Probleme mit dem Hund?

Jedes Mal, wenn sich ein tragischer Zwischenfall ereignet, werden Diskussionen entfacht, wie man mit gefährlichen Hunden umgehen soll. Eine einfache Antwort gibt es nicht.

Schwanzwedelnd springt ein Rauhaardackel über den Weg im Stadtpark und läuft zielgerichtet auf ein kleines Mädchen zu, das mit seiner Mutter dort spazieren geht. Ohne Berührungsängste – wie Kinder eben oftmals sind – streckt das Mädchen seine Hand aus, um den Hund zu streicheln. Die Mutter blickt ziemlich skeptisch drein. Zwar ist der Dackel nicht so groß und vielleicht will er auch wirklich bloß spielen. Für Mutter und Tochter ist das Tier jedoch fremd und damit unberechenbar. Schnell werden die Zweifel der Erwachsenen allerdings zerstreut und nach einer kurzen Streicheleinheit für den Rauhaardackel entfernen sich die beiden in entgegengesetzter Richtung. Was folgt, ist eine fürsorgliche Standpauke der Mutter ob des Verhaltens von nicht vertrauten Tieren. „Man kann ja nie wissen …“

Nein, man kann nie wissen, welche Reaktionen ein Hund auf welche Reize zeigt – wie etwa im Fall des Staffordshire-Terrier-Mischlings Chico, der in Hannover seinen 27-jährigen Halter und dessen Mutter durch Bisse so stark verletzte, dass sie verbluteten. Oder wie das Beispiel des sieben Monate alten Säuglings zeigt, der in einer südhessischen Stadt vom Familienhund in den Kopf gebissen wurde und wenig später im Krankenhaus starb. Es sind derlei Fälle, die in unregelmäßigen Abständen Diskussionen über den Umgang mit gefährlichen Hunden entfachen. Verändert hat sich jedoch im Laufe der Zeit nicht viel, nachdem im Jahr 2000 in einer Hauruck-Aktion der Bundesländer Rasselisten aus dem Boden gestampft wurden, um besonders gefährliche Hunde einstufen zu können. Auch dieser Regelung ging ein tragischer Fall voraus – in Hamburg erlag ein Sechsjähriger seinen Verletzungen, nachdem er beim Spielen von einem Pitbull-Terrier attackiert worden war.

Schnell waren daraufhin Verordnungen erstellt worden, die bestimmte Rassen als sogenannte Kampfhunde abstempeln. Kristeen Albrecht, Hundetrainerin und Problemhund-Therapeutin, hält diese Lösung für wenig hilfreich. Sinnvoller wäre ein ähnliches Modell wie in Niedersachen. Dort wurde die Rasseliste abgeschafft und ein Hundeführerschein eingeführt, um dem Halter die Möglichkeit zur Dokumentation zu geben, dass er seinen Hund im Alltag sicher unter Kontrolle hat und weder andere Menschen noch Hunde gefährdet. Ein System, das noch nicht ganz ausgereift ist, wie Kritiker urteilen, jedoch einen Schritt in die richtige Richtung darstellt.

„Das Problem befindet sich immer am anderen Ende der Leine“, meint die Magdeburgerin Kristeen Albrecht, die vielen als Sängerin der Band „Juckreiz“ bekannt sein dürfte. „Nehmen wir zum Beispiel den Staffordshire Terrier. Er gilt als ruhiger, gutmütiger, intelligenter und aufmerksamer Hund, der seinen Menschen gegenüber treu und anhänglich ist. Zudem hat er eine hohe Reizschwelle und lässt sich nicht so leicht provozieren. Wird er allerdings von seinem Halter häufig aggressiv gemacht, kann er aufgrund seiner Kraft natürlich gefährlich werden – das kann man jedoch nicht dem Hund vorwerfen“, sagt die Hundetrainerin. Als Gegenbeispiel führt sie das Verhalten von kleinen Hunderassen wie Chihuahuas auf. „Wie oft kommt es vor, dass diese Hunde nach Händen schnappen oder in die Füße beißen? Weil das nicht so weh tut und meist niedlich aussieht, wird darüber gelacht. Bei einem größeren Hund wird dieses Verhalten allerdings schnell zum Problem.“

