachigen Raum.

Das Wichtigste vorweg: Mit dem neuen Vertrag wird auf jeden Fall gelingen, das seit Jahren beklagte Durcheinander im Bundesliga-Spielplan (mit den dazugehörigen Tabellen-Verzerrungen) zu harmonisieren. Weil die neuen Geldgeber, also vor allem der Bezahlsender Sky, auf einheitliche Spieltage bestanden – und so wird ab der neuen Saison generell am Donnerstagabend und am Sonntagmittag gespielt. Es wird also vorbei sein mit dem Flickenteppich.

Künftig werden vier Spiele am Donnerstag um 19 Uhr und fünf Spiele am Sonntag angepfiffen davon vier mittags um 12.30 Uhr und eine Partie um 15 Uhr. „In diesem einheitlichen Spielplan sehe ich eine der größten Vorteile des neuen Vertrages“, sagt SCM-Geschäftsführer Marc Schmedt, der als HBL-Vize unmittelbar am Zustandekommen des neuen Kontrakts beteiligt war, im Gespräch mit Magdeburg Kompakt. „Das ist doch das, was wir seit Jahren angestrebt haben. Es bringt für unsere Zuschauer, vor allem die Dauerkartenbesitzer, eine viel größere Planbarkeit.“ Das sieht auch Kiels Meistertrainer Alfred Gislason so: „Der Spielplan war das Problem.“

Neben den neuen Spieltags-Strukturen beschert der Vertrag, und auch das sollte ebenso wenig verschwiegen werden, der HBL und ihren Vereinen einen netten finanziellen Zugewinn. Zahlte der bisherige TV-Partner Sport.1 pro Saison etwa 1,25 Millionen Euro, so gehen Insider davon aus, dass Sky und ARD dafür zwischen vier und fünf Millionen Euro hinblättern; offizielle Angaben wurden dazu ebenso wenig gemacht wie zu dem Schlüssel, mit dem der neue Geldfluss zwischen HBL und den Klubs geregelt werden soll. Schmedt erläutert: „Das Wirtschaftliche war beim Vertragsabschluss nicht das allein Ausschlagende. Uns ging es darum, den Handball auf ein neues, höheres Level zu hieven und dazu beizutragen, den neuen technischen und medialen Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden“. Künftig hätten, da Sky plane, alle Partien zu produzieren, eben auch Fans von kleineren Bundesliga-Vereinen die Möglichkeit, ihre Lieblinge regelmäßig im TV zu sehen. Letztlich gehe es jedoch darum, so der Manager, wettbewerbsfähig gegenüber der Konkurrenz aus dem Basketball oder Eishockey zu sein „und den Status als Nummer zwei der beliebtesten Mannschaftssportarten zu zementieren“. Und den Aufwind, den der deutsche Handball 2016 mit dem Gewinn der Europameisterschaft und von Olympia-Bronze nach oben trug, nachhaltig zu nutzen.

Bislang wurde die Handball-Bundesliga im Spartensender Sport1 gezeigt bei durchschnittlich 250.000 Zuschauern. Eine durchaus ausbaufähige Quote, wie – angesichts des Booms der Sportart die meisten Kenner fanden. Sky mit derzeit fünf Millionen Abonnenten will die Partien nun in einer Konferenz analog zum Fußball präsentieren. "Wir werden aber nicht von einem Tor zum nächsten gehen", sagt Sky-Sportchef Burkhard Weber – was beim Handball mit seinen im Schnitt 50 bis 70 Treffern pro Begegnung ohnehin ein Unding wäre.

Wie bei so Vielem: Wo Gewinner sind, sind meist die Verlierer nicht allzu weit entfernt. In diesem Fall sind es jene Handball-Fans, die über kein Sky-Abonnement verfügen. Und das sind hierzulande eben noch sehr viele. Denn das avisierte neue mediale Feuerwerk wird nur bei dem zünden, der dafür zusätzlich in die Tasche greift. Bisher waren bei Sport.1 pro Saison 54 Bundesliga-Partien live kostenlos zu sehen. Bei Sky und ARD werden es nur noch zwölf sein, darunter das Pokalfinale. Zur Ehrenrettung der HBL muss allerdings angemerkt werden, dass in keinem der vorliegenden Angebote – unter denen zu wählen war – noch von über 50 frei empfangbaren Partien die Rede war.

