Reparieren statt wegwerfen

Nur wenige Tage bis zum ersten Advent. Zeit, um all die Gegenstände aus der Versenkung herauszuholen, die den Großteil des Jahres in irgendwelchen Kisten auf dem Dachboden, im Keller oder im Schrank verbracht haben, um nun für wenige Wochen in der Advents- und Weihnachtszeit Fenster und Räume zu illuminieren oder einfach nur schön auszusehen. Doch kaum hat man den Gegenstand an der dafür vorgesehenen Stelle positioniert, muss man beim Betätigen des Schalters feststellen, dass das Ding nicht mehr so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Irgendetwas hat den Geist aufgegeben. So wie im Falle des Schwibbogens, der auf einem Tisch im Bürgerhaus Kannenstieg steht. Hier, in den Räumlichkeiten des Deutschen Familienverbandes, werden im Repair-Café Gegenstände von ehrenamtlichen Helfern repariert. Alle 14 Tage können kaputte Dinge mittwochs zwischen 15 und 17 Uhr in der Johannes-R.-Becher-Straße 57 abgegeben beziehungsweise abgeholt werden.

„Bei der Anmeldung werden die Sachen zunächst begutachtet. Dann nimmt einer der Helfer den Gegenstand genauer unter die Lupe, um beurteilen zu können, ob er ein Fall für den Schrott ist oder ob er repariert werden kann“, erklärt Tanja Solich, die seit fünf Jahren ehrenamtlich für den Deutschen Familienverband Sachsen-Anhalt e.V. tätig ist und das Projekt Repair-Café im Kannenstieg betreut. „Die Menschen bringen alles Mögliche vorbei – Heckenscheren, Wasserkocher, Laminiergeräte, Computer, 70 Jahre alte Tonbandgeräte oder eben die Weihnachtsbeleuchtung.“ Was sofort repariert werden kann, erledigen Klaus Peter und Friedhelm Boese an Ort und Stelle. Werkzeug ist im Bürgerhaus vorhanden und wird gegebenenfalls von den beiden ehrenamtlichen Experten ergänzt. Sollte der Sachverhalt komplizierter sein, beheben sie das Problem in Ruhe. „Wir nehmen den Gegenstand dann mit und schauen uns das ohne Zeitdruck an“, erzählt Friedhelm Boese, der früher als Flugzeugmechaniker gearbeitet hat. „Sollte ein Ersatzteil zur Reparatur gebraucht werden, informieren wir den Besitzer natürlich darüber, um zu besprechen, ob sich die Investition in ein Ersatzteil überhaupt lohnt.“ Die Kosten dafür muss der Besitzer selbst tragen. Für die Arbeitszeit der Helfer wird nichts berechnet, doch über eine Spende freuen sich die Ehrenamtlichen im Repair-Café natürlich.

Für den Schwibbogen wird sich Friedhelm Boese etwas Zeit nehmen müssen. Aber er wirkt zuversichtlich und glaubt nicht, dass der Dekorations-Gegenstand reif für den Schrott ist. „Wir können auch nicht alles, doch so schnell geben wir nicht auf“, sagt der Helfer, der sich seit dem Start des Projektes im Kannenstieg Ende Februar dieses Jahres hier engagiert. Während er sich auf Dinge aus Holz und auf Mechanisches spezialisiert hat, repariert sein Kollege gern alles, was mit Strom zu tun hat. „Bevor ich im März hier angefangen habe, war ich im Repair-Café in der Leipziger Straße tätig. Und schon dort waren Elektro-Geräte mein Ste-ckenpferd. Aber eigentlich sehe ich mich als Allrounder – es gibt nichts, was mich nicht interessiert“, sagt Klaus Peter und fügt an, dass dies die Arbeit so abwechslungsreich mache. Viel zu tun haben die beiden ehrenamtlichen Helfer derzeit ohnehin. „Wir sind nur zu zweit und würden uns über zusätzliche Unterstützung freuen“, sind sich beide einig. „Dafür braucht man ein paar handwerkliche Fähigkeiten … alles Weitere lernt man mit der Zeit.“

Der Lerneffekt gilt jedoch nicht nur für die Helfer, sondern auch für die Besitzer, die ihre kaputten Gegenstände ins Repair-Café bringen. Denn Sinn und Zweck des Projektes ist es nicht nur, Dinge kostengünstig wieder funktionstüchtig zu machen. Vielmehr geht es darum, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und auch gemeinsam an der Lösung des Problems zu tüfteln – was oftmals gar nicht so schwer ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, und auch Spaß macht. Hinzukommt als positiver Nebeneffekt, dass weniger weggeworfen und somit weniger Müll produziert wird. „Das Repair-Café ist ein wertvoller praktischer Wissensaustausch, der unserer Wegwerfgesellschaft etwas entgegensetzen kann – denn wir schmeißen definitiv zu viel weg und nutzen gewisse Gegenstände nicht effektiv und lang genug“, sagt Tanja Solich über die Idee, die ihren Ursprung in den Niederlanden hat. Wer sich über das Projekt informieren oder dieses als Ehrenamtlicher unterstützen möchte, kann sich an den Deutschen Familienverband Sachsen-Anhalt e.V. in der Johannes-R.-Becher-Straße 57, 39128 Magdeburg, wenden. Telefonisch ist der Verband unter 0391 / 72 17 470 und per Mail via repaircafe@dfv-lsa.de zu erreichen. Tina Heinz

Zurück