Kristeen Albrecht weiß, wovon sie spricht. Bereits als Kind war sie von Tieren begeistert. Damals hauptsächlich von Pferden. „Aber wo Pferde sind, da gibt es häufig auch Hunde und oft war ich bei unseren Nachbarn auf dem Hof, um mich mit den Tieren zu beschäftigen. Und auch meine Eltern hatten einen Hund … da lernt man unweigerlich vieles hinzu.“ Die Begeisterung ist geblieben und hat nach all den Jahren dazu geführt, dass sich die Magdeburgerin beruflich umorientiert hat. Ihre Ausbildung zur Hundetrainerin hat sie abgeschlossen und sich dabei auf den Bereich Problemhundtherapie spezialisiert. „Dazu benötigt man zunächst eine Erlaubnis vom Veterinäramt, um überhaupt die Ausbildung beginnen und Seminare belegen zu können.“ Gearbeitet wird nach dem „Speechless Dogtraining System“ (SDTS) – also Hundeerziehung ohne Sprache –, das von dem Deutschen Gerhard Wiesmeth 1999 speziell für Problemhunde entwickelt wurde.

Problemhund bedeutet nicht, dass es sich um ein aggressives Tier handelt. Auch an Hunde, die Angst vor Geräuschen oder bestimmten Situationen haben, die ständig an der Leine ziehen, die andauernd bellen, die allem hinterher hetzen, das sich bewegt oder die die Kommandos ihrer Halter ignorieren, richtet sich das „Speechless Dogtraining System“. Sprachlos, gewaltfrei und ohne jegliche Hilfsmittel soll innerhalb kurzer Zeit das Problemverhalten, das ausschließlich in den Augen der Menschen besteht, abgebaut werden. „Dabei wird auf Sprache, diverse Hilfsmittel – wie Kopfhalter, Würge-, Sprüh- oder Stachelhalsbänder – und natürlich auf Gewalt verzichtet“, erklärt Kristeen Albrecht. „Der Hund wird lediglich mittels Körpersprache und Futter konditioniert.“

Wenn ein Hundebesitzer die Hilfe der Trainerin und Therapeutin benötigt, schaut sich die Magdeburgerin zunächst immer das Umfeld des Tieres an. „Oftmals erfährt man bereits die Ursache, wenn man das Zuhause der Halter und ihrer Hunde begutachtet. Und dann kann die Therapie ganz schnell gehen … vorausgesetzt, dass die Menschen bereit sind umzudenken und mitzuarbeiten. Dafür ist es auch notwendig, die Körpersprache des Hundes zu kennen.“ Wenig Chancen, das Verhalten zu korrigieren, sieht die Magdeburgerin im Fall von organischen Schäden oder wenn das Tier in seiner Prägephase psychische Schäden erlitten hat. „Das kommt häufig bei Hunden vor, die im Ausland gerettet und dann nach Deutschland geholt wurden – da kann man nicht einschätzen, was ihnen bereits widerfahren ist.“

Neben der Abschaffung der Rasselisten und der Einführung eines Führerscheins für Hundehalter sieht Kristeen Albrecht noch an anderen Stellen Handlungsbedarf in Bezug auf den richtigen Umgang mit Hunden. „Es wäre sinnvoll, Aufklärungsarbeit in Schulen zu leisten. So könnte man beispielsweise jungen Menschen beibringen, wie sie sich aggressiven Hunden gegenüber verhalten sollen.“ Auch dafür möchte sich die Magdeburgerin in Zukunft einsetzen. www.kristeen-hundetrainerin.de

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