„Das Boxen liegt nicht am Boden“

Boxpromotor Ulf Steinforth (vorn). Profiboxer Dominic Bösel (hinten). Foto: Peter Gercke

Im Interview mit Magdeburg Kompakt spricht Ulf Steinforth, Geschäftsführer des  Magdeburger Boxteams SES, über das kriselnde deutsche Boxen, fehlende Typen im Ring und über den Rückkampf seines Schützlings Dominic Bösel um die Europameisterschaft im Halbschwergewicht.

Können Sie es aus Ihrer Sicht als Veranstalter nachvollziehen, wenn in der Öffentlichkeit und in den  Medien von einer Talfahrt des deutschen Boxens die Rede ist?
Ulf Steinforth: Wenn man es ausschließlich an den Titeln und spektakulären Fights – wie wir sie in den neunziger Jahren oder in den ersten zehn Jahren des neuen Jahrtausends gesehen haben – festmacht, ist eine solche Bewertung sicher nicht ganz von der Hand zu weisen. Richtig ist ebenso, dass die TV-Quoten spürbar zurückgegangen sind. Dennoch würde ich nicht behaupten, das deutsche Boxen liege am Boden. Als Veranstalter mache ich eher die gegenteilige Erfahrung. Boxen ist nach wie vor gefragt. Neben dem Team Sauerland und uns als SES gibt es, wage ich zu behaupten, derzeit in Deutschland so viele Boxställe und Veranstalter wie nie zuvor.

Warum dann trotzdem die Kritik am Boxen?
Weil uns einfach herausragende Athleten fehlen. Unverwechselbare Typen, die der Zuschauer sehen will. Leute wie es einst Axel Schulz, Henry Maske, Dariusz Michalczewski, Graciano Rocchigiani oder Sven Ottke waren. Oder nehmen wir die jüngere Vergangenheit mit Felix Sturm, Arthur Abraham oder unserem Robert Stieglitz, der den Titel „Der letzte Kämpfer“ sicher nicht zu Unrecht trug. Typen eben, mit denen sich die Menschen identifizieren, die sie sehen wollen. Solche Leute und deren Erfolge fehlen uns derzeit leider.

Und kommen nicht wieder?
Wenn ich das wüsste … Was ich aber weiß, ist folgendes: Wir als Promoter und Manager sind aufgefordert, im Interesse des Boxens wieder solche Akteure zu finden. Die Suche nach ihnen zu intensivieren.

Wie soll das gehen?
Eine wichtige Rolle dabei spielt das Free-TV. Wir müssen die jungen aufstrebenden Leute einem Massenpublikum bekanntmachen. Das wird mit Streaming-Diensten schwierig, das geht meiner Meinung nach am besten über das frei empfangbare Fernsehen.

Doch die wichtigsten Sender wie ARD, ZDF, Sat.1 und RTL haben sich zurückgezogen. Der Sport-Chef der ARD sagte kürzlich, im deutschen Berufsboxen gebe es nichts, was im Ers-ten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt werden müsste. Wie soll das also funktionieren?
Beispielweise so, wie wir es bei SES zusammen mit dem MDR machen. Hier schaffen wir für die jungen Boxer jene Bühne, auf der sie sich zeigen, sich einen Namen machen können.

Und das läuft?
Sehr gut sogar. Beide Seiten sind mit den Quoten sehr zufrieden. Und das nicht nur im Einzugsgebiet des MDR, sondern vor allem deutschlandweit. Wir registrieren mit Freude, dass immer mehr Box-Fans aus vielen Teilen der Bundesrepublik inzwischen samstagabends einschalten.

Stichwort Quote. Generell ist sie bei Boxkämpfen hierzulande dennoch merkbar zurückgegangen.
Das ist sicher zu 100 Prozent richtig. Aber die Quoten gehen auch in anderen Genres beträchtlich zurück. Ich sehe darin generell ein verändertes Konsumentenverhalten, weg vom TV, hin zu Online- und Streaming-Diensten. Ich bin allerdings überzeugt, wenn es gelingt, wieder herausragende Boxer zu präsentieren, werden die Fans auch wieder in Massen zu unserem Sport zurückkommen. Dabei scheint mir eines wichtig: Wir können und sollten dem Publikum nicht bestimmte Leute sozusagen vorsetzen. In der Hoffnung, sie werden sie schon akzeptieren. So läuft das nicht. Das Publikum hat ein feines Gespür dafür, wer aus seiner Sicht ein Typ ist, für den es sich interessiert. Und wer eben nicht.

Hand aufs Herz: Sind ihre Athleten Agit Kabayel, Dominic Bösel und Tom Schwarz solche Typen, die sich in die Herzen des Zuschauers zu boxen vermögen?
Von der persönlichen Ausstrahlung und  in unserer Sportart gefragten anderen Attributen her würde ich schon sagen: ja. Eine ganz andere und nicht weniger schwierige Frage ist, ob sie es auch sportlich ganz nach oben schaffen.

Kabayel immerhin hat seinen Titel als Europameister gerade erfolgreich verteidigt, und für Bösel geht es Anfang Dezember im Rückkampf darum, sich den kontinentalen Gürtel von Karo Murat zu holen.
Agit kann so ein Typ werden. Er hat kurdische Wurzeln, ist aber in Bochum geboren, in Deutschland aufgewachsen. In seiner Person spiegelt sich so etwas wie der Wandel, den unsere Gesellschaft durchläuft. Ich finde es gut, dass er seinen Namen nicht ändern, nicht „eindeutschen“ will. Er ist ein sehr bescheidener Typ, haut keine Sprüche raus, lebt den Sport mit jeder Faser. Dazu gehört auch, dass er sich seinen Aufstieg selbst finanziert hat, mit zahllosen Sparrings mit Großen seines Faches.

Und Bösel?
Natürlich geht Dominic in einem zweiten Gefecht mit Murat ein sportliches Risiko ein. Aber diese Sache muss zwischen beiden geklärt werden. Dominic kann als Sieger hervorgehen, wenn er sich auf seine Stärken besinnt, gemeinsam mit Trainer Dirk Dzemski einen guten Plan hat und schlau boxt. Wenn er nicht versucht, im Ring den Helden zu spielen.

Bereits der erste Kampf im Sommer gehört zu den herausragenden Fights 2017 in Deutschland. Wie sieht es jetzt, knapp drei Wochen vor dem Rematch in Weißenfels (16. Dezember) aus?
Dominic hat sich die Mandeln herausnehmen lassen, ist für Erkältungen nicht mehr so anfällig. Zudem hat er körperlich noch einmal zugelegt. Ich sehe der Auseinandersetzung jedenfalls positiv entgegen.

Der „Fuchsbau“ in Weißenfels soll nahezu ausverkauft sein.
Ja, die 3.500 Karten waren im Handumdrehen weg. Von einer Krise des deutschen Boxens kann ich, zumindest was das Zuschauerinteresse bei uns angeht, da nicht viel sehen. Fragen: Rudi Bartlitz

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