Luftsprünge, Zeppeline & Raketen - Teil 3

Der Griff nach den Sternen

Der Flugplatz im Süden von Magdeburg an der Leipziger Chaussee Ende der 1930er Jahre.

Magdeburg bot Entwicklern und Visionären die technischen Voraussetzungen für die Weiterentwicklung des Flugzeugbaus sowie vor allem auch für wegweisende Versuche zur bemannten Raumfahrt. Ein anderes Kapitel der Fluggeschichte schrieb der Ingenieur Rudolf Nebel, der mit einem Raketenstart der Elbestadt Weltruhm bescheren wollte. Dieser wissenschaftliche Geniestreich reiht sich ein in den Gründerboom der Magdeburger. Ohne den ersten Start einer Flüssigrakete gäbe es kein Cape Canaveral oder kein Kosmodrom in Baikonur.

Die Raketenantriebe lassen sich bis in das siebente Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurückverfolgen. Die Chinesen konnten schon im 12. Jahrhundert mit explodierendem Pulver aufwarten, das aus einer Mischung aus Akaziensamen, Schwefel und Salpeter bestand. Die „Pfeile des fliegenden Feuers” beflügelten die Fantasien, dieses Antriebsmittel nicht nur für Kriegstechnik, sondern auch für die bemannten Flüge zu nutzen. Überliefert soll ein Versuch sein, mit dem der Mandarin Wan Hu im 16. Jahrhundert mittels Raketentechnik in den Himmel aufsteigen wollte. Man befestigte 47 Feuerwerksraketen an einem Stuhl, die allerdings nach der Zündung allesamt explodierten. Vom ersten chinesischen Astronauten und dem „Feuerstuhl” fehlt jede Spur.

Im 20. Jahrhundert begannen wagemutige Männer, mit Raketenautos und raketengetriebenen Flugzeugen zu experimentieren. Impulsgeber war das Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen” von Hermann Oberth. In Berlin gründete sich 1927 sogar ein Verein für Raumschifffahrt. Rudolf Nebel sammelte enthusiastische junge Leute um sich, die sich mit dem Rückstoß beschäftigten.  Erste Tests auf dem extra gegründeten Raketenflugplatz Berlin-Reinickendorf waren zwar vielversprechend, brachten den Wissenschaftlern jedoch nur den Ruf als die „Narren von Tegel” ein. Zu ihnen zählte auch Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun, der als deutscher und später US-amerikanischer Raketeningenieur ein Wegbereiter der Raketenwaffen und der Raumfahrt war.

Der Start der Magdeburger Pilotenrakete in Mose bei Wolmirstedt im Jahr 1933. Fotos: Stadtarchiv Magdeburg, Postkartensammlung „Annemarie und Johannes Lück” der Stiftung Kunst und Kultur der Stadtsparkasse Magdeburg

Von den Experimenten auf dem Raketenflugplatz hörte man auch in Magdeburg. Die Stadtväter wollten aus der Raketeneuphorie der damaligen Zeit Kapital schlagen. Den Geschäftsmann Franz Mengering schickte man daher im Jahr 1932 mit der Einwilligung der Magdeburger Ratsherren im Gepäck mit einer phantastischen Idee zu Nebel.  Um die Stadt aus dem Dornröschendasein zu befreien, solle Nebel eine Flüssigkeitsrakete entwickeln, die man dann von Magdeburg aus starten lassen könne. Die Stadt wäre sogar bereit, die notwendigen Kredite zu besorgen. Es trafen das Geltungsbedürfnis der Ratsherren und der chronische Geldmangel des Tüftlers und Leiters des Berliner Raketenflugplatzes Rudolf Nebel zusammen. Nebel war es schließlich egal, wo die Raketenversuche stattfanden. Er versprach eine Rakete zu bauen, die zwanzig Kilometer hochfliegen würde. Ein Passagier an Bord sollte den Flug bis in tausend Meter Höhe mitmachen und dann mit dem Fallschirm abspringen. Der Start wurde für den März 1933 angesetzt. Sogar einen Testflieger hatte man schon gefunden. Als „Raketen-Pilot” war Kurt Heinisch von den „Narren von Tegel” vorgesehen.

In Magdeburg setzte ein Propagandarummel sondergleichen ein. Die erste Rakete mit einem Menschen an Bord sollte bereits 1933 an der Elbe starten. Als der Termin des Raketenstarts im März 1933 verstrich, wurden die Magdeburger ungeduldig. Zur Beruhigung seiner Geldgeber kündigte Nebel für den 20. Mai 1933 einen Probeaufstieg einer unbemannten Rakete auf dem Gut Mose bei Wolmirstedt an. Hier startete am 29. Juni 1933 die „Magdeburger Pilotenrakete”, eine Flüssigtreibstoff-Rakete in Vorbereitung des allerersten bemannten Raketenfluges. Rudolf Nebel und sein Team schickten eine Rakete mit 200 Kilo Startgewicht und einer Höhe von 6,5 Meter auf die Reise. Beim Start verkantete sich die Rakete am Startgestell, flog 30 Meter hoch, in waagerechter Richtung etwa 60 Meter weit und schlug nach 10 Sekunden auf den Boden auf. Das Raketentriebwerk kann als „Großmutter“ der Antriebe späterer Großraketen bezeichnet werden. Es war die Geburtsstunde der modernen Raumfahrt. Der unbemannte Raketenstart von Mose wurde von der „Fox Tönenden Wochenschau“ gefilmt. Die Raketenteile wurden in einer Scheune des Gutes zusammengebaut. Zu einem bemannten Versuch ist es nicht mehr gekommen. Das Modell der Pilotenrakete sowie andere Exponate der Luftfahrtgeschichte kann man heute im Technikmuseum Magdeburg bestaunen. Ronald Floum

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