„Die Liga schläft nicht“

SCM-Cheftrainer Bennet Wiegert. Foto: Peter Gercke

Licht und Schatten für die Handballer des SC Magdeburg im bisherigen Saison-verlauf. Im Gespräch mit Magdeburg Kompakt legt Coach Bennet Wiegert seine Sicht der Dinge dar.

Der SCM hat ein gutes Drittel der Saison absolviert, rangiert auf Platz sechs. Wie fällt eine erste Zwischenbilanz aus Ihrer Sicht aus?
Bennet Wiegert: Das ist gar nicht so einfach, sogar richtig schwierig. Ich versuche es einmal so: Den großen Bockmist haben wir zwar nicht abgeliefert, aber es fehlen Punkte. Es hätten mehr sein können. Insofern kann und darf man mit dem Erreichten nicht zufrieden sein. Positiv ist dennoch, dass wir in nahezu allen Begegnungen, auch gegen die Top-Teams, eigentlich immer dran, nie chancenlos waren.

Dennoch weist die Tabelle bereits zehn Minuszähler für Ihr Team auf. Was ist da in der Saison noch drin?
Es ist unübersehbar, dass nach der sehr guten letzten Spielzeit überall, bei den Zuschauern, im Umfeld, bei den Medien und auch im Team selbst, die Ansprüche gestiegen sind. Doch, wie einer meiner Bundesliga-Trainerkollegen sagt, die Erwartung ist der Anfang der Enttäuschung. Das bekommen wir in Magdeburg jetzt in der Realität mit. Wer geglaubt hat, es ging nach Rang fünf 2017 jetzt nahtlos weiter nach oben, jetzt kämen automatisch mindestens Rang drei und die Champions League, der sieht sich getäuscht. Die Liga schläft nicht!

Apropos Liga. Da hatten ja viele Experten eine höhere Ausgeglichenheit prognostiziert. Haben sich diese Voraussagen aus Ihrer Sicht bewahrheitet?
Ich denke, ja. Schauen Sie nur auf die Kieler. Die liegen derzeit noch hinter uns. Aber es wäre ein Fehler, davon auszugehen, dass dies am Ende noch genauso ist. Ich will damit sagen, die Spannung hat zugenommen, also genau das, was der Handball-Fan sich wünscht, was unsere Sportart so attraktiv macht. Du kannst heute mit ein zwei gewonnenen Partien auf Rang vier klettern, aber genauso schnell wieder abstürzen. Einen Ausrutscher darfst du dir in dieser Liga nicht mehr leisten. Das wird sofort bestraft.

Wofür ist Ihr Team in den bisherigen Spielen bestraft worden? Für die, wie viele Experten meinen, schwächere Vorstellung in der Abwehr?
Da würde ich nicht mitgehen. Ich sehe in unserer Abwehrarbeit keinen generellen Qualitätsverlust.

Das sagen Sie, obwohl der SCM im Sommer mit Finn Lemke einen überdurchschnittlichen Abwehrspieler verloren hat?
Ja, selbst wenn Finn das eventuell nicht gern hört. Ich glaube, wir haben ihn durch Piotr Chrapkowski gut ersetzen können. Wo ich zustimmen würde wäre die Feststellung, dass zunächst in der Breite des Kaders eine Verschlechterung eingetreten ist. Weil ein Gleb Kalarash einen Jacob Bagersted ebenso noch nicht ersetzen kann wie ein Carlos Molina einen Fabian van Olphen. Beide Zugänge brauchen noch Zeit, wir werden sie nicht verheizen. Verwöhnt waren wir in der vergangenen Spielzeit auch bei den Torhüterleistungen. In einigen Begegnungen konnten die Keeper zuletzt allerdings nicht an diese Vorstellungen anknüpfen.

Und der Angriff, immerhin hat er mit 406 Treffern bisher die meisten Tore aller Bundesligisten erzielt?
Da darf man sich von den puren Zahlen nicht täuschen lassen. Aufgrund unseres Tempospiels laufen wir jetzt zwischen 60 und 65 Angriffe pro Partie, vor zwei Jahren waren es noch 40 bis 45 im Schnitt. Da fallen zwangsläufig mehr Tore. Richtig ist ebenso: Wir erarbeiten uns sehr viele Chancen, die Quote der Fehlwürfe, vor allem in den jüngsten Begegnungen, liegt aber dennoch zu hoch.

Vor einigen Tagen hat die Nachricht aufhorchen lassen, dass der europäische Verband (EHF) schon in der Saison 2018/19 die Zahl der deutschen Champions-League-Teilnehmer von bisher in der Regel drei auf einen herunterfahren will. Was bedeutet das für den deutschen Handball und insbesondere den SC Magdeburg?
Sollte es so kommen, müssten wir im SCM wohl unsere Zielstellung, spätestens im Jahr 2020 in der Champions League anzugreifen, neu bestimmen. Das wäre nicht mehr haltbar. Denn dann würde ja aus der Bundesliga nur noch der Meister im höchs-ten europäischen Wettbewerb dabei sein. Und vielleicht ein zweiter Klub, möglicherweise dann, wenn ein deutscher Verein den EHF-Pokal gewinnt.

Das heißt im Umkehrschluss, die Rangelei in Deutschland um Startplätze für den EHF-Cup erreicht eine völlig neue Qualität – im ungünstigsten Fall würden nur noch der Vizemeister und der Dritte in diesen Wettbewerb einziehen.
Natürlich würde das andererseits eine beträchtliche Aufwertung des EHF-Cups bedeuten, weil dort dann Mannschaften dabei wären, die sonst in der Regel in der Champions League vertreten sind. Für den SCM, dessen erklärtes Ziel es ist, international zu spielen, wäre die skizzierte Konstellation nur noch mehr Ansporn, im diesjährigen EHF-Pokal so weit wie möglich zu kommen. Zumal wir ja erwägen, uns um die Ausrichtung des Final-Four-Turniers 2018 in Magdeburg zu bewerben. Wie es derzeit aussieht, wird es in den kommenden Jahren noch weit schwieriger als derzeit, diesen Pokal zu erobern. Fragen: Rudi Bartlitz

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