Zukunft TV: zeitlich und örtlich unabhängig

Elke Lüdecke, Direktorin des MDR Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt. Foto: Peter Gercke

Frau Lüdecke, vom MDR wird Sparen verlangt und gleichzeitig steht heute mehr denn je die Höhe des Rundfunkbeitrags in der Kritik. Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk überfinanziert?
Elke Lüdecke: Die Ministerpräsidenten fordern seit einiger Zeit dringend eine Reform ein. Sie wollen möglichst keine weitere Beitragserhöhung nach 2020. Das ist für uns Richtschnur. Anders: Wir müssen für unsere Existenzberechtigung eine breite Nutzung unter Beweis stellen. Die mediale Welt bewegt sich sehr dynamisch. Um überall mitzuhalten, wird es nicht ohne Investitionen gehen. Schauen wir in den letzten 20 Jahren auf die personelle Entwicklung, sind wir hier nicht mehr geworden. Um das im Laufe der Jahre ausgebaute Programmangebot zu realisieren, sind wir beim Personaleinsatz immer effizienter geworden. Beispiel Radio: Heute fährt ein Moderator seine Sendung selbst. Früher gab es zusätzlich noch Sendetechniker. Das ist durch die technische Entwicklung möglich. Aber Investitionen in neue Technik hören nicht auf.  

Trotzdem gibt es Kritik, z. B. dass mehrere Teams aus demselben Senderverbund über ein Ereignis berichten? Reicht da nicht ein Berichterstatter für die ARD?
Dieses optische Bild produziert natürlich oft die Frage, ob wir zu viel Geld hätten. Wir haben als ARD dazugelernt. Dass der Rundfunkbeitrag aktuell derart infrage gestellt wird, gab es in der Vergangenheit nicht. Wir haben die Signale erkannt. Seit einiger Zeit sind wir dabei, innerhalb des MDR immer genauer abzustimmen, wer im Land unterwegs ist. Auch hier ein Beispiel: Der MDR SACHSEN-ANHALT-Radioreporter muss nicht mehr raus, wenn das Fernsehteam schon den O-Ton mitbringt. Oder er beliefert das Fernsehen als Videoreporter mit Bildern.

Hat sich mit der technischen Entwicklung auch die journalistische Arbeit verändert?
Sein Handwerk muss man beherrschen. Da hat sich wenig verändert. Es geht heute um etwas anderes. Die Informationsvielfalt kann von den einzelnen Nutzern nicht überblickt und angemessen eingeordnet werden. Deshalb bleibt es Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Informationen zu vermitteln, zu recherchieren, einzuordnen und zu kommentieren – mehr denn je. Ich glaube, die Gesellschaft ist insgesamt politischer geworden.

Wie viel Arbeitszeit muss ein Mitarbeiter heute für die technische Realisation aufwenden und wie viel bleibt für inhaltliche Aspekte übrig?
Das ist eine schwierige Frage. Das hat viel mit dem Stichwort Digitalisierung zu tun. Wenn man sich vor Jahren auf einen Beitrag vorbereitet hat, musste man ins Pressearchiv oder in die Bibliothek. Heute haben wir Archiv- und Recherchesysteme im Verbund der ARD, da ist man wesentlich schneller unterwegs.

Die Informationswelt ist heute überall. Inwieweit hat das den MDR bewegt?
Wir müssen auf den digitalen Plattformen vertreten sein, auffindbar bleiben und als Marke bestehen. Eine wesentliche Frage ist, wie wir mit unseren Angeboten möglichst alle Zielgruppen erreichen. Das gelingt der ARD beim KiKa gut, bei den Jugendlichen wird es schon schwieriger – da haben wir die Radio- und Onlineangebote. Fakt ist, dass unsere größte Klientel im Altersbereich Ü50 anzutreffen ist. Ein anderer Punkt: Die Kommunikation mit unseren Nutzern hat sich stark gewandelt. Früher bekamen wir Briefe mit Kritiken und Hinweisen zu unserem Programm. Später kam das Servicetelefon dazu. Wir sind sehr schnell in den Bereich der Social Media hineingegangen, um mit unseren Nutzern im Gespräch zu sein. Es gibt große Verlage, die ihre Kommentarfunktion in ihren Online-Angeboten abgestellt haben. Das hat der MDR nicht getan. Wenn wir die Zeit nicht aufbringen, zu interagieren, dann ziehen sich die Leute in ihre so genannte Filterblase zurück und wir verlieren sie.

Schnelligkeit und inhaltliche Qualität – ist das ein Widerspruch?
Der Wettbewerb zwingt uns oft in die schnelle Berichterstattung. Wie schnell ist das Fernsehen vor Ort? Wie schnell wird live berichtet? Das betrachten wir selbstkritisch. Die Qualität muss vorgehen! Es gab ja zuletzt einige aufregende Ereignisse mit vielen Kamerateams und Journalisten und alle hatten – übertrieben gesagt – lange Zeit nichts Konkretes zu berichten. So etwas wollen wir künftig ausschließen. Da bleibt der Maßstab über allem die fundierte Berichterstattung. Bei aller Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Unsere Inhaltsangebote wurden noch nie so intensiv genutzt, wie in den vergangenen zwei Jahren. In MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE haben wir mehr landestypische, aktuelle Themen aufgenommen und registrieren eine positive Nutzung.

Es existiert auch der Vorwurf, dass öffentlich-rechtliche Sendeanstalten nicht jede Unterhaltung mitmachen müssten.
Wir haben klar einen Auftrag, zu bilden, zu informieren und auch zu unterhalten. Unterhaltung ist ein so weites Thema und da gibt es längst eine Vermengung von Information und Unterhaltung. Quizshows sind Wissensvermittlung. Unser Format „Unterwegs in Sachsen-Anhalt“ ist auf unterhaltende Art und Weise ein ständiges Neuentdecken quer durchs Land. Die Sendung läuft übrigens seit 20 Jahren sehr gut. Ich behaupte, wir haben im MDR-Fernsehen eine gute Mischung. Dienstag und Mittwoch gibt es die Informations- und Reportage-Angebote wie „Umschau“, „exakt“ oder „Der Osten – Entdecke, wo du lebst“. In der Woche bieten wir mehr Dokumentationen, Informationen und zum Wochenende etwas mehr Unterhaltung.

Es heißt, das lineare Programmfernsehen hat irgendwann ausgedient. Wie sehen Sie das?
Wir sehen die zunehmende Nutzung unserer Mediathekangebote. Das ist die Zukunft – auch die der öffentlich-rechtlichen Sender. Menschen nutzen Inhalte zeitlich und örtlich unabhängig. Die ARD bewegt sich ganz in diesem Trend. Nehmen Sie die Tagesschau-App. Dort kann man bevorzugte Themen auswählen und erhält dann auch genau solche.

Kritische Stimmen behaupten, es gebe eine politische Einflussnahme an der inhaltlichen Ausrichtung.
Ich wüsste nicht, wer von der anderen Seite des Elbufers an unserer Programmgestaltung mitwirkt. Was die redaktionelle Arbeit betrifft, bewahren wir uns unsere redaktionelle Unabhängigkeit. Die Kontrolle obliegt den MDR-Rundfunkräten. Darin sind neben Politikern auch zum Beispiel Gewerkschafter, Vertreter von Kirchen und Frauenverbänden. Die haben alle eine selbstbewusste Stimme und schauen uns in allem auf die Finger.  Fragen: Thomas Wischnweski

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