Zwischen Wiedergeburt und Fegefeuer

Der Weltuntergang naht. Zumindest kabarettistisch. Im neuen Programm von Lars Johansen. Der Versuch einer Information.
Eine Vorschau aufs neue Programm soll es werden. Wir treffen uns in einem Café, um darüber zu reden. Der Titel ist bereits bekannt: „LARS WARS – Schluss jetzt!“ Ein kabarettistischer Weltuntergang. Steht es so schlimm um uns? „Es gibt ja verschiedene Modelle“, antwortet Lars Johansen und lächelt. „Wir leben in einer Endzeit. Aber niemand ist richtig drauf vorbereitet.“ Es gebe ja verschiedene Alternativen. Apokalypse, Zombies, Kriege. Was kommt? Im Hinduismus wird das ganz anders gesehen als im Christentum. Mit viel Lärm und Trompeten. Himmel oder Fegefeuer? Gibt es die Wiedergeburt? Wenn ja, als was? Und sind wir dann zeitlos?
Die Unterteilung in gut und böse gibt es längst nicht mehr. Zombies sind groß im Trend, die Fernsehzuschauer leiden mit ihnen. Fragwürdig. Wobei es Zombie-Filme gibt, die sind sensationell gut gemacht, erklärt Johansen. Aha. Es hat keine zehn Minuten gedauert, da sind wir beim Thema Film. Eines der Lieblingsthemen des diplomierten Theaterwissenschaftlers. Nicht von ungefähr schreibt er die Kolumne „Film verrückt“, informiert er über Neuerscheinungen und  „Glanzstückchen“ jenseits des Mainstream in jeder Ausgabe von Magdeburg Kompakt. Darunter immer wieder Horrorfilme. Hat er einen Hang zum Grauen? „Ich mag Filme, die Spannung haben. Mit überraschenden Wendungen. Die fachlich gut gemacht sind.“ Ein Horrorfilm muss nicht blutig sein. Die spannendsten Szenen sind jene, die am wenigsten zeigen aber jeder weiß, was passiert. Weil die Fantasie im Kopfkino weiterspielt.  

Andererseits umgibt uns das Grauen täglich. Schauen wir in die Nachrichten. Das macht der Kabarettist natürlich täglich. Wertet aus, was er erfährt, und gibt einen „Magdebürger Nachschlag“. An jedem letzten Montag im Monat im Moritzhof. Nicht nur deshalb ist der Moritzhof sein zweites Zuhause geworden. Der gebürtige Niedersachse und Wahlmagdeburger engagiert sich für vielseitige Kunst. Unter anderem im Vorstand des  Vereins ARTist e.V. und bei LASSA, der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren in Sachsen-Anhalt e. V., zu dem 21 Zentren gehören.
Kommen wir zurück zum Programm. Sind bekannte Figuren wieder vertreten? Skywalker. Ich bin dein Vater. Der Programmtitel allein bringt schon die Verbindung zu „Star Wars“. Krieg der Sterne. Und plötzlich .... geht es um Henny Porten. Ein Stern der Schauspielkunst. Sammelbilder mit ihrem Porträt waren früher der Renner, erzählt Lars Johansen. Sie war eine wunderschöne Frau mit großem Talent. 1890 in Magdeburg geboren. Heute fast vergessen. Dabei trug das Restaurant am Schauspielhaus bis vor zwei Jahren ihren Namen. Porten. Lars Johansen ist fasziniert. Er hat recherchiert und schreibt über sie für ein Filmmagazin. Henny Porten gründete 1919 ihre eigene Filmproduktionsgesellschaft. Eine beeindruckende Frau. Untergegangen im Nationalsozialismus. Dabei entsprach sie Hitlers Frauenbild. Doch sie war mit einem jüdischen Arzt verheiratet und hielt zu ihm. Das Ende ihrer Karriere. Nach dem Krieg galt sie als zu alt, hatte jedoch noch einen letzten Auftritt in einem DEFA-Film. Sie starb 1960. Im selben Jahr erhielt sie die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz. Sie hat ein Ehrengrab in Berlin. In Magdeburg wurde eine Straße nach ihr benannt.

Ja, die Magdeburger. Plötzlich sind wir bei Hans Grade. Es gibt eine Verfilmung seiner Flugversuche. (Natürlich! Film!) Da spielte er selbst mit. Doch in ganz Deutschland gibt es keine Kopie davon. Der Umgang mit dem Kulturgut Film ärgert den Filmfan. Andere Länder wie Frankreich wissen um die Kostbarkeit und investieren in deren Erhalt. Zeitzeugen, die für immer verschwunden sein werden. „Tausende jedes Jahr!“ Tragik. Endlichkeit. Endzeit.
Ach ja, das Programm ... Worum geht es da genau? Um das Ende der Demokratie zum Beispiel. Schauen wir zu Trump. Oder Erdogan. Oder auf die
nächste Bundestagswahl. „Das Ergebnis steht doch schon fest“, meint Lars Johansen. Was sind die Alternativen? Was ist mit Martin Schulz? Zuerst hochgejubelt, dann runtergemacht. Wie es gerade beliebt. Ist das typisch deutsch?

