Was das Leben so zaubert

Pancakes brutzeln in einer Pfanne auf dem Herd. Goldbraun. Sie sehen, was die Farbe betrifft, etwas anders aus als die üblichen Pfannkuchen. Vermutlich liegt das am Dinkelmehl, das Ines Roefe dafür verwendet. Sie probiert gern Neues aus und kocht meist auch ohne Rezept. „Mit Maismehl habe ich auch schon versucht, Pancakes zu machen. Das ging jedoch schief“, sagt die gebürtige Burgerin und lacht. „Weil Maismehl glutenarm ist, fehlt ihm die klebende Eigenschaft … entsprechend sahen die Pancakes dann aus.“ Doch von solchen Kleinigkeiten lässt sich die 51-Jährige nicht entmutigen – ebenso wenig von den Rückschlägen, die sie im Laufe ihres Lebens verkraften musste. Ines Roefe ist nicht der Typ Mensch, der den Kopf in den Sand steckt. Außer vielleicht für einen kurzen Augenblick, um Kraft zu schöpfen und zu überlegen, wie es nun mit dem Leben weitergehen soll.

Mehrmals musste sie schon innehalten und eine neue Richtung einschlagen. Das erste Mal als junger Mensch. „Eigentlich hätte ich gern Modezeichnerin gelernt, aber zu DDR-Zeiten musste man dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die ich nicht erfüllen konnte“, erinnert sich die 51-Jährige, während sie in ihrer Küche in Hohenwarthe den nächsten goldbraunen Teigfladen in der Pfanne wendet. „Also versuchte man mir den Beruf Facharbeiter für Holztechnik schmackhaft zu machen, was nur eine andere Umschreibung für den Tischler ist.“ Mit der Aussicht auf eine kreative Tätigkeit absolvierte sie die Ausbildung, war jedoch enttäuscht davon, einen großen Teil dieser Ausbildung am Fließband verbringen zu müssen. „Geschadet hat mir das natürlich nicht und ich habe auch sehr viel gelernt.“ Noch heute profitiert sie von dem Wissen, wenn sie an einem ihrer Upcycling-Projekte arbeitet und aus altem Holz beispielsweise dekorative Schilder fertigt oder ausgedienten Möbelstücken neues Leben einhaucht.

Dennoch konnte sich Ines Roefe damals nicht vorstellen, den Beruf über einen längeren Zeitraum auszuüben. „Ich war danach als Sachbearbeiterin tätig, habe eine Weiterbildung zur Industriekauffrau und später auch zur Versicherungs- sowie Bürokauffrau gemacht.“ Doch der Büroalltag bot zu wenig Abwechslung, weshalb sich die heute 51-Jährige kurz nach der Jahrtausendwende erneut umorientierte und sich zunächst nebenberuflich und ab 2006 hauptberuflich als Selbstständige durchkämpfte. Als Rhetorik-, Knigge- und Bewerbungscoach sei es anfangs sehr schwer gewesen, ein gutes Auskommen zu finden. „In der ersten Zeit war Klinkenputzen angesagt und ich musste lernen, mich durchzusetzen – auch gegen Konkurrenten.“ Aber schließlich sei der Knoten geplatzt. „Ich erhielt Anfragen für Seminare von der Agentur für Arbeit und von Bildungsträgern und dies ermöglichte mir, eine kleine Firma in Burg mit mehreren Mitarbeitern zu gründen.“ Als vonseiten diverser Bildungsträger die Bitte kam, auch Ernährungs- sowie Gesundheitsthemen in die Seminare einfließen zu lassen, nahm Ines Roefe die Herausforderung an und qualifizierte sich ebenfalls auf diesen Gebieten.

Bis 2012 lief alles optimal, dann kam die Wende und die Burgerin musste den ersten großen Rückschlag hinnehmen. „Den Bildungsträgern wurde die Förderung u.a. für Bewerbungs- und Rhetorik-Seminare gestrichen, weshalb sie keine Aufträge mehr vergaben, sondern auf hauseigene Dozenten zurückgriffen“, erklärt Ines Roefe. „Für die Firma ist das noch glimpflich ausgegangen, da ich meine Mitarbeiter anderswo unterbringen konnte. Für mich stellte sich im Anschluss jedoch die Frage: Wie geht es für mich weiter? Was mache ich mit meinem Wissen?“

Ein neues Konzept war schnell gefunden und Ines Roefe eröffnete in Magdeburg-Stadtfeld in der Friesenstraße das „Wohnstubencafé“, bot dort Beratung und Seminare im Bereich der ihr vertrauten Themengebiete sowie Kaffee und selbstgebackene Torten an. Ein Neuanfang, der erneut einiges abverlangte, zumal sie alles selbst erledigte – von der Organisation, über das Kochen, Backen, Einkaufen bis hin zum Putzen. Doch Aufwand und Engagement haben sich gelohnt. Und sicher wäre auch heute das „Wohnstubencafé“ eine beliebte Adresse, wäre nicht die Flut 2013 dazwischengekommen.

