Eine Einheit mit dem Wasser

An seinem Start muss Pascal Rentsch noch feilen. Doch generell läuft es bei dem 14-Jährigen VSB-Schwimmer sehr gut.

Am Montag klingelt Pascal Rentschs We-cker um 6 Uhr – zu früh für die Schule. Doch der 14-Jährige hat vor dem Unterricht noch etwas vor. Das Schwimmtraining des Vereins für Sporttherapie und Behindertensport 1980 Magdeburg steht auf dem Plan. Von 6.30 bis 8 Uhr zieht er unter der Aufsicht von Trainer Florian Giese seine Bahnen in der Elbeschwimmhalle, übt Start und Wende – immer wieder und wieder. Ob ihm das frühe Aufstehen nichts ausmache? Pascal zuckt mit den Schultern, lächelt und schüttelt schließlich schüchtern den Kopf. „Das macht ihm gar nichts aus“, ergreift sein Pflegevater Günter Danker das Wort. „Er stellt sich selbständig den Wecker und steht ein paar Minuten später angezogen und mit gepackten Sachen auf der Matte, weil er weiß, dass es gleich losgeht.“

Nach der Geburt wurde bei Pascal das Fetale Alkoholsyndrom diagnostiziert. Er kam in die Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes und wurde im Alter von sechs Monaten von seinen Pflegeeltern aufgenommen. Schon früh war Günter Danker und seiner Frau klar, dass ihr Schützling beim Schwimmen in seinem Element ist. „Pascal und das Wasser – das war von Anfang an eine Einheit“, erklärt der Pflegevater und Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Lange hatte die Familie nach einer Möglichkeit gesucht, Pascal beim Schwimmen gut betreuen zu lassen. Schließlich ergab sich die Gelegenheit beim VSB 1980. „Erst war er in der normalen Schwimmgruppe, aber nach einer Weile stellte man fest, dass Pascal Talent und ein gewisses Potential hat“, so Günter Danker.

Im November sicherte er sich bei den Deutschen Kurzbahn Meisterschaften eine Gold- sowie vier Bronze- medaillen und damit die Berufung in den Bundeskader. Fotos: Peter Gercke

Daher wechselte der Jugendliche in die Leis-tungssportgruppe und trainiert nun 16 Stunden pro Woche beim VSB 1980. Nicht nur montags, auch mittwochs und freitags muss er früh aufstehen. Und von Montag bis Freitag steht ebenfalls am Nachmittag Training auf dem Programm. Hinzu kommen zahlreiche Liegestütze und regelmäßiges Radfahren in Eigenregie. „Dank einer Vereinbarung mit der Regenbogenschule kann Pascal so intensiv trainieren. Natürlich muss er das auch wollen – wenn ihm das alles keinen Spaß machen würde, wäre es sinnlos“, meint Günter Danker.

Aber es ist alles andere als sinnlos. Zum einen sei Pascal durch das Schwimmen selbstständiger, ausgeglichener und konzentrierter, was sich auch positiv auf die schulischen Leistungen auswirke. Zum anderen empfindet er das Training nicht als Qual, die Wettkämpfe nicht als Stress – und die Erfolge sprechen für sich. Zuletzt gewann der 14-Jährige bei den Deutschen Kurzbahn Meisterschaften im Schwimmen für Menschen mit Behinderung, die Mitte November in Remscheid stattfanden, eine Goldmedaille (Freistil 200 Meter) sowie vier Bronzemedaillen (Freistil 100 Meter, Rücken 100 Meter und Brust 50 sowie 100 Meter). Und das, obwohl Pascal lieber die langen Strecken mag. Denn beim Start braucht er etwas zu lang. „Da reagiert er noch nicht schnell genug“, weiß Trainer Florian Giese. Und dieser Zeitverlust lasse sich auf der langen Bahn natürlich besser aufholen als auf der kurzen.

„Aber an den technischen Feinheiten, am Startsprung, an der Wende – daran arbeiten wir“, sagt der Trainer und fügt hinzu, dass ab Januar die Vorbereitungen für die Deutschen Meisterschaften im Juni 2018 laufen, samt Trainingslager und Zwischenwettkämpfen. „Wir müssen schauen, wohin die Reise geht“ äußert Florian Giese bescheiden. „Wir werden weiterhin kontinuierlich Pascals Leis-tungen steigern und wollen auch das Jahr 2018 erfolgreich abschließen.“ Bei aller Zurückhaltung und Bescheidenheit darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass Pascal Rentsch dank seiner Erfolge in den Bundeskader Schwimmen berufen wurde und damit das Ziel, an den Paralympischen Sommerspielen in Tokio 2020 teilzunehmen, ein Stück näher gerückt ist.

Der Weg dorthin ist natürlich noch weit. Und zunächst kann sich auch Pascal auf die Weihnachtsferien mit der Familie freuen. „Ein Handy wünsche ich mir und ein Computerspiel“, verrät der 14-Jährige und fügt hinzu, dass er sich gerne mit Schiffen und Lkw beschäftigt, aber eben auch mal am Computer zockt. „Bloß nicht zu lang, sonst tun mir nach einer Weile die Augen weh.“ Ganz auf das Training verzichten kann er jedoch auch in den Ferien nicht … Tina Heinz

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