Mädchen für MINT begeistern

In welcher Form und wie genau sich das Elternhaus auf die Berufswahl von jungen Mädchen auswirkt, wird derzeit in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt an der Professur für Technische Bildung und ihre Didaktik unter der Leitung von Prof. Frank Bünning an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) untersucht. Das Ziel: Gendersensible Berufsberatungsangebote entwickeln, mit denen junge Frauen frühzeitig in ihrem MINT-Interesse gefördert, bestärkt und im Prozess der Berufswahl unterstützt werden, um damit dem Fachkräftemangel in MINT-Berufsfeldern in SachsenAnhalt entgegenzuwirken.

Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Steigerung ihrer Wirtschaftskraft sind Unternehmen in Sachsen-Anhalt auf qualitativ hochwertig und zeitgemäß ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Dabei haben die Unternehmen zunehmend mit den Folgen des demographischen Wandels in Deutschland zu kämpfen. Der seit Mitte der 1990er Jahre zu verzeichnende Rückgang der Studienanfängerzahlen in ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studiengängen schlägt sich in den heutigen Absolventenzahlen nieder. Vor allem Frauen sind in den klassischen MINT-Berufen (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und Studiengängen nach wie vor unterrepräsentiert. An der Ottovon-Guericke-Universität Magdeburg studieren in technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen lediglich 11 Prozent Frauen. Der Frauenanteil an den Vollbeschäftigten in Sachsen-Anhalt in MINT-Berufen liegt laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit bei 15,6 Prozent.

Ohne flankierende Maßnahmen wird dieser Anteil nicht weiter steigen, da sich unter anderem ein stetig sinkendes Technikinteresse und eine mangelnde Motivation zur Ergreifung eines MINT-Berufes bzw. -Studiums auf Seiten der Absolventinnen des allgemein- und berufsbildenden Schulsystems abzeichnet. Gestützt werden diese Beobachtungen unter anderem durch eine Untersuchung im Rahmen des Projekts IngWeb in Sachsen-Anhalt mit 816 Schülerinnen und Schülern der 8. bis12. Klasse, bei der nur 5,9 Prozent der befragten Mädchen angaben, eine technische Berufsausbildung oder ein technisches Studium anzustreben.

Somit ist es ist von entscheidender Bedeutung, Mädchen frühzeitig für den MINT-Bereich zu begeistern und einmal gewonnenes Interesse kontinuierlich entlang der Bildungskette aufrechtzuerhalten. Denn: Trotz guter schulischer Leistungen von Mädchen in MINT-relevanten Fächern und somit guten Eingangsvoraussetzungen, entscheiden sie sich häufig nicht für einen MINT-affinen Beruf. Offensichtlich scheinen hier noch andere Einflussfaktoren eine Rolle zu spielen.

So ist die individuelle Berufs- und Studienwahl von Jugendlichen geprägt von biographischen und strukturellen Faktoren, die schon lange vor der eigentlichen Berufswahlentscheidung wirken. In diesem Zusammenhang wird dem Elternhaus ein bedeutender Einfluss auf diesen Prozess zugeschrieben, da die Berufs- und Studienwahl als Teil des Sozialisationsprozesses im engen Zusammenhang mit der familiären Sozialisation steht. In bisherigen Studien wurde diese Zielgruppe ‚Eltern‘ als Einflussfaktor jedoch kaum berücksichtigt.

An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt „investMINT – Familiärer Einfluss auf das MINT-Interesse von Töchtern und Konzeption aktiver Beteiligungsformate zur gendersensiblen Berufs- und Studienorientierung“ der Fakultät für Humanwissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg an.

Es untersucht, wie genau sich der Einfluss des Elternhauses auf die Berufswahl von jungen Mädchen auswirkt. Dabei werden Fragebögen und (Fokusgruppen-)Interviews als Erhebungsinstrumente eingesetzt. Bislang wurden über 2.300 Fragebögen beantwortet und jeweils sieben Gruppeninterviews der Zielgruppen Schülerinnen und Lehrer sowie über 20 Einzelinterviews mit Eltern durchgeführt und ausgewertet.

Aus den gewonnenen Ergebnissen lassen sich Unterstützungsangebote, Handlungsempfehlungen und Strategien zur Umsetzung einer gendersensiblen Berufsorientierung für MINT-Berufe und Studiengänge ableiten. Hierdurch kann das Potenzial der weiblichen Humanressourcen für den Arbeitsmarkt der MINT-Berufe in Sachsen-Anhalt gezielt genutzt und damit dem Fachkräftemangel entgegenwirkt werden.

Weitere Auswertungen dieser Untersuchung zeigen, dass sich alle Befragten für mehr Praktika und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schulen und regionalen Unternehmen aussprechen, sodass die heranwachsenden Mädchen Berufe hautnah erleben können. Außerdem lässt sich ein Bedarf an mehr Informationen zu regionalen Beschäftigungsperspektiven, Berufen bzw. Vorträgen zu aktuellen Berufsfeldern konstatieren. Bisherige Unterstützungsformate, wie beispielsweise Berufsmessen gelten weiterhin als attraktiv und werden von den Befragten auch wahrgenommen.

Ferner sind Unterschiede in Bezug auf die Erziehung und Erwartungen an Söhne und Töchter erkennbar. Hier ist in Familien häufig ein stereotypisches Bild verankert, welches verhindert, dass Mädchen sich für MINT-Berufe entscheiden.

Auf Basis dieser Forschungsergebnisse sollen Angebote konzipiert werden, die zur Identifizierung, Sensibilisierung, Förderung des Interesses und zur Motivation von jungen Frauen zur Berufsentscheidung für den MINT-Bereich beitragen. Gleichzeitig soll der Berufsorientierungsprozess der Schülerinnen unterstützt, ein Bewusstsein für MINT-Berufe geschaffen und die Möglichkeit des Kennenlernens der MINT-Berufsfelder ermöglicht werden. InvestMINT lohnt sich – besonders für Sachsen-Anhalt.

Wer das Projekt unterstützen möchte, kann die Fragebögen unter www.investmint.de ausfüllen (Ausfülldauer max. fünf Minuten). Frank Bünning

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