Wenn Luther und Tetzel sich träfen

Autor Dirk Heidicke vor der Ambrosius-Kirche in Sudenburg, wo das Luther-Stück „Bruder Martin“ am Samstag, 13. Mai, Magdeburg-Premiere haben wird. Foto: Viktoria Kühne

Martin Luther und Johann Tetzel, zwei Widersacher der Kirche. Nie trafen sie sich persönlich. Bis jetzt. Die Kammerspiele Magdeburg inszenieren ihre Begegnung. Darüber ein Gespräch mit dem Autoren Dirk Heidicke.

Magdeburg Kompakt: Seit wann haben Sie sich mit Luther, speziell bezogen auf das Stück „Bruder Martin“, beschäftigt?  
Dirk Heidicke: Konkret seit 2007. Da habe ich ein Stipendium der Kunststiftung bekommen, um dieses Vorhaben umzusetzen.

Damals schon in Vorschau auf das Reformationsjubiläum 2017?    
Es war zum einen der Beginn der Lutherdekade, ja, vor allem aber hat mich das Thema interessiert - und es war der Wunsch unseres Hauptdarstellers Oliver Breite, dass wir uns in einem Stück speziell mit Luther und Tetzel beschäftigen.

Die Zusammenarbeit mit Oliver Breite gibt es also nicht erst seit er in der Kultinszenierung „Olvenstedt probiert’s“ auftrat?
Nein, wir kennen uns wesentlich länger, hatten vorher bereits Projekte zusammen, Lesungen und Inszenierungen wie für das Theater an der Grenze. Wir arbeiten schon sehr lange zusammen.  

Luther wird derzeit von allen Seiten beleuchtet. Was ist das Besondere an Ihrem Stück? Wie widmen Sie sich der Person Luther?    
Bei uns geht es um das Verhältnis von Luther und Tetzel, die zu ihrer Zeit vergleichbar populär waren und als große Antipoden der Anfangszeit der Reformation gelten, sich aber doch ähnlicher waren als man auf den ersten Blick denkt. Das Spannungsverhältnis im historischen Kontext, aber auch bezogen auf die heutige Zeit ist unser Anliegen. Wie die Frage: Ist nicht Tetzel moderner, sogar erfolgreicher aus heutiger Sicht? Man zahlt zwar nicht mehr Ablass, um sein Gewissen zu beruhigen, aber Spenden. Insofern hat sich Tetzel in der Gesellschaft durchgesetzt. Mit dem, was Luther damals forderte, kann kein Politiker mehr punkten, um gewählt zu werden.

Warum ist Tetzel dann so aus der Öffentlichkeit verschwunden?
... oder er wird jetzt als großes Schreckgespenst an die Wand gemalt, als Luthers großer Gegenspieler. Er war seinerzeit gut in dem, was er gemacht hat, zumindest nicht schlechter als die anderen Ablassprediger. Doch er war in Luthers Nähe unterwegs, in Jüterbog und unserem Erzbistum Magdeburg. Das war Luther zu Ohren gekommen, der sich darauf bezog - und es gab Unruhen. Empörung gegen den Ablass. Daraufhin wurde er von Erzbischof Albrecht und dem Papst selbst kaltgestellt, ins Kloster zurückgeschickt. Eigentlich war Tetzel ein Bauernopfer. Um die übergeordneten Interessen zu schützen.
Hinter beiden Personen steckten noch ganz andere politische und wirtschaftliche Interessen. Das wurde für das Stück herausgearbeitet.  

Sie haben großes kirchliches Wissen. Gehören Sie einer Religion an?
Nein, aber ich habe mich oft mit religiösen Themen beschäftigt und wurde schon gefragt, ob ich Theologie studiert hätte. Als ich über „Mechthild“ schrieb, sagten Kirchenleute zu mir, so manches davon hätten sie selbst nicht gewusst.

Wie haben Sie sich speziell über Tetzel informiert? Er ist über Kirchenkreise hinaus ja nicht so bekannt wie Luther.
Es war nicht einfach, das stimmt. Aber einige Biografien gibt es, aus dem späten 19. Jahrhundert. Ich habe alles gelesen, was es über Tetzel gibt. Über Luther natürlich auch. Was im Stück vorkommt, ist sehr, sehr abgesichert. Tagesgenau recherchiert. Sofern es genaue Daten gab, kommen sie auch so vor. Bei einigen Szenen wird angesagt, wann sie spielen.
Wie lange haben Sie am Stück geschrieben?
Nicht durchgehend zehn Jahre natürlich. (lacht) Nach der aufwändigen Recherche hat das Schreiben zirka ein halbes Jahr gedauert.

Im Landkreis Mansfeld-Südharz wurde das Reformationsjahr mit der Premiere von „Bruder Martin“ eröffnet. Wie waren die Reaktionen?
Alle waren sehr angetan, das war sehr schön und hat uns natürlich gefreut.

Magdeburg-Premiere ist am 13. Mai in der Ambrosiuskirche. Was wird anders sein?
In der eigenen Stadt ist es für uns immer etwas Besonderes. Diesmal sogar in einer Kirche und nicht im Theatersaal. Das ist schon ein Unterschied. Wir freuen uns darauf. Zumal man mit so einem Stück in einer richtigen Kirche szenisch ganz anders arbeiten kann. Wir spielen am Altar und im ganzen Raum. Die nächste  Aufführung dort gibt es übrigens direkt am Kirchentag.

In Ihren Stücken geht’s von Faust bis Luther, in Kürze folgt Telemann („Das Glück des Gauklers“) - liegt Ihnen die Historie am Herzen?     
Ich nutze diese Arbeit, um mich weiterzubilden. Das macht mir Spaß, ich mache es gern. Man erfährt viel Spannendes. Wie jetzt die Zusammenhänge zwischen Luther und Tetzel. Die Zuschauer werden garantiert auch Dinge erfahren, die sie noch nirgendwo anders gehört haben.
(Das Gespräch führte Birgit Ahlert)

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