Prävention statt Therapie

Grit Arndt ist Diplom-Betriebswirtin und Fachärztin für Arbeits- und Reisemedizin.

Vorsorge ist das A und O, wenn es um Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz geht. Arbeitsmediziner leisten viele der notwendigen Maßnahmen.

Unternehmen sind dazu verpflichtet, einen Arbeitsmediziner und eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zu bestellen. Ein kurzer Einblick in die Aufgaben einer Arbeitsmedizinerin.

Nach sechs Jahren Medizinstudium entschied ich mich, wie viele Jahre zuvor schon meine Mutter, für die Fachrichtung Arbeitsmedizin. Fünf weitere Jahre bereitete ich mich auf die Facharztprüfung vor, für die sowohl Innere Medizin als auch Notfall- bzw. Intensivmedizin gefordert ist. Zu meinem spannenden Alltag gehören nicht nur variierende Aufgaben, sondern auch viele interessante Menschen.

Ich betreue Firmen nach den gesetzlichen Grundlagen der Deutschen Gesetzlichen Unfallverhütungsvorschrift (DGUVV II) und nach der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV), die sich jeweils auf das Arbeitssicherheitsgesetz beziehen. Zu meinen Aufgaben gehören dort zum Beispiel die Teilnahme pro Quartal an Arbeitssicherheitsausschusssitzungen (kurz ASA) mit der jeweiligen Geschäftsführung oder deren Vertretung, einer Fachkraft für Arbeitssicherheit, einem Sicherheitsbeauftragten und – wenn vorhanden – dem Betriebsrat. Entsprechende Betriebsbegehungen sind ebenso Teil meines Berufes. Dabei wird beispielsweise darauf geachtet, ob die Verbandskästen vollständig und nicht abgelaufen sind, persönliche Schutzkleidung der Mitarbeiter wie Schutzbrille und Arbeitsschutzschuhe zur Verfügung stehen und getragen werden oder ob die Ergonomie an den Bildschirmarbeitsplätzen eingehalten wird. Neben Hautschutzplänen für bestimmte Berufsgruppen und Möglichkeiten zur Reinigung und Desinfektion sollte die Hygiene stets auch in den sozialen Räumlichkeiten wie Küche oder Aufenthaltsraum Beachtung finden. Außerdem ist es wichtig, dass Fluchtwege richtig gekennzeichnet und Notrufnummern sowie Erste-Hilfe-Aushänge vorgehalten werden. Der dem Unternehmen bereitstehende Arbeitsmediziner ist ebenfalls der Ansprechpartner, wenn es um Hinweise der Mitarbeiter hinsichtlich Ergonomie oder Arbeitssicherheit geht. Etwaige Mängel werden von mir protokolliert und in Absprache mit der Geschäftsführung Korrekturmaßnahmen und Verantwortlichkeiten sowie Fristen zur Umsetzung festgelegt.

Der Arbeitsgeber muss für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung erstellen und diese alle zwei Jahre aktualisieren. Besondere Gefährdungen treten dabei zum Beispiel beim Arbeiten mit Absturzgefahr (in der Höhe) oder bei Lackiererarbeiten auf. Anhand dieser Beurteilungen werden Eignungs- und Vorsorgeuntersuchungen sowie persönliche Schutzausrüstung (z. B. Arbeitsschutzschuhe, Gehörschutz oder Helm) von mir vorgeschlagen und vom Arbeitgeber schließlich festgelegt.

