Liebenswerter Kiez mit Geschichte

Das Ulrichstor, das die Grenze zur Wilhelmstadt markierte, im Jahr 1899.

Stadtfeld im Wandel – vom Ackerland vor den Toren Magdeburgs zur urbanen Wohnlandschaft
Im Mittelalter trugen die fruchtbaren Äcker und Wiesen auf der heutigen Fläche Stadtfelds zur Versorgung der Magdeburger Menschen bei. Besiedelt mit dem Schrotdorf im Norden und Rottersdorf im Süden waren Siedlungen auf dem heutigen Stadtteilgebiet vorhanden. Rottersdorf wurde bereits im 10. Jahrhundert als Besitz des Moritzklosters erwähnt, Schrotdorfs erste Erwähnung fällt in das Jahr 1182. Bereits um 900 wird das im Bereich des heutigen südlichen Lindenweilers gelegene Dorf Harsdorf als Eigentum eines Klosters aufgeführt. Seit dem 16. Jahrhundert lagen diese Orte wüst. Magdeburg wuchs im Laufe der Jahrhunderte zur stärksten Fes-tung Europas heran. Zu Zeiten des „Alten Fritz” nahm die Festung 200 Hektar ein, das Areal der Elbestadt dagegen nur 120 Hektar. Die Ausdehnung der Stadt war eng begrenzt. Seit dem 18. Jahrhundert gehörte das Gebiet, für das sich bereits die Bezeichnung Stadtfeld eingebürgert hatte, zum Vorgelände der Festung Magdeburg und unterlag damit erheblichen Baubeschränkungen, die im sogenannten Reichsrayongesetz von 1871 festgelegt wurden. Hier waren nur leicht demontierbare Fachwerkgebäude zulässig – die Rayonhäuser prägten das Straßenbild.

Blick auf die Große Diesdorfer Straße aus dem Jahr 1920.

Doch die Bevölkerung zwischen 1815 und 1840 wuchs rasant. Es war der prozentual größte Bevölkerungsanstieg einer deutschen Stadt in diesem Zeitraum. Wohnverhältnisse, der Mangel an Licht und Luft und die sanitären Anlagen waren schlichtweg katastrophal. Zwischen 1780 und 1846 wuchs die Bevölkerung um das Doppelte, der verfügbare Raum blieb hingegen gleich. Das stete militärische Interesse prägte die gesamte Stadtentwicklung und bremste städtebauliches wie auch wirtschaftliches Wachstum aus. Erst in den 1870er Jahren wurden die strengen Festungsbestimmungen gelockert. Der Drang zur Industrialisierung setzte den Magistrat unter Druck. Magdeburg brauchte Platz und keine Festungen. Ab 1860 begann die Diskussion um die Eingemeindung der Vorstädte – es mangelte überall an Wohnraum. Es kam zu einer sprunghaften Expansion in alle Richtungen: Die Einwohnerzahl verdreifachte sich, Magdeburg entwickelte sich zu einem industriellen Zentrum. Wasser und Schienen trugen wesentlich dazu bei und es wuchs ein Verkehrsknotenpunkt wichtiger Linien. Als 1896 die Festungsvorschriften aufgehoben wurden, setzte in Stadtfeld eine rege Bautätigkeit ein. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde vorwiegend der südliche Bereich durch das Anlegen eines rechtwinklig verlaufenden Straßennetzes erschlossen. Es entstanden die für die Gründerzeit typischen mehrgeschossigen Mietshäuser, die hauptsächlich vom wohlhabenden Bürgertum bezogen wurden. Durch königlichen Erlass wurde der Stadtteil 1892 in „Wilhelmstadt“ umbenannt.

Leistungsschau in der 1921 errichteten Halle „Land und Stadt”, nach 1945 Hermann-Gieseler-Halle.

Am 1. April 1912 kam mit Aufhebung der Fes-tungskommandantur das endgültige und von vielen Magdeburgern ersehnte Ende der Festungszeit. Im Rahmen des städtischen Siedlungsprogramms wurde ab 1924 im nordöstlichen Bereich die Siedlung Westernplan in gemischter Bauweise errichtet. Während in der Anfangsphase nur einstöckige Gebäude gebaut wurden, kamen später mehrgeschossige Wohnkomplexe hinzu. Zuletzt entstanden im Südteil des Westernplanes einige Straßenzüge mit Zweifamilienhäusern.

Die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg hinterließen auch in Stadtfeld schwere Schäden. In der Großen Diesdorfer und Annastraße sowie in der Ebendorfer Straße wurden zahlreiche Gebäude beschädigt. Zu DDR-Zeiten wurden lediglich die Kriegsschäden beseitigt und Lückenbebauungen vorgenommen, sodass der Stadtteil seinen ursprünglichen Charakter behalten hat. Nach zahlreichen Neubauten im gesamten Stadtgebiet setzten die Wohnungsbau-Verantwortlichen ab 1967 auch in Stadtfeld auf Plattenbau. In der heutigen Martin-Agricola-Straße steht mit 220 Metern Magdeburgs längster Wohnblock. Und auch ein Prominenter erblickte in Stadtfeld das Licht der Welt: Rolf Herricht (1927–1981), Schauspieler und Komiker, wurde in der Friesenstraße Nr. 14 geboren. Sein Geburtshaus überstand den Zweiten Weltkrieg nicht.

Von Magdeburg nimmt ein Frühlicht seinen Lauf: Die erst große Siedlung des „Neuen Bauens” an der Großen Diesdorfer Straße – die Beimssiedlung, die von 1925 bis 1929 erbaut wurde.

Mit der Wende spaltete sich Stadtfeld auf: Stadtfeld Ost und West heißt es seit 1991. Der westliche Stadtteil erstreckt sich entlang des Straßenzuges Westring/Europaring bis zum Kümmelsberg/ Diesdorfer Graseweg, wo sich der Stadtteil Diesdorf anschließt. Wie in ganz Magdeburg schwanden auch in Stadtfeld die Anwohner. 1993 wohnten in Stadtfeld Ost 24.124 Einwohner. Bis 1997 sank die Zahl auf 19.914. Trotzdem war Stadtfeld Ost ein beliebter Wohnort und damit der bevölkerungsreichste Stadtteil der Elbestadt. Mittlerweile steigt die Bevölkerungszahl deutlich an. 2016 wohnten in Stadtfeld Ost 26.116 Einwohner, im westlichen Stadtfeld waren es 14.733.

Was Stadtfeld einst und jetzt so beliebt macht, ist seine gewachsene Wohnkultur. Verschont von indus-triellen Großansiedlungen zählt der Stadtteil zu den begehrtesten Adressen. Die Wohnungen an der Goetheanlage, der Olvenstedter Straße, der Großen Diesdorfer Straße und den zahlreichen kleinen Seiten- und Nebenstraßen zählen bei den Magdeburgern zu den beliebtesten Wunschwohnorten. Prächtige sanierte Bürgerhäuser, rationell gefertigte Altneubauten und die „Platte” sind ebenso gefragt wie die umgebauten Kasernenanlagen oder nach der Wende neuerrichtete Gebäude und Seniorenwohnanlagen. Was den Stadtteil so beliebt macht, ist sein Kiezcharakter, mit dem sich die Stadtfelder gerne identifizieren.

Einige Textpassagen und Bilder sind mit freundlicher Genehmigung dem Buch „Die Chronik von Magdeburg-Stadtfeld”, dr. ziethen verlag Oschersleben (ISBN 978-3-86289-133-7), entnommen.

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