Gerade von den größeren technischen Möglichkeiten von Sky versprechen wir uns einiges“, so Schmedt. Es werden, so ist Medienberichten zu entnehmen, wesentlich mehr Kameras in der Halle stationiert sein (die Rede ist von vier bis acht) als bisher bei der doch eher kargen und stiefmütterlichen Berichterstattung auf Sport.1 . Es wird ausführliche Vor- und Nachberichte geben, die sich an der bewährten Handball-Champions-League-Berichterstattung von Sky orientieren. „Wir werden“, so der SCM-Mann, „auf jeden Fall mehr Informationen haben und Entertainment erleben als bisher.“ Und: „Wir rechnen mit deutlich mehr Präsenz gerade auch im MDR.“

Der neue hohe technische Aufwand wird auch an die Hallenbetreiber andere Anforderungen als bisher stellen; unter anderem ist von einem Extra-Studio und der Unterbringung zahlenmäßig größerer TVCrews die Rede und sogar von einem einheitlichen Hallenboden. Gerade in kleineren Arenen wie in Balingen, Minden, Coburg oder bei künftigen Aufsteigern könnte das Kopfschmerzen bereiten. „Wir als SC Magdeburg“, versichert Schmedt, „werden mit den neuen Anforderungen an die Hallenstandards mit unserer Getec-Arena keine Probleme bekommen.“ Das gelte auch für die bisherigen Werbemöglichkeiten in der Halle; auf die Ausstrahlung eigener Live-Streams werden die Klubs in Zukunft aus rechtlichen Gründen allerdings verzichten müssen.

Auch ein anderes mögliches Problem der Spielplan-Umstellung glaubt der SCM-Manager ohne größere Komplikationen in den Griff bekommen zu können: die frühere Anwurfzeit am Sonntagmittag (12.30 Uhr). „Das ist alles Gewöhnungssache. Mal nebenbei, zu den Fußballern, die derzeit 90 Minuten später anfangen, kommen die Leute in Magdeburg auch in Scharen. Unsere Zuschauer, da bin ich mir sicher, werden das neue Modell recht schnell annehmen. Zumal, so habe ich mir sagen lassen, auch einst die DDR-Oberliga am späteren Sonntagvormittag aufgelaufen ist.“

Der eine oder andere wird zwar möglicherweise den sonntäglichen Braten durch ein wie auch immer geartetes zweites Frühstück ersetzen müssen. Schmedt hat schon erste Gedanken parat, sagt: „Mit unserem Caterer werden wir über ein angepasstes Angebot reden. Was den von einigen befürchteten Bio-Rhythmus-Wechsel bei den Spielern betrifft, da ist natürlich zuallererst der Trainer gefordert. Diese Umstellung sollte keine unüberwindliche Hürde sein. Außerdem betrifft das alle Teams. Und noch ist ja ein wenig Zeit.“ Auch Kiels Coach Gislason hat mit dem 12.30-Uhr-Termin keine Probleme: „An den frühen Sonntagstermin werden wir uns gewöhnen.“ HBL-Chef Frank Bohmann spricht bei der noch ungewohnten Anwurfzeit zwar schon von einem „Paradigmenwechsel“. Aber, fügt er hinzu, „ich glaube, der Handball hat jetzt eine riesige Chance, sich zu profilieren.“

Von Rudi Bartlitz


Kompakt

Der neue TV-Vertrag zwischen der Handball-Bundesliga (HBL) und den Sendern Sky und ARD wird ab Spätsommer 2017 in Kraft treten. Neben dem Bezahlsender Sky, der sämtliche Spiele in Konferenzschaltungen zeigen will, werden in der ARD zwölf Spiele pro Saison zu sehen sein. Zwei Bundesliga-Toppartien, ein Halbfinale sowie das Endspiel der Pokalendrunde Final Four sind im Ersten zu sehen. Acht weitere Spiele werden in den dritten Programmen gezeigt. In der ARD-Sportschau am Sonntag soll regelmäßig über die Bundesliga berichtet werden. Auch das ZDF will in seinen Sportsendungen öfters zum Handball schalten. Zudem strahlt der vom 1 . Dezember 201 6 an frei empfangbare Kanal Sky News HD vier Partien aus. Der Vertrag „in dieser Konstellation“ soll mindestens vier Jahre laufen.

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