Mit der Praxis lernen

Haben ihren Traumjob gefunden: Christoph Ilm, Justine Börner und Aaron Coumont gehören zu den Azubis, die zwei Wochen in einer Magdeburger Lidl-Filiale alle Fäden in der Hand hatten und dort ihr Wissen in die Praxis umsetzen konnten.

Nicht selten lösen sich die Vorstellungen vom Traumberuf in der Praxis auf und es folgt ein ernüchterndes Erwachen. Was dann? Berufswechsel? Besser ist es, im Voraus testen zu können, was zum Berufsleben gehört. Auch, ob das eigene Können zum jeweiligen Traumjob passt. Am besten noch in der Schule.

Machen wir uns nichts vor: Es gibt Theoretiker und Praktiker, die Interessen und Fähigkeiten gehen zumeist weit auseinander. Um genau das auszuprobieren, wird seit einigen Jahren als besondere Schulform das Produkive Lernen (PL) angeboten. Es ist vor allem eine Alternative für junge Menschen, denen die Praxis mehr liegt als der theoretische Unterricht. Sie können sich in mindestens fünf Berufen ausprobieren – in mehrwöchigen Praktika in Firmen, die sie sich selbstständig suchen müssen. Nicht selten stellen sie dann fest, dass der eigentliche Traumberuf gar nicht passt, oder sie lernen Berufe lieben, die ihnen zuvor nie in den Sinn gekommen sind. So gibt es beispielsweise die junge Frau, die unbedingt Frisörin werden wollte, dann aber in der Gastronomie ihre berufliche Erfüllung fand. Laut Statistik liegt die Erfolgsquote im Land bei durchschnittlich 80 Prozent, von Magdeburger Schulen ist bekannt, dass nur selten ein/e Schüler/in nach dem Produktiven Lernen keinen Ausbildungsplatz hatte. Der Vorteil liegt nämlich auf beiden Seiten: Die Schüler können sich ausprobieren und die Firmen lernen gleichzeitig die Talente der Praktikanten kennen und finden so leichter Nachwuchs, der zu ihnen passt.   

Das Produktive Lernen ist ein besonderes Angebot an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen für Schüler ab der 8. Klasse, die besser mit der Praxis lernen als im theoretischen Schulunterricht. Innerhalb von zwei Jahren werden mehrere Praktika absolviert und das Erlebte aus der Praxis später im Unterricht in der Theorie erklärt. Es gibt pro Woche drei Tage Praxis und zwei Tage Schule. Im Unterrricht wird besprochen, was in der Firma bereits praktiziert wurde – beispielsweise wie eine Kurbelwelle funktioniert und warum.  

Mittlerweile gibt es in Sachsen-Anhalt 24 Schulen, die Produktives Lernen anbieten, darunter die Magdeburger Sekundarschulen G. W. Leibniz und J. W. von Goethe, die übrigens in Kürze (April und Mai) Informationsabende zum PL veranstalten. Weitere Schulen gibt es u.a. in Wolmirstedt, Wanzleben, Salzwedel, Wernigerode, Aschersleben, Schönebeck, Wittenberg, Möckern, Sangerhausen und Halle. In Sachsen-Anhalt profitieren von diesem praxisbezogenen Unterricht 465 Mädchen und Jungen an Sekundar- und 289 an Gemeinschaftsschulen.

Eine weitere Alternative, sich im Berufsleben auszuprobieren, ist das Freiwillige Jahr nach dem Schulabschluss – kulturell oder sozial. Dabei hat beispielsweise Christoph Ilm aus Sangerhausen bemerkt, dass sein eigentlicher Traumberuf Erzieher nicht der richtige ist. „Zu viel Statistik und Büroarbeit“, sagt er. Anschließend begann er eine Ausbildung im Einzelhandel. „Die absolut richtige Entscheidung“ weiß er heute. Dieser Beruf, so sagt er heute, ist abwechslungsreicher als gedacht. Der junge Mann gehört zu den Azubis, die gerade das Zepter bei einem Discounter übernommen haben. Zwei Wochen lang wurde in einer Magdeburger Lidl-Filiale alles von Auszubildenden erledigt – von der Warenbestellung bis zur Abrechnung. Aaron Coumont, Abiturient aus Leipzig, ist als Filialleiter tätig, Christoph sein Stellvertreter. In zwei Schichten leiten sie die Filiale und können so ihre Kenntnisse und ihr Können austesten. Mehr Praxis geht nicht. Birgit Ahlert

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