Reformstadt der Moderne

„Dandanah” – Baukasten mit massiven Steinen aus buntem Glas, entworfen von Blanche und Paul Mahlberg sowie Bruno Taut. Teil der Ausstellung im Kulturhistorischen Museum. (© Bassange Buchauktionen Gbr, Berlin)

„Reformstadt der Moderne – Magdeburg in den Zwanzigern“. Unter diesem Titel zeigt das Kulturhistorische Museum Magdeburg vom 8. März bis zum 16. Juni eine Ausstellung, die im Bauhausjahr einen Überblick über die Landeshauptstadt in dieser Zeit gibt und die über das Thema Neues Bauen und dessen architektonisches Erbe weit hinaus geht. „Wir sind nicht Bauhaus“, sagt Dr. Michael Stöneberg, Kurator im Kulturhistorischen Museum. „Es gibt zwar einige personelle Verbindungen und natürlich auch Bauten, die als Botschafter der 1920er Jahre erhalten geblieben sind. Aber Magdeburg war darüber hinaus eine mit vielen positiven Errungenschaften besetzte Stadt in der Weimarer Republik.“ Und dies wolle man mit der Ausstellung den interessierten Besuchern näherbringen.

Was die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts so besonders macht und wie Magdeburg zu einer Modellstadt werden konnte, erklärt Michael Stöneberg etwas genauer: „Die Weimarer Republik war eine politisch unruhige Zeit – sie auf eine gescheiterte Republik zu reduzieren wäre ebenso einseitig wie die Bezeichnung ‚Goldene Zwanziger‘. Es gab eine Aufbruchstimmung – geistig wie künstlerisch. Die Verfassung, die Emanzipation der Frau, der Acht-Stunden-Tag oder die Festschreibung betriebsrätlicher Aktivitäten sind nur einige der Errungenschaften.“ Andererseits habe es auch gewaltsame Auseinandersetzungen und Unruhen gegeben. „Erstaunlicherweise wurde Magdeburg jedoch nicht davon ergriffen, obwohl sich zwei hier gegründete Organisationen gegenüberstanden: der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, und als Gegengewicht das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Dass es in dieser Zeit nicht zu Straßenkämpfen kam, ist hauptsächlich der damaligen Stadtpolitik zu verdanken“, erläutert der Kurator.

 

Ebenfalls Thema ist die industrielle Entwicklung Rothensees...

Der 1919 ohne Gegenstimmen zum Oberbürgermeister gewählte Hermann Beims sorgte in den zwölf Jahren seiner Amtszeit für eine Stabilität, die es ermöglichte, die Stadt zu modernisieren und zahlreiche Pläne umzusetzen. „Es ist mehr Wohnraum entstanden, Magdeburg wurde zur Messestadt und die Infrastruktur wurde verbessert“, erklärt Michael Stöneberg und fügt an, dass in den 1920ern beispielsweise die Straßenbahnlinien nach Westerhüsen und Cracau entstanden sind. Über diese und andere Handlungsfelder der Modernisierung, deren Akteure und Rahmenbedingungen bietet die Sonderausstellung einen umfangreichen Überblick. Neben Hermann Beims, der zahlreiche Persönlichkeiten wie Stadtbaurat Bruno Taut, den leitenden Fürsorgearzt Paul Ignatz Konitzer und den Stadtschulrat Hans Löscher nach Magdeburg holte, stehen Kunst und Kultur, das Programm für modernen und sozialen Wohnungsbau, Investitionen – unter anderem in Infrastruktur und in ein neues Industriegebiet samt Hafen in Rothensee – sowie das Bildungssystem im Fokus. „Dass sich Magdeburg unter Hans Löscher zu einem Zentrum der Reformpädagogik mit eigenen Versuchsschulen entwickelt hat, ist nicht vielen geläufig“, meint Michael Stöneberg.

...und die Reformpädagogik, die Versuchsschulen wie die in der Schmeilstraße hervorbrachte. (© Stadtarchiv Magdeburg)

„Aus diesem Grund bieten wir in diesem Rahmen Workshops für Schulen an, damit erlebbar wird, wie Schule früher funktionierte und was sich seitdem verändert hat.“ Auch öffentliche Führungen ohne Anmeldung sind während der Sonderausstellung immer sonntags möglich, weitere Führungen können gebucht werden. Für Familien wird ein spezielles Programm geboten. Zudem soll es Spaziergänge an markanten Orten geben – wie etwa durch die Gartenstadt Reform oder die Beimssiedlung. „Als Besonderheiten der Ausstellung sind kurze Filmzuschnitte aus den zwanziger Jahren in Magdeburg und ein multimediales Stadtmodell zu erwähnen. Und zum ersten Mal bieten wir monatlich Abendführungen an, die beginnen, wenn das Museum schließt“, resümiert der Kurator. Tina Heinz

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