Wo die Fäuste fliegen

Boxpromoter Ulf Steinforth mit Sammlungsstücken aus der Magdeburger Boxgeschichte.

Nach 83 Jahren findet in der Stadthalle wieder eine Box-Veranstaltung statt. Der Faustkampf verweist in Magdeburg auf eine
bewegte Geschichte.

Wenn am 15. September in der Magdeburger Stadthalle wieder der erste Gong ertönt, geht in dem ehrwürdigen Gebäude am Elbufer eine über acht Jahrzehnte währende Box-Pause zu Ende. Man schrieb den 12. April 1935, als in dem imposanten Klinkerbau auf der Rotehorninsel letztmals die Fäuste flogen – zumindest während einer Sportveranstaltung. Erstmals war ein Ring in dem unter Denkmalschutz stehenden Bauwerk allerdings schon sieben Jahre zuvor errichtet worden. Ein gewisser Hans Breitenstraeter schrieb sich als Premierensieger in die Box-Annalen der Stadthalle ein. Im Schwergewicht hatte er nach Angaben des Branchendienstes Boxrec am 16. März 1928 seinen Konkurrenten Billy Shaw in der sechsten Runde lupenrein ausgeknockt. Shaw übrigens war davon offenbar so benommen, dass es der einzige Kampf seiner doch recht kurzen Karriere bleiben sollte … 

Die lange Geschichte des Boxens gehört wahrscheinlich zu den noch am wenigsten beschriebenen Seiten in der Chronik des Magdeburger Sports. Sie begann eben nicht erst, wie vielleicht zu vermuten wäre, mit den Fights der dreißiger Jahre in der Stadthalle und den zahllosen sogenannten Kleinring-Duellen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Bisher verfügbare Quellen weisen den ersten wettkampfmäßig betriebenen Boxkampf in Magdeburg vielmehr für den 21. November 1919 aus. Aufeinander eingeschlagen wurde damals im längst nicht mehr existierenden Hohenzollernpark, einer Ausflugsgaststätte am Adelheidring. Immerhin drei Kämpfe gingen an diesem Abend über die Bühne. In der Premieren-Begegnung trennten sich Ernst Koel und Hans Hirschberg nach zehn Runden im Leichtgewicht mit einem Remis. Ob es bereits vor 1919 Kämpfe gab, die nach offiziellen Regeln und unter Aufsicht eines Verbandes stattfanden, verliert sich (noch) im Dunst der Geschichte.

Auch im einstigen Kristallpalast wurden Faustkämpfe ausgetragen. Am 15. September werden Profiboxer nach 83 Jahren wieder in die Stadthalle einziehen. Fotos: Peter Gercke

Schaut man sich einmal eine Liste an, die ausweist, wo überall in Magdeburg in den zurückliegenden Jahrzehnten Box-Wettkämpfe stattgefunden haben, stößt der Betrachter  auf die imposante Zahl von sage und schreibe 26 Veranstaltungsorten. Das reicht von längst nicht mehr existierenden Hallen über einstige Gaststätten und Kino-Säle bis hin zu heutigen Sporttempeln wie der Getec-Arena. In manchen, wie der größten Halle Sachsen-Anhalt, wurden seit deren Eröffnung 1998 regelmäßig große Faustkampf-Galas ausgetragen – darunter legendäre WM-Fights von Sven Ottke, Robert Stieglitz, Arthur Abraham und Regina Halmich. Die Städtische Halle in der Blankenburger Straße war zwischen 1946 und 1950 immerhin 20 Mal Schauplatz von Ringschlachten. Es war jene Zeit, als auch Deutschlands berühmtester Boxer, Max Schmeling, mehrfach in Magdeburg als Kampfrichter tätig war.

Bei anderen Wettkampfplätzen wiederum, wie etwa dem früheren Kricket-Stadion oder der MTV-Halle, blieb Boxen eine einmalige Angelegenheit. Auch im historischen Kristallpalast, dem berühmten Varieté, wurden zwischen 1921 und 1923 die Handschuhe geschnürt. Selbst vor Zirkuszelten, wie dem vom Zirkus Blumenfeld, machte man Anfang der zwanziger Jahre nicht halt. Andere Plätze, in denen der edle Faustkampf zunächst nicht unbedingt vermutet wurde, waren der Hallenbau Stadt und Land oder die Gaststätte Fürstenhof. In diese Kategorie gehörte eigentlich auch der einstige Hofjäger. Doch siehe da, die Box-Fans schienen an der ehemaligen Gaststätte einen Narren gefressen zu haben. Elfmal wurden dort zwischen 1921 und 1931 die Fäuste gekreuzt. Dreimal lud das Palast-Theater Sudenburg zum lus-tigen Wettprügeln.

Es fällt auf, dass die mit Abstand größte Arena, egal ob nun das frühere Ernst-Grube-Stadion oder die heutige MDCC-Arena, nie unter den Veranstaltungsorten einer Stadt auftauchen, die sich vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten den Namen einer Box-Hochburg erworben hat. Obwohl doch gerade Open-Air-Events bei manchem Promoter wegen ihres besonderen Fluidums hoch im Kurs stehen. SES-Chef Ulf Steinforth, der jetzt im September die Gala in der Stadthalle organisiert, sagte MAGDEBURG KOMPAKT dazu: „Natürlich birgt unter freiem Himmel das Wetter für Veranstalter und Sportler immer gewisse Risiken. Aber wir hatten seinerzeit ein Open Air für den Auftakt der WM-Kämpfe zwischen Stieglitz und Abraham für die Landeshauptstadt tatsächlich in Betracht gezogen. Es zeigte sich aber, dass die Fläche im Innenraum des Stadions nicht geeignet ist, das Gewicht von Technik und größeren Menschenmassen zu verkraften, weil sich kurz unter der Grasnarbe die empfindliche Rasenheizung befindet.“

So macht sich Steinforth mit seinem SES-Team nun also daran, der alten Stadthalle wieder neues Box-Leben einzuhauchen. „An sechs Orten in Magdeburg, darunter die Seebühne und das Maritim-Hotel, sind wir bisher gewesen. Nun kommt die Stadthalle also als siebter hinzu“, erklärt er. „Ich freue mich schon auf das tolle Ambiente dort.“ Etwa 3.000 Zuschauer werden an diesem Abend Platz in dem Bau neben Albinmüller-Turm und Pferdetor Platz finden. Einer Halle übrigens, deren Bau zur Deutschen Theaterausstellung einst nur 17 Monate dauerte – vom ersten Spatenstich bis zur Übergabe. Eine Zeit, die heute nicht mal fürs Genehmigungsverfahren ausreichen dürfte … Rudi Bartlitz

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