Drei Musketiere mit einem Feuerwerk

Szene mit „Rochefort“ Johannes Wollrab (l.) und „d’Artagnan“ Florian Peters. Foto: Nilz Böhme

Über gut drei Stunden brennen die Darsteller auf, das Orchester mit Damian Omansen als musikalischer Leiter unter und das Team aus Technikern von Bühne, Ton und Licht, Ankleiderinnen, Maskenbildnern und anderen guten Geistern hinter der Bühne ein atemberaubendes optisches und akustisches Feuerwerk ab, das dem Zuschauer kaum Zeit zum Luftholen lässt. Mit Musicalgästen, hauseigenen Akteuren aus Musiktheater, Schauspiel und Ballett, Statisterie und großem Chor ist die Bühne immer gut gefüllt, 270 verschiedene Kos-tüme werden von ihnen während des Stücks getragen und sie bewegen sich während der Spieldauer in 26 verschiedenen Bühnenbildern. Das alles zusammenspielen zu lassen, ist eine Meisterleistung, wie sie nur in einem Mehrspartenhaus mit seinen personellen, technischen und handwerklichen Möglichkeiten machbar ist. Belohnt für diese Leistung werden alle Beteiligten, als der Vorhang an diesem Premierenabend fällt: Das Publikum hält nichts mehr auf den Sitzen, viele Minuten lang gibt es Standing Ovations, tosenden Applaus und Bravorufe. Schon während des Stückes wurden die Auftritte – ob nun die Lieder oder die von Klaus Figge choreografierten Fechtszenen – frenetisch bejubelt. Und das vollkommen zu Recht. Was auf der Bühne geboten wird ist Musicaltheater vom Allerfeinsten. Der gesamte Cast weiß stimmlich und schauspielerisch zu überzeugen, egal, ob es die hochkarätigen Gäste oder die Schauspieler aus dem Hausensemble sind. Letztere übernehmen gleich mehrere Rollen. Andreas C. Meyer überzeugt als König Ludwig und Herzog von Buckingham und Christoph Bangerter ist als Gardist, Conferéncier und als Buckinghams Diener James zu erleben. Vor allem in dieser Rolle beweist er großes komödiantisches Talent und erntet dafür völlig zu Recht viel Applaus.

Die (Neu)Entdeckungen des Abends sind Jeanett Neumeister in der Rolle der Königin Anna und Katia Bischoff als Constance. Jeanett Neumeister ist Sängerin im Magdeburger Opernchor, hat aber in dieser Spielzeit bereits die zweite große Musicalrolle nach der Hoddel in „Anatevka“. Für Katia Bischoff ist die Constance die erste große Rolle nach ihrem diesjährigen Studienabschluss an der Universität der Künste Berlin. Von ihr dürfte in Zukunft noch viel zu erwarten sein, sie überzeugte mit einer reifen Bühnenpräsenz in Gesang und Spiel. Den beiden Damen zur Seite stehen Darsteller/-innen, die sich bereits ihren Namen in der Musicalwelt gemacht haben. Dritte Frau „im Bunde“ ist Katja Berg als Milady de Winter. Ein stimmlicher Orkan, der schon mit ihrem ersten Song „Milady ist zurück“ durch die Zuschauer hindurch fegt und diese die Luft anhalten lässt. Dank dieser drei starken Frauen wird auch das Terzett „Wer kann schon ohne Liebe sein“, das drei grundverschiedene Frauen in ihrem Wunsch nach Liebe vereint, zu einem emotionalen Glanzpunkt. Die drei titelgebenden Rollen, die Musketiere Athos, Porthos und Aramis, wurden von Regisseur Ulrich Wiggers passgenau besetzt. Wolter ist überzeugend als der grüblerische, vom Leben enttäuschte, einzelgängerische Athos. Benjamin Eberling spielt den kulinarischen Vergnügungen zugetanen Porthos mit wunderbarer komödiantischer Tollpatschigkeit und erntet damit auch die Lacher des Abends. Dániel Rákász, der im Sommer bereits in Magdeburg als Billy Flinn in „Chicago“ zu sehen war, ist auch hier in seiner Rolle als Aramis der „Charming Boy“ des Trios. Gemeinsam nehmen sie den jungen Heißsporn d’Artagnan unter ihre manchmal schon fast väterlich anmutenden Fittiche und machen ihn am Ende zu dem, was er von Beginn an sein wollte, zu einem Musketier und damit zu einem der ihren. Gespielt wird d’Artagnan von Florian Peters, der schon in großen Produktionen wie bei der Uraufführung von „Schikaneder“ in Wien oder bei „Les Miserábles“ in Tecklenburg sein Können unter Beweis stellen konnte. Das gemeinsam gesungene „Einer für alle und alle für einen“ zieht sich als Titelmotiv durch das Stück und bleibt lange im Ohr. Beeindrucken können sie jedoch nicht nur mit ihrem Gesang, sondern auch mit ihrem Spiel und vor allem mit den furiosen Fechtszenen, die sie sich mit den Gefolgsleuten des Kardinals Richelieu liefern. Diese werden gespielt von der Statisterie des Theaters, Rochefort, die rechte Hand des Kardinals, von Johannes Wollrab. Dieser ist ebenfalls Solist im Musiktheater des Hauses, aber auch Fechtmeister und außerdem durch seine Rollen als Lazar Wolf in „Anatevka“ und Pontius Pilatus in „Jesus Christ Superstar“ bereits musicalerfahren und zeigt auch dieses Mal wieder eine überzeugende Leistung. Die bereits erwähnten Fechtszenen wurden von Klaus Figge choreografiert und einstudiert und sie gehören zu den definitiven Highlights des Abends.

