Reisen bildet...

Gordon Keirat vom First Reisebüro in Magdeburg. Foto: Peter Gercke

Herr Keirat: Goethe, einer unserer Dichterväter schrieb in „Wilhelm Meisters Lehrjahre“: „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“. Gilt der Ausspruch „Reisen bildet“ im Zeitalter von Massentourismus noch?
Gordon Keirat: Natürlich gilt das Motto. Aber man muss da schon von Reise zu Reise unterscheiden.

Wie meinen Sie das?
Wenn der Zweck eines Urlaubs rein auf Erholung abzielt und man letztlich die ganze Zeit am Strand lümmelt oder zur Party nach Ibiza aufbricht, hat das wohl wenig mit einem Bildungsaspekt zu tun. Wer jedoch in andere Länder aufbricht, um etwas über die Geschichte einer anderen Kultur zu erfahren, wer sich mit der Sprache anderer Völker auseinandersetzt und das Leben an Ort und Stelle beobachtet, wird mit Wissen und Eindrücken bereichert zurückkehren.

Ist denn ein üblicher zwei- oder dreiwöchiger Trip in die Fremde wirklich ausreichend, um viel zu erfahren?
Das ist immer noch besser, als gar nicht in die Fremde gereist zu sein. Was jeder für sich mitnimmt, hängt doch von den jeweiligen Interessen, der eigenen Neugier und dem persönlichen Wissensstand jedes Einzelnen ab.

Unterscheidet sich die Sicht auf eine andere Kultur in unterschiedlichen Lebensphasen?
Ich würde jedem empfehlen, Orte, die man mit jungen Jahren besucht hat, in einem späteren Lebensalter noch einmal aufzusuchen. Man wird bemerken, dass man allen Eindrücken mit einer veränderten Aufmerksamkeit begegnet und vieles anders bewertet. Der Reichtum der eigenen Erfahrung fließt dann in den Blick eines Reisenden ein.

Meinen Sie, ältere Generationen würden intensiver Eindrücke sammeln?
So generell kann man das sicher nicht sagen. Erfahrung schaut aber immer anders aufs Leben als Jugendlichkeit. Allerdings habe ich mittlerweile festgestellt, dass Menschen jenseits der 50 mehr Augenmerk auf die kulturellen Erlebnisse in anderen Ländern legen und bei jungen Menschen häufig Spaß, kurfristige Entdeckerlust und Abenteuergedanken im Vordergrund stehen. Bei Familien und Menschen zwischen 30 und 60 ist sicher wegen des Erwerbslebens der Erholungsaspekt zunächst wichtiger als Bildungsinhalte. Aber wie gesagt, eine generelle Typisierung gibt es nicht. Nehmen Sie noch einmal Goethes Hinweis „die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch…“ Der Verweis auf den gescheiten Menschen macht den Unterschied. Es muss schon ein geistiges Fundament vorhanden sein, um sich beim Reisen wirklich bilden zu können.

Wir können doch heute Dank des Internets ohnehin viel über andere Länder, deren Geschichte und Kultur erfahren. Allein des Wissens wegen müsste man sich doch gar nicht auf den Weg machen.
Bilder, Videos und Beschreibungen sind nicht die Wirklichkeit. Erleben, also mittendrin zu sein, das ist von anderer Qualität. Alles, was wir beim Lernen sinnlich erleben, wird tiefer verinnerlicht, als wenn es nur jemand erklärt hat. Natürlich bietet das Internet heute ein Schaufenster zur Welt. Aber sich selbst auf den Weg gemacht zu haben, den Duft genossen, das Klima gespürt und mit eigenen Augen dabeigewesen zu sein, das kann die Virtualität niemals ersetzen.

Den positiven Effekt des Reisens wird sicher niemand bestreiten. Doch was sollte es der eigenen Qualifikation oder für den beruflichen Werdegang bringen?
Jeder Mensch mit seinem Beruf achtet automatisch auf Dinge in der Fremde, die die eigene Tätigkeit betreffen. Ein Kellner schaut sehr genau, wie seine Kollegen im Ausland den Service meistern. Leute vom Bau besitzen den selektiven Blick für Bauwerke und erkennen sofort ungewöhnliche Lösungen. Jeder hat ein Gespür für andere Organisationsformen, Darstellungsmöglichkeiten. Wir treffen am Ende der Welt ja auch deshalb häufig auf Vertrautes, weil sich die Menschen dort auch viel von uns abgeschaut haben. Selbst das ist ein Bildungsaspekt, um wertschätzen zu lernen, was sich generell überall bewährt hat.

Würden Sie jemandem, der besonderen Wert aufs Bilden beim Reisen legt, etwas empfehlen?
Nein. Was jeder für sich erlebt, lernt und mitnimmt, hängt von jedem selbst ab. Ich helfe nur dabei, genau dahin zu kommen, wohin jemand möchte und natürlich auch wieder zurück. Fragen: Thomas Wischnewski

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