Vergangene Utopie im Heute

Meret Kinderlen (2.v.l.) und Kim Willems (3.v.r.) mit Mitwirkenden der über Kopfhörer hörbaren Stadtinstallation „Utop 89“: Sarah Werner, Jaqueline Brösicke, Thomas Koch, Onno Tunsch.

Utop 89 ist der ungewöhnliche Titel einer ungewöhnlichen Theateraktion: eine Stadtinszenierung, kreiert und umgesetzt vom Regieduo Willems& Kinderlen, das sich auf Theaterperformances spezialisiert hat. Sie nehmen das historische Ereignis des „Mauerfalls“ vor 30 Jahren zum Anlass, zurückzugehen in diese Zeit – sowohl gedanklich als auch örtlich. Wie war das damals? Welche Wege wurden gegangen, was ist passiert?  Wie war Magdeburg damals? Zeitzeugen kommen zu Wort, die während eines Spaziergangs zu hören sind. Zu hören über Kopfhörer, die jeder Teilnehmer bekommt. Dazu haben die Regisseure zahlreiche Interviews geführt mit bekannten wie unbekannten Magdeburgern – von Domprediger Giselher Quast über Punks und Künstler bis zu einem damals Wehrpflichtigen, der zum einen auf den Domplatz aufmarschieren musste, zum anderen später Mitarbeiter der Staatssicherheit kontrollierte, sogar in ihre Aktentaschen schaute, damit diese keine Unterlagen entsorgten. Die Texte wurden collagiert und im Sound eingebettet, so dass jetzt das Gefühl entsteht, dabei zu sein. Es wird aber ebenso szenische Aktionen auf dem Weg durch die Stadt gehen. Das ist das Besondere an der Stadtinstallation: Die Stadt wird zur Bühne und jeder Teilnehmer wird ins Geschehen einbezogen. Es geht zu markanten Orten, die auch im Herbst 1989 eine wichtige Rolle gespielt haben. Zum Dom natürlich, wohin der friedliche Marsch führte. Oder zur ehemaligen Stasi-Zentrale. Die Regisseure wollen nicht zu viel verraten. Das ist Teil des Erlebens: Einen Weg zu gehen, den man nicht kennt – wie damals, 1989, als die Menschen los gingen ohne zu wissen, wo es enden wird. Daraus entwickelt sich ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn ... wir heute diese Situation hätten? Wenn es heute ein neues ‘89 geben würde? Welche Wege würden wir gehen, welche Plätze erschließen? „Damals entstand ein völlig freier Raum, mit völlig neuen Möglichkeiten, aber auch rechtsfrei. Wie wäre das heute? Wäre es denkbar, dem Verfassungsschutz in die Aktenkoffer zu schauen?“, fragt Kim Willems. Für ihn und Kollegin Meret Kinderlen war es eine doppelte Zeitreise: beide sind noch zu jung (Jahrgang 85 und 83), um sich bewusst an die damaligen Ereignisse zu erinnern. Ausführlich haben sie recherchiert darüber, was passiert ist, haben sich mit zahlreichen Zeitzeugen unterhalten. Erstaunliches erfahren, das sie nun an das Publikum weitergeben. Los geht es erstmals am 5. Oktober um 14 Uhr, weitere Stadtgänge folgen um 15 und 16 Uhr. Der Rundkurs beginnt am Schauspielhaus und dauert rund zwei Stunden. Tickets sind an der Theaterkasse zu haben und unter www.theater-magdeburg.de (ab)

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