Von den Musicalfans mit besonderer Spannung erwartet wurde die Interpretation des Kardinals Richelieu von Patrick Stanke. Schließlich war er derjenige, der als erster in Deutschland dem d’Artagnan ein Gesicht verlieh, als das Stück 2005 seine Deutschland-Premiere feierte. Jetzt, 14 Jahre später, hat Stanke die Seiten gewechselt – und ist in der Rolle des Kardinals der Bösewicht in der Geschichte. Verschlagen, kalt, skrupellos berechnend, aber auch zweifelnd und verzweifelnd bis an den Rand des Wahnsinns – Stanke reizt die emotionale Bandbreite aus und liefert mit „Oh Herr“ und vor allem mit „Nicht aus Stein“ weitere Höhepunkte des Abends. Vor allem letzteres ist mit der Einbindung des Balletts und der blutroten Hintergrundkulisse ein theatralischer Moment, der haften bleibt.

Apropos Ballett. Wie schon in früheren Musical-inzenierungen ist es dem Regieteam bei den „3 Musketieren“ wieder gelungen, die verschiedenen Genres zu einem harmonischen Ganzen zu verflechten. Neben dem Ballett (Choreografie: Kati Heidebrecht) gilt das für den Chor unter der Leitung von Martin Wagner, der das Bühnengeschehen stimmgewaltig, aber auch optisch ergänzt und vervollkommnet, sowohl in Soli als vor allem auch in den chorischen Szenen.

Eine historisch konkrete Abenteuergeschichte auf die Bühne zu bringen, das war der Anspruch, den Regisseur Ulrich Wiggers an seine Inszenierung stellte. Und er machte die Produktion damit zu einem wahren Augenschmaus (Ausstattung Leif-Erik Heine). Die Szenerien wechseln ständig, die engen Gassen von Paris entstehen ebenso wie der Louvre, die dunkle Spelunke, das Hugenottengefängnis, die prachtvolle Kathedrale und sogar der stürmische Ärmelkanal samt vom Sturm gebeutelten Schiff. Und dabei geschieht der Umbau während der Handlung, ist Teil der Gesamtchoreografie; störende und die Stimmung unterbrechende Umbaupausen gibt es keine. Ebenso beeindruckend sind die Kostüme, von denen – vor allem bei den Damen von Stand – eines prunkvoller ist als das andere.

Man kann die „3 Musketiere“ in Magdeburg nur als ganz großen Wurf bezeichnen. Insgesamt zehn Mal steht es in dieser Spielzeit noch auf dem Plan. Karina Kunze

„3 Musketiere“ am Opernhaus:

So. 1.12.2019; Mo. 23.12.2019; Sa. 4.1.2020; So. 12.1.2020; So. 9.2.2020; Sa. 22.2.2020; Sa. 7.3.2020; Sa. 28.3.2020; Mo. 13.4.2020; So. 31.5.2020 (*Weitere Musicalberichte im Internet auf www.amonea-musicalworld.de)

 

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