Wie viel Vorbild steckt im Lehrkörper?

Zu Studieren ist der richtige Weg. Ein Weg, um über sich selbst hinauszuwachsen und später einmal zur Elite zu gehören. Wichtige Posten, das große Geld und Anerkennung sind der Lohn dafür. So wird es schon in der Schule propagiert. Lerne möglichst viel in möglichst kurzer Zeit auswendig. Theorie reiht sich an Theorie und bereits am Anfang der Oberstufe wird jeder zukünftige Student in der Lage sein, Gedichte in drei Sprachen zu analysieren und einen Ordner voller historischer Merkzahlen aufzusagen. Leider völlig, ohne dahinter zu steigen und zu wissen, welches geschichtliche Ereignis sich tatsächlich dahinter verbirgt.

Hat der Schüler sich durch volle zwölf Jahre Schule gekämpft und hält sein Abitur in der Hand, hat er sich qualifiziert, ein Studium anzutreten. Je nach gewünschter Studienrichtung, der Abiturnote und einem Numerus Clausus steht es ihm nun offen, sich an einer akkreditierten Hochschule einzuschreiben. Die Möglichkeiten scheinen endlos und plötzlich muss der Studierende in spe sich fragen: Was kann ich eigentlich? Um dann hoffentlich nicht die Antwort zu bekommen, dass er eigentlich zu nichts zu gebrauchen ist.

Während der Schulzeit und besonders an Gymnasien werden nicht die Stärken des Einzelnen verfolgt und ausgebaut. Es geht darum, alle auf einen Nenner zu bringen. Jeder soll möglichst die gleichen Kenntnisse in den verschiedenen Natur- und Gesellschaftswissenschaften, Mathe, Deutsch und Englisch, Kunst, Sport, Physik und Chemie erlangen. Dass das aber aus rein natürlichen Gründen überhaupt nicht möglich ist, wird schlicht übersehen.

Studierende beschreiten einen Pfad, gesäumt von Stadtrallyes, einem Kneipenbachelor mit Sonderauszeichnung und Dozenten, die selbst nie gelernt zu haben scheinen, was Pünktlichkeit ist. Wie schon in der Schule wird erwartet, Arbeiten pünktlich einzureichen, stets anwesend und aufmerksam zu sein und sich jederzeit mit Elan seinem Studienfach zu widmen. Anders als zur Schulzeit entsteht hier viel Input aus der Diskussion zwischen Studierenden und Lehrenden. Aber was ist eigentlich mit denen?

Morgens halb zehn in Magdeburg. Die Vorlesung sollte um neun starten. Kurz nach halb stolpert die Professorin mit ihrem To-Go-Becher in den Hörsaal. Ihr Haar wirkt unruhig und ihre Tasche spuckt fast die Unterlagen aus, die in sie hineingequetscht wurden. „Tut mir leid, Leute, ich bin heute spät dran. Aber ihr habt euch bestimmt alle noch einen Kaffee geholt. Dann legen wir mal los.“ Statt der veranschlagten eineinhalb Stunden bleiben jetzt nur noch knappe 55 Minuten für den neuen Stoff und die komplexen Zusammenhänge der Medienrefinanzierung. Macht ja nichts.

Jetzt wo sie da ist, hängt sie sich immerhin rein und bemüht sich, die neuen Inhalte in die Köpfe der Studierenden zu pressen, wie die Unterlagen in ihre Lehrertasche. Aber sie ist jung geblieben, in ihrer Art und Weise schafft sie es, den Großteil des Kurses zum Zuhören zu bewegen und den Rest nicht weiter zu stören.

Nach der knappen Stunde gibt’s erstmal eine wohlverdiente Pause. Weitere eineinhalb Stunden bis zum nächsten Seminar. Das heißt: Käffchen. Studenten und Lehrende treffen im Studentencafé früher aufeinander als gedacht, und man lernt dazu, wer seinen Kaffee gern „blond und süß“ und wer ihn lieber „schwarz wie meine Lunge“ hat. 

Neunzig verqualmte Minuten später schleppen sich die Massen schließlich wieder in die jeweiligen Räume und warten hinter ihren aufgeklappten Laptops auf neuen Input. Und auf den Prof. Zwanzig Minuten nach Seminarbeginn leitet ein Kommilitone eine Mail in die WhatsApp- Gruppe der Studierenden weiter. Der Tenor: Der Prof kommt nicht weg aus Berlin und das Seminar fällt aus. Alles klar. Dann erstmal ‘nen Kaffee.

Wenn eine Jugend zur Elite eines Landes he- ranerzogen werden soll, wer erzieht dann die Lehrenden? Zuspätkommen, sich nicht an terminliche Absprachen zu halten, einfach nicht auf E-Mails zu antworten und sich nicht um seine Studenten zu kümmern, sind etablierte Methoden, um junge Menschen auf die Idee zu bringen, ein oder gerade dieses Studium sei der falsche Weg für sie. Aber wenn junge Leute sich gegen ein Studium entscheiden, und das nicht aufgrund uninteressanter Inhalte oder des falschen Fachbereichs, sondern weil sie sich fallengelassen oder nicht unterstützt bzw. ernstgenommen fühlen, beschreibt das ein Versagen des Systems.

Nun sind es aber nicht die einzelnen Dozierenden oder Mitarbeiter der Hochschule, die an dieser Stelle schuld sind. Es geht auch nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Gegenüber der jüngeren Generation, dem Vermächtnis des Studierens und im Großen und Ganzen gegenüber dem Land in dem man lebt. Wir brauchen junge Leute, die Lust haben zu studieren. Wir brauchen aber genauso unbedingt junge Menschen, die einen handwerklichen Beruf erlernen und auch Bürohengste und Friseure.

Letztlich ist es nicht für jeden der richtige Weg, zu studieren. Aber: Macht es der Jugend nicht schwerer als nötig, ihren Weg zu finden. Denn es gibt so viele Optionen, Weggabelungen und Sackgassen. Würde bereits in der Schule gezielter darauf geachtet werden, dass jeder Einzelne seine Stärken und Interessen miteinander verbinden und ausbauen kann, hätten wir später weniger frustrierte Studenten (und Eltern, denen die Finanzspritzen ausgehen) als heute. Swantje Langwisch (Studentin im 5. Semester des Studiengangs Journalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal)

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