Das Gebäude in der Friesenstraße war zwar nicht direkt davon betroffen, aber am Ende des Jahres hatte das Hochwasser indirekt seine Spuren hinterlassen. „Es hat ganz banal angefangen … Den Helfern im Wissenschaftshafen wollte ich etwas Gutes tun und habe für sie Kaffee gekocht und Kuchen gebacken. Vor dem Café habe ich einen Aushang gemacht und um Unterstützung in Form von Backpulver, Mehl und so weiter gebeten. Am nächsten Morgen standen dann plötzlich 40 Personen vor dem Café, die alle helfen wollten“, erinnert sich die 51-Jährige. Worüber sie sich zunächst freute, sollte bald einen bitteren Nachgeschmack offenbaren. „So viele Menschen in meiner verhältnismäßig kleinen Küche … da habe ich den Überblick verloren und ich konnte auch nicht mehr auf alles achten.“ Die Bilanz: mehrere defekte Küchengeräte, kaputte Schränke und ein beschädigter Fußboden. Das Fatale: Die Versicherung zahlte nicht.

Ines Roefe blieb nichts anderes übrig, als die Küche zu entsorgen. Sie schloss das „Wohnstubencafé“ und nahm sich eine Auszeit. Doch die reichte nicht aus, wie sich Ende desselben Jahres herausstellte. „Ich bin einfach zusammengeklappt. Mein Körper hat mir klargemacht, dass es so nicht weitergehen kann.“ Untersuchungen brachten schließlich eine bittere Diagnose: Multiple Sklerose. „Das Café habe ich dann endgültig im Mai 2014 aufgegeben und mich zurückgezogen, abgeschottet.“ Doch, wie eingangs erwähnt, Ines Roefe ist nicht der Typ Mensch, der den Kopf in den Sand steckt. „Nach einer Weile wollte ich nicht nur darauf warten, dass ich im Rollstuhl lande und die Krankheit vollends Besitz von mir ergreift. Ich brauchte eine Aufgabe. Und so habe ich mich tiefgreifender mit der Krankheit und auch mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt.“

Dass die 51-Jährige seitdem auf Fleisch und andere tierische Produkte verzichtet, hat in erster Linie also gesundheitliche und nicht nur ethische Gründe. „Weil ich in dieser Zeit merkte, was nach wie vor zahlreiche Menschen von vegetarischer oder veganer Ernährung halten, beschloss ich mich auf diese Schiene zu konzentrieren. Kochen und mich mit kulinarischen Themen zu befassen, macht mir ja noch immer Spaß“, schildert Ines Roefe und holt den letzten Pancake aus der Pfanne.

Die Idee für „Zauberfood“ war geboren. Als selbstständig Tätige bietet die gebürtige Burgerin unter diesem Namen Beratung rund um die Themen Ernährung und Lebensart an, veranstaltet vegetarische und vegane Koch-Coachings, spezielle Kochkurse und Kochshows. „Ich möchte zeigen, wie vielfältig man sich ernähren kann, selbst wenn man auf tierische Produkte verzichtet, und dass man nicht unbedingt auf Nahrungsergänzungsmittel in Form von Tabletten zurückgreifen muss.“ Die wichtigsten Zutaten sind für die 51-Jährige Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Äpfel, Gewürze und Kräuter. „Die Kräuter finde ich in meinem eigenen Garten. Bei allem anderen setze ich auf einheimische Produkte – soweit dies geht.“ Zu erleben ist „Zauberfood“ nicht nur bei diversen Veranstaltungen, beispielsweise auf Messen, Ines Roefe steht auch Unternehmen mit ihrer Erfahrung zur Verfügung. „Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitern etwas Gutes tun möchten, weil diese viel Zeit sitzend vor dem Computer verbringen, stelle ich ein Allroundprogramm zusammen, das sowohl kleine Bewegungsübungen als auch Ernährungstipps beinhaltet und den Mitarbeitern zeigt, wie man gesunde Snacks als Zwischenmahlzeit zaubern kann.“

Aber auch für andere Wünsche ist Ines Roefe offen. „Ob es mal eine Weihnachtsfeier der anderen Art sein soll oder eine private Koch-Party – man muss nur im Vorfeld alles absprechen. Sollte die Veranstaltung beispielsweise unter einem bestimmten Motto stehen, lasse ich mich auch zu einer Verkleidung hinreißen.“ Das einzige, was benötigt wird, ist ausreichend Platz, Strom und Wasser. Alles andere – vom mobilen Herd und der Grundausstattung an Kochgeschirr bis zu den Gewürzen – hat Ines Roefe stets im Gepäck. Und wenn alle Details geklärt sind, hat sie auch noch Zeit, ihre Pfannkuchen und das selbstgemachte Apfel-Pfirsich-Mus zu genießen. Tina Heinz

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