Meisterliches in Ostelbien

Pst! Eine Radtour! Also eine Zwei-Rad-Tour. „Eigentlich wollten wir uns schon lange mal wieder zu einem Ausflug aufs Rad setzen. Aber bitte keine Berge, ich bin keine zwanzig mehr“, sagte Edwin. „Also Ostelbien“, meinte Ilka, Edwins Angebetete. „Flaches Land, so weit die Augen reichen. Allenfalls mal ein Waldrand, der sich wie ein Duschvorhang durch die Landschaft zieht.“ „Ja“, sagte Edwin, „so etwas meinte ich.“
Ilka ruft ihre Arbeitskollegin in der viertgrößten Stadt der BRD an, in Möckern. „Ihr interessiert Euch doch für Kultur?“, wollte sie wissen. „Für Geschichte? Für Dinge, die nicht jeder weiß?“ Ilka bestätigt ihr das. „Kann ich Euch mal auf eine Tour zu meisterlichen Altären schicken?“ Schweigen.

Die Isterbieser Dorfkriche.

„Altäre?“, fragt Edwin. „Kirchen? Gibt´s da Bier?“ Ilka zeigt Edwin einen Vogel. „Erzähl mal“, sagt sie ins Telefon. „Tryppehna, Zeddenick, Dalchau, Rosian, Isterbies sind fünf Orte allein im Möckeraner Stadtgebiet, in deren Kirchen es spätgotische Flügelaltäre gibt. Anfangs, das gebe ich zu, hat mich die Nachricht auch nicht gleich vom Hocker gerissen. Aber dann bin ich mal nach Isterbies gefahren. Dort ist im Anbau der Kirche der zentrale Informationspunkt für die ‚Straße der spätgotischen Flügelaltäre’. Da findet man, außer dem Altar in der Kirche, der sehenswert ist, sämtliche Informationen zu den Kirchen auf dieser Straße.“ „Und wie kommt man da hinein?“ „Es steht an der Kirche eine Telefonnummer und der Name dessen, den Du anrufen musst.

Schnitzaltar in der Kirche von Isterbies.

Aber Du kannst auch das Evangelische Pfarramt am Markt 2 in 39279 Loburg anschreiben und um Informationsmaterial bitten.“ Ja, sagte die Arbeitskollegin noch, dass sie mit einrechnen müssten, dass Möckern die einzige Großstadt in Deutschland mit mindestens einem freilaufenden Wolfsrudel sei. Da sollte man ein Körbchen mit Rotwein und Rührkuchen dabei haben, dass man den Wolf auf eine falsche Spur locken könne. „Hast Du denn schon welche gesehen?“, fragte Ilka erschrocken. „Ich? Nee. Aber alle anderen kreischen inzwischen bei jedem Pudel auf. Wobei sie da ja nicht Unrecht haben. Auch der stammt vom Wolf ab.“ „Ich seh’ schon“, antwortete Ilka, „Dir fehlt der nötige sittliche Ernst.“ Da ist die Arbeitskollegin aber längst bei der Schilderung der Dalchauer St.-Anna-Kirche, oder eben ihres Altars. „Darin findest Du die selige Jutta von Sangerhausen, eine Zeitgenössin Mechthilds von Magdeburg und Elisabeths von Thüringen. Die Damen kannten sich auch.

Schnitzaltar in der Kirche von Plötzky.

Jutta hatte einen Sangerhäuser Ritter geheiratet, der früh auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem verstorben ist. Ein Verwandter der Jutta, Anno von Sangerhausen, war der 10. Hochmeister des Deutschen Ritterordens. Die Deutschen Ritter hatten gerade Ostpreußen mit Feuer und Schwert erobert und gedachten es zu christianisieren. Jutta von Sangerhausen eilte nach Polen, weil sie dort das andere, das nächstenliebende Christentum zeigen wollte. Sie errichtete im damaligen Bildschön am Kulmer See ein Spital und pflegte Aussätzige. „Ach, wie Elisabeth von Thüringen“, fragte Ilka zurück. „Ja, Jutta ging aber dazu ins fremde Land. Übrigens verehrten die Polen um den Kulmer See die Deutsche auch während der deutschen Besatzung. Sie war immer das Bild des anderen Deutschen. Nur die Deutschen vergaßen sie ganz und gar. Erst vor einiger Zeit hat ihre Heimatstadt Jutta wieder entdeckt. Der Magdeburger Bildhauer Heinrich Apel hat ihr eine schöne Skulptur geschaffen, die heute in der Sangerhäuser Kirche, St. Ulrich, zu bewundern ist. Die Sonne ist ihr Heiligenattribut.“ „Und die steht in der Dalchauer Kirche?“ „Ja, einer kleinen, aber schönen romanischen Kirche mit einem außergewöhnlich großen Chorraum.“
Naja, und natürlich gibt es da noch die Kirchen in Hohenwarthe, in Lostau und. und. und... „Das spricht dafür, sich doch mal Informationsmaterial im Loburger Pfarramt zu besorgen.“
„Können wir mal versuchen“, brabbelt Edwin. „Ich kann das Bier ja im Beutel mitnehmen.“

Zurück