Sind die ersten Schritte vollbracht, beauftragt der Arbeitgeber den Arbeitsmediziner – also mich – die Vorsorge- und Eignungsuntersuchungen durchzuführen. Dazu zählen Angebotsvorsorgeuntersuchungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anbietet, die dieser jedoch nicht in Anspruch nehmen muss. Dazu zählt beispielsweise eine Bildschirmarbeitsplatzuntersuchung, in der festgestellt werden kann, ob eine Bildschirmarbeitsplatzbrille benötigt wird. Des Weiteren gibt es Pflichtvorsorgeuntersuchungen für bestimmte Tätigkeiten wie bei Infektionsgefährdungen. Dies betrifft beispielsweise Pflegepersonal, aber auch Mitarbeiter der Müllentsorgung. Der Arbeitnehmer muss bei mir vorstellig werden, kann jedoch eine körperliche Untersuchung ablehnen, da die beratende Tätigkeit im Vordergrund steht. Dem Mitarbeiter stehen auch Wunschvorsorgeuntersuchungen zur Verfügung, wenn dieser aufgrund gesundheitlicher Beschwerden infolge der Arbeit an den Arbeitgeber herantritt und eine Vorstellung beim Betriebsarzt wünscht.

Neben den Vorsorgeuntersuchungen führe ich als Arbeitsmediziner auch Eignungsuntersuchungen durch. Beim Arbeiten mit Absturzgefahr, sei es in der Höhe oder in der Tiefe, zählen dazu eine ausführliche Anamnese (Vorerkrankungen), Sehtest, Hörtest, Gesichtsfelduntersuchung (Perimetrie), Gleichgewichtsuntersuchung, Ruhe- und Belastungs-EKG, Blutabnahme und eine eingehende körperliche Untersuchung. Je nach Beruf fallen andere Untersuchungen an. So ist beim Tragen von schwerem Atemschutzgerät beispielsweise neben den oben genannten Inhalten bis auf die Gleichgewichtsuntersuchung ein Lungenfunktionstest notwendig.

Bus- und LKW-Fahrer zählen auch zu meinen Probanden. Besonders wichtig für diese Berufsgruppen sind Sehtest und Perimetrie. Eine Anamnese ist für jeden Beruf sehr wichtig – bestimmte Vorerkrankungen erfordern eine weiterführende Diagnostik durch Fachärzte, um eine Eignung festzustellen.

Zweifelt der Arbeitgeber einmal an der Eignung eines Mitarbeiters, so kann er anlassbezogen eine arbeitsmedizinische Stellungnahme nach Untersuchung durch mich einfordern. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig erkrankt ist. 

Ist ein Mitarbeiter häufig oder lange krank – das heißt mehr als sechs Wochen in zwölf Monaten – so ist der Arbeitgeber nach SGB XI verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Dabei setzen sich der Betriebsrat, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zusammen und beraten darüber, wie der Arbeitsplatz leidensgerecht angepasst werden kann, um eine langfristige Gesunderhaltung zu erreichen. Höhenverstellbare Schreibtische und ergonomisch optimierbare Bürostühle sind nur zwei der vielen Möglichkeiten. Die Unternehmen bieten gelegentlich Gesundheitstage an, die ich sehr befürworte. Die Mitarbeiter haben im Rahmen dessen die Möglichkeit, verschiedene Tests auszuprobieren wie Cholesterin- und Blutzuckerwertmessungen. Außerdem können sie Fragen zur Arbeitsmedizin und Prävention stellen und Tipps erhalten.

Einige Firmen bieten bezüglich präventiver Maßnahmen Medical Checks an, bei denen körperliche Untersuchungen und Laborbefunde erhoben werden, deren Auswertung allein der Mitarbeiter erhält. Ich halte diese Medical Checks für wichtig und wertvoll, da sie altersunabhängig sind und bei Auffälligkeiten Hausarzt oder Facharzt hinzugezogen werden können.

Die Arbeitsmedizin ist in meinen Augen ein interessanter und wichtiger Fachbereich, der oftmals unterschätzt wird. Prävention ist vor allem in der heutigen Zeit zunehmend wichtiger, da oft zu spät ein körperliches Leiden erkannt und darauf reagiert wird. Durch Präventionsmaßnahmen können viele Leiden verhindert werden. Grit Arndt

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