Festung – Volksgarten – Kulturhauptstadt

Magdeburg gehört zu den Städten in Europa, die sich rühmen können, zu den ersten Kommunen zu zählen, in denen im Auftrage des Bürgertums ein Volksgarten entstand. Vor Magdeburg war im ungarischen Pest in Varosliget 1816/17 im heutigen Budapest solch eine Anlage geschaffen worden. Der bedeutendste Gartentheoretiker im deutschsprachigen Raum, der Kieler Professor Christian Cajus Laurenz Hirschfeld (1742 - 1792), äußerte sich bereits in seiner Schrift „Theorie der Gartenkunst“ von 1780 zur allgemeinen Bestimmung der Gärten: „Sie seien dazu angelegt, Aufenthalt des Vergnügens zu sein“, „süßen Genuß der Freyheit, der Aussichten, der Spaziergänge, der Luft, der Kühlung, des Wohlgeruchs mit ihren Vortheilen für den Geist und für die Gesundheit“ zu bieten, und sollten „Lieblingsszene der Betrachtung der Natur seyn, der Zufluchtsort der Philosophie“ und „der Tempel der Anbetung der höchsten Weisheit.“

Der erste deutsche Volksgarten entstand in München mit dem Englischen Garten als Landschaftspark. Auftraggeber war der bayrische Kurfürst Karl Theodor, der bereits 1789 den Gartenkünstler Friedrich Ludwig Sckell (1750 - 1823) zur Beratung über einen Volkspark im englischen Stil nach München beordert hatte. Nach Adrian von Butlar war es das erste „demokratische Grün“ auf dem Kontinent als zugleich stadtplanerische Großtat als bewusste Verbindung mit dem Stadtkern von München.

In Magdeburg griff Peter Joseph Lenné die Idee des Volksgartens auf und schuf im Rahmen seiner städteplanerischen Überlegungen ab 1824 mit dem Kloster-Berge-Garten den zweiten Volksgarten Deutschlands. Die Stadt war seit ihrer völligen Zerstörung 1631 ihrer wirtschaftlich geprägten Eigenständigkeit noch weitgehend beraubt und stets Objekt äußerer machtpolitischer Interessen geblieben. Dies gipfelte 1666 im Klosterbergischen Vertrag mit der Angliederung an Kurbrandenburg, der die wirtschaftliche und kommunale Selbständigkeit auf ein Minimum reduzierte. Dies spiegelte sich in der Schaffung als regionales Verwaltungszentrum ab 1714 und im Ausbau zur stärksten preußischen Festung bis 1740 wider. Unter der militärisch-feudalistischen Dominanz des preußischen Staates konnten weder die formalen Rechte relativer kommunaler Selbstständigkeit wahrgenommen werden noch die Wirtschaft ihren Kräften gemäß expandieren, woraus insgesamt ein provinzielles Mittelmaß des geistig-kulturellen Lebens resultierte.

Als im Jahre 1817 die Ämter des Oberbürgermeis-ters der Stadt, des Polizeidirektors und des Kreislandrates frei wurden, erfolgte eine Ämterzusammenlegung. Der Gemeinderat nutzte das Vorschlagsrecht für den Kandidaten des Oberbürgermeisters und benannte dem König dafür August Wilhelm Francke, dessen Fähigkeiten aus seiner Magdeburger Dienstzeit für die westfälische und die preußische Regierung bekannt waren und von dem man eine leichtere Überwindung der kommunalen Schwierigkeiten erwartete. In die Zeit seiner frühen landschaftlichen Planungen von 1815 bis 1829 fallen die Magdeburger Entwürfe vom europäischen Gartenkünstler und Städteplaner Peter Joseph Lenné.

Nach Günther und Harksen waren Gärten für die durch Festungsanlagen eingeengte Stadt Magdeburg außerhalb der Stadt ein besonders dringendes Bedürfnis. 1824 war das südlich an der Elbe gelegene Gelände des 1813 zerstörten Klosters Berge erworben worden. Zum ersten Mal hatte Lenné in Magdeburg die Gelegenheit, die Gärten einer Stadt entsprechend den Bedürfnissen der Bevölkerung zu planen.

Seine Überlegungen waren, mit dem Kloster-Berge-Garten im Süden und dem im Norden der Stadt neu zu schaffenden Friedhof zwei Endpunke einer im weiten Bogen um die Stadt führenden Grünanlagen des zu den Festungswerken gehörenden Glacis zu schaffen. Angeregt von dem Werk seiner Vorgänger, welche 1816 mit der Bepflanzung der Glacis bei der Anlage an der hinauslaufenden Chaussee zwischen dem Kröken- und Sudenburger Tor, welche die beiden nach Barleben und Ottersleben führenden Kunststraßen miteinander verbindet, begonnen hatten, war ihm die Gestaltung besonders wichtig.

Am 29.07.1824 hatte Regierungsdirektor Sack Lenné brieflich gebeten, bei der Friedhofs-Anlage mitzuarbeiten, eine Bitte, der Lenné gern nachkam. Schließlich legte Lenné 1829 seinen Plan für den Herrenkrug vor, der bereits 1824 in einem mit Anregungen Lennés versehenen Schriftstück aufgeführt wird (Lenné-Nachlass. Nr. 30. Fol. 11-14). Hier wurde genau festgelegt, um welche Projekte es in Magdeburg ging: „Kloster Berge“, „die Landesbaumschule“, „die Einrichtung des Festungs-Glacis“, „die Einrichtung des neuen Friedhofes“, „die Einrichtung der Kirchhöfe der Stadt zu freien Plätzen“, „die neuen Anlagen im Herren Kruge“. Damit ist die gesamte Tätigkeit Lennés für Magdeburg umrissen.

Doch warum ließ er zu, dass in Magdeburg bereits 1838 dieser mit soviel Hingabe und Überlegung von ihm geplante Volksgarten auch durch diese Eisenbahnstrecke durchschnitten und von der Elbe abgeschnitten wurde? War die Industrialisierung mit dem Bahnanschluss nach Leipzig für OB Francke kein Grund mehr, sich mit dem so von ihm geschätzten Lenné dazu zu verständigen?

Es liegt auf der Hand, sich bei der Kulturhauptstadtbewerbung der stadtplanerischen Verdienste von Peter Joseph Lenné zu erinnern, denn keine andere Stadt außerhalb seiner Hauptwirkungsstätten Berlin und Potsdam kann sich dieser Vielzahl von Gartenschöpfungen mit überregionaler Bedeutung rühmen. Ohne angemessene Pflege würden sie ihren Wert für die Stadt Magdeburg und die Nachwelt verlieren. Diese Würdigung sind wir einfach dem genialen Gartenkünstler und Städteplaner schuldig und so kann am Ende eine Bewerbung eher von Erfolg gekrönt sein. An der würdigen Präsentation des Magdeburger Erbes des europäischen Gartenkünstlers und Städteplaners Lenné mit seinen für die damalige Zeit ungewöhnlichen sozialen und zukunftsweisenden Gedanken für die Domstadt führt kein Weg vorbei. Dazu sollte ebenfalls der Wiederaufbau des Gesellschaftshauses im Herrenkrug als Bezugsobjekt des von Lenné gewünschten Sichtachsenfächers zur anderen Elbseite zu den Sehenswürdigkeiten der Domstadt angestrebt werden. Als künftige Nutzer in den Kavalierhäusern sind der Galopprennsportverein und ein Tangoverein denkbar. Ein Ballhaus im Herrenkrug könnte ebenso entstehen, überregional von sich Reden machen. Volker A. W. Wittich

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