„In Bananenkisten des Westens schlummert das Wissen des Ostens“

Peter Sodanns Büchersammlung wird jetzt in einer Buckauer Lagerhalle aufbewahrt

Peter Sodann auf einer Bücherkiste. Foto: Gercke

Wer seinen Blick auf die Gegenwart fixiert, wer die Gewordenheit der Gegenwart nicht sehen will, wird glauben, dass alles notgedrungen so ist, wie es ist. Es ist aber nicht selbstverständlich alles so, wie es ist: Alles könnte auch anders sein“, schreibt Prof. Dr. Thomas Bauer von der Universität Münster. Er konstatiert ein Gefangensein im Gegenwartsstau. Dem Schauspieler Peter Sodann begegnete dieses Phänomen bereits im Frühjahr 1989. Im Gewerkschaftshaus in Halle wurden massenweise Bücher entsorgt. Auf seine Frage, was mit den Schriften werden solle, antwortete ein Arbeiter: „Wir schmeißen die DDR-Scheiße weg.“ Seitdem ist ihm bewusst, dass es wichtig ist, das Aufgeschriebene und Dokumentierte für die Zukunft zu bewahren.

Seit 30 Jahren sammelt er alles, was seit dem 8. Mai 1945 auf dem ehemaligen Gebiet der DDR gedruckt wurde in Bananenkisten. Wie viele Bücher mittlerweile zusammen gekommen sind, weiß er nicht. Auf rund 300.000 schätzt er den Bücherberg. Das Lager in Oschatz, in dem die Schriften bisher gelagert waren, wurde ihm vom Eigentümer gekündigt. Also begab er sich für seine Mission auf die Suche nach einer neuen Unterkunft. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt wusste zunächst keinen Rat. Aber Kulturstaatsminister Rainer Robra vermittelte ein Treffen mit dem GETEC-Gründer und Grundtec-Chef Karl Gerhold.

Der Unternehmer und der heute 83-jährige Sodann trafen sich. Das Bewahrungs-Anliegen stieß bei Karl Gerhold auf offene Ohren. „Wir haben uns gleich verstanden“, sagt Sodann. In Buckau stellt Gerhold, der mit seiner Firma gerade das Altstadt-Quartier errichtet und den Speicher A im Wissenschaftshafen baut, eine Lagerhalle zur Verfügung. Am 7. Juni kam die erste Lieferung zur Einlagerung an. „In Bananenkisten des Westens lagert das Wissen des Ostens“, sagt Sodann über seine Lagerweise. Mit seiner Sammlung verbindet sich ein anderes Anliegen: Das gedruckte Wort aus DDR-Zeiten verschwindet. „Das ist wie eine zweite Bücherverbrennung“, meint der Schauspieler. Es ist wichtig, die Zeitzeugen zu bewahren. Denn die deutsche Geschichte müsse einst neu und von Historikern geschrieben werden, die keine Wurzeln in dem einen oder dem anderen Deutschland hatten. Das aktuelle Geschichtsbild sei einseitig von westdeutscher Bewertung geprägt. Würden die Bücher verloren gehen, bliebe der Blick in einer verzerrten Gegenwart hängen. In Magdeburg schlummert nun ein Schatz für eine neue Aufarbeitungsphase. (tw)

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