Während in anderen Ländern Menschen bewundert werden, die sich aus der Masse hervortun, werden sie hierzulande gern „zurechtgestutzt“. Auch von den Medien. Wir reden über Journalismus, social media, die Kraft der Anonymität, die Kraft des Jubels und der Missgunst. Aufstieg und Abstieg liegen nah beieinander. Wir kommen von Til Schweiger zu Helene Fischer, von Fußball zum Superbowl, von Kohl zu Dieckmann, von Harald Schmidt zu Jan Böhmernann, von Actionfilmen zur gleichberechtigten Ehe für jede/n, zum Engagement fürs Leben... Wir sprechen über Theater in Magdeburg, Theater in Deutschland. Kommunale Theater, freie Künstler.

Lars Johansen ist in vielen Themen bewandert und kennt sich aus. Er mischt mit und sich ein. Wie bei der Ideenfindung zur Kulturhauptstadt, nimmt an der Kulturkonferenz teil, bringt sich ein ins kulturelle wie politische Leben. Nicht nur in Magdeburg. Der einstige „Kugelblitz“ (1994-2015) ist nicht nur Kabarettist, auch Autor für andere Ensembles wie   die Leipziger Pfeffermühle, für Radio, Fernsehen und verschiedene Zeitungen. Er ist „Der Magdebürger“ bei mdf1-Fernsehen, hat regelmäßig seine Talkshow  im Offenen Kanal Magdeburg und eine „Bastelbude“ beim MDR.

Und immer wieder geht’s um Filme. Da kann er auch mal richtig wütend werden. Wenn Streifen gelobt werden, die schlecht gemacht sind beispielsweise. Oder wenn bei einem „Netzwerk Lichtspieltheater“ ausgerechnet ein Vertreter der Geschäftsführung des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater bei der Zukunft des Kinos über Mädelsabende mit romantischen Komödien fabuliert. „Dann weißte Bescheid“, wird er satirisch-bissig. Das trifft den Filmliebhaber im innersten Herzen. Da müsse man sich nicht wundern, dass es immer noch so wenig Regisseurinnen gibt. Und so viele dumme männliche Funktionäre.
Vielseitig interessiert. Vielseitig unterwegs. Bis zum Finale. Ganz nebenbei schreibt er fürs neue Programm. Wie schafft er das? Lars Johansen lächelt. Passt schon. „Ich brauche eine  Deadline“, sagt er. „Dann bin ich auch fertig.“ Zumindest relativ. „Den Weg“ habe er bis zur Premiere notiert. Bis zum letzten Wort soll es nicht sein. Es bleibt Platz für Improvisation. „Es wäre schön, wenn es lustig wäre“, meint er dann und muss selbst lachen. Lassen wir uns überraschen ...  

Vier Tage vor der Premiere gibt es sogar noch einen neuen Monatsrückblick im Moritzhof (31. Juli, 19.30 Uhr). „Der fällt nicht aus“. Johansen setzt Prioritäten. Wie die „Film verrückt“-Tipps in dieser Zeitungsausgabe. Dafür muss Zeit sein, sagt er. Er liebt die Abwechslung. Und die Herausforderung. Manchmal sendet er Texte nach Mitternacht. Am nächsten Morgen ist Termin im Landtag. Schlaf wird überbewertet. Wahrscheinlich hat er zwischendurch noch ein paar Videos geschaut, ganz privat ...

Zurück zum Programm. Lars Frohmüller hat die Fotos für die Bewerbung gemacht. „Ein tolles Shooting“, schwärmt Kabarettist Johansen. Er fühlte sich im Anliegen verstanden. Alles, was mit Weltuntergang zu tun hat, in ein Bild packen. Geht das? Skywalker-Maske und Lichtschwert, der Dom als Magdeburger Symbol. Apokalypsen-Atmosphäre. Dazu ein Hund. Ein Hund? Lars Johansen lächelt. „Der passte einfach.“ Es muss nicht alles gleich zu verstehen sein. Nachdenken. Eigene Gedanken machen. Schlüsse ziehen. Auch das ist Kabarett.

Lars Johansen scheint überzusprudeln vor Ideen. Woher nimmt er die? Sie kommen ihm unterwegs, sagt er. Beim Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Straßenbahn. Zug. Er liebt das. „Da begegnet man den interessantesten Menschen.“ Figuren entwickeln sich dabei, finden irgendwann auf irgendeine Weise in eines seiner Programme. So erzählt er von einem Zugschaffner, dem er immer wieder begegnet. Sächsisch. Laut. Mit Mutterwitz. „Ein Unikat!“ Inspiration. Darauf baut er auf. Irgendwann werden wir ihm satirisch begegnen.

Es sind Stunden vergangen, seit das Gespräch seinen Anfang nahm. Die Kellnerin im Café schleicht um uns herum. Ein Blick auf die Uhr zeigt: Sie hätte bereits seit längerem Feierabend. Wir zahlen und gehen. Bis zur nächsten Straßenecke. Bleiben stehen, reden weiter. Über Gott und die Welt. Es ist spannend. Auch mit Blick aufs Programm. Schluss jetzt! Das neue Programm: Ein satirischer Blick aufs Weltgeschehen. Birgit Ahlert

LARS WARS – Schluss jetzt!
Ein kabarettistischer Weltuntergang
von und mit Lars Johansen.
Premiere am 4. August, 19.30 Uhr,
im Kulturzentrum Moritzhof.
Karten unter Tel.  0391 / 2578932 oder www.moritzhof-magdeburg.de

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