Herr Winter hockt im Eisfach

Großes Vergnügen für kleine Leute: Kinderoper „Ritter Odilo“

Mit Spaß und Stimme zu erleben: Roland Fenes (l.) und Manfred Wulfert. Foto: Andreas Lander

Ein Orchester nebst Dirigenten hätte beim besten Willen keinen Platz auf der Podiumbühne im Opernhaus. Das aber ist noch lange kein Hindernis, um auf der kleinsten Bühne des Hauses große Oper zu machen. Und zwar zum Vergnügen von ganz kleinen, aber auch großen Zuschauern.

Kennen Sie eine Oper, in der ein Kühlschrank vorkommt? In „Ritter Odilo“ wird ein solches Mons-trum von zwei Packern in die an eine Abstellkammer erinnernde Podiumbühne gewuchtet, in dem Glauben, es handele sich um die „Konditorei Algida“. Als die Zuschauerkinder den Irrtum aufklären, gönnen sich die beiden gestressten Lieferanten erst einmal eine Pause. Und Pausen geben Gelegenheiten zum Geschichtenerzählen. Schnell werden aus herumliegendem Plastikmüll Requisiten gebaut, Putzutensilien nebst Karton verwandeln sich in einen Drachenkopf, die mitgebrachte Sackkarre bekommt Plastikohren und wird im Handumdrehen zum Pferd – einer spannenden Rittergeschichte steht nichts mehr im Weg. Ritter Odilo heißt der Held, der sich im Winter langweilt. Der Drache hält Winterschlaf und hat die Mailbox geschaltet, das Pferd hat Schnupfen, und die Prinzessin kann auch nicht gerettet werden, weil sie bei dem Schmuddelwetter gar nicht erst vor die Tür geht. Odilo ist frustriert und jammert Küchenfee Algida die Ohren voll, bis diese die zündende Idee hat: Wie wäre es, wenn Odilo gegen den „strengen Herrn Winter“ in den Kampf zöge?

Regisseurin Sabine Sterken, die die ohnehin kleine Podiumbühne noch einmal verkleinert und damit die Aufmerksamkeit punktgenau konzentriert, hat mit Roland Fenes und Manfred Wulfert zwei spielfreudige Opernsänger gewonnen, die der Geschichte ordentlich Fahrt geben. Roland Fenes als fantasiesprühender Daniel schlüpft in die Rolle des gelangweilten, Kuchen liebenden Ritters, während Manfred Wulfert seinem Kollegen zunächst genervt folgt, sich dann aber immer tiefer in die Geschichte hineinziehen lässt und sämtliche (!) Nebenrollen übernimmt.

Für den fliegenden, minutiös getimten Rollenwechsel nebst Kampf gegen die Tücken der Objekte bedient sich das Ensemble kräftig beim Figurentheater und schöpft aus den fantasievollen Ideen des Ausstatters Claudio Aguirre. Aus wallender Verpackungsfolie wird flugs der eisige Herr Winter gebaut, Reifrock und Kopfputz der Prinzessin werden aus den Plastikriemen der Kühlschrankverpackung angedeutet, die Küchenfee ist eine Art Klappmaulpuppe, eine singende Brotbüchse! Der multifunktionale Kühlschrank verwandelt sich auch schnell mal zum Backofen, aus dem Eisfach feuert, zur Freude der Kinder, eine mit Styropor-Füllmaterial bestückte Schneekanone. Das Gitter der Kühlschrankrückseite, das gleich beim Transport abgefallen war, nutzen die Helden wahlweise als Ritterschild oder Harfe. Einfachste Mittel entfalten hier größtmögliche Effekte, die die Kinder zum Staunen bringen. Die Musik zu der vergnüglichen Geschichte stammt, mit neuen Texten versehen, aus der Semi-Oper „King Arthur“ des Barockkomponis-ten Henry Purcell. Höhepunkte der von Tamás Molnár am Klavier souverän begleiteten Nummern sind hier zweifellos die berühmte Arie des Cold Genius, mit der Roland Fenes schlotternd in den Kampf gegen den Winter zieht, aber auch das – großartig! – von Manfred Wulfert allein (!) gesungene zarte Liebesduett zwischen Herrn Winter und der Küchenfee.

Die Erstklässler im Publikum der Premierenaufführung sangen zudem kräftig mit beim Mut-Lied für den Ritter, ließen sich von der Geschichte von der ersten Minute lang in den Bann ziehen und würden die große Oper auf der kleinen Bühne auf jeden Fall weiterempfehlen! Kathrin Singer

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