Keine Spur von Barrierefreiheit

Gestern und heute: Im Haus Peter Zincke hat sich nicht nur äußerlich etliches verändert. Foto: WuP Magdeburg

Forschen Schrittes geht Jeanette Nötzold durch das Haus Peter Zincke der Wohnen und Pflegen Magdeburg gGmbH und versucht sich zu erinnern, was sich seit dem Mauerfall verändert hat. Das denkmalgeschützte Gebäude in der Hesekielstraße wurde bereits 1897 als Feierabendheim eingeweiht. Erst ein Jahrhundert später, genauer 1998, wurde die Pflegeeinrichtung komplett saniert und teilweise neu errichtet. „Mit den heutigen Zuständen in der Pflege kann man das nicht vergleichen“, meint Jeanette Nötzold, die seit 1990 als Pflegefachkraft und seit 2010 als Einrichtungsleiterin des Hauses Peter Zincke tätig ist.

„Die Ausstattung war spärlicher. Es gab in den zwölf Zimmern des Erdgeschosses Nachtspeicheröfen und die restlichen Zimmer in der zweiten und dritten Etage waren mit Kachelöfen ausgestattet. Dementsprechend groß war die Aufregung, wenn der Schornsteinfeger kam, weil alles abgedeckt werden musste“, erzählt die Einrichtungsleiterin. Auch fließendes Wasser habe es in den Obergeschossen nicht gegeben. „In Zehn-Liter-Eimern wurde das transportiert und warmes Wasser wurde mit Waschschüsseln verteilt.“ Gemeinschaftsduschen und -toiletten waren die Normalität. Auf der Suche nach Kollegen, die ebenso lang in der Pflege tätig sind, fallen ihr noch weitere Details ein. „Wir hatten keine Rufsystemtechnik. Wenn ein Bewohner im Notfall auf sich aufmerksam machen musste, tat er das mit seiner Stimme oder einer Klingel. Manchmal konnte man am Klang der Schelle heraushören, um welchen Bewohner es sich handelt.“

Jeanette Nötzold wird fündig, als sie ihre Mitarbeiterinnen Kathrin Exner und Sabine Pilz im Haus antrifft. Gemeinsam sinnieren sie über ihre persönlichen Anfänge in der Pflege. Wasser zu schleppen war nicht das Einzige, was den Alltag körperlich anstrengend machte. „Wir hatten nicht so ausgereifte Hilfsmittel wie heute“, sagt Sabine Pilz. „Es gab nur eine Pflegewanne für das gesamte Haus. Die Betten funktionierten mechanisch – mit Hilfe unserer Kraft – und die Rollstühle kann man nicht mit denen von heute vergleichen.“ Auf einen Fahrstuhl mussten Bewohner und Personal damals ebenfalls verzichten.

Das denkmalgeschützte Gebäude wurde 1897 als Pflegeheim eröffnet und 1998 grundlegend saniert. Foto: WuP Magdeburg

Weniger aufwendig war die Dokumentation. „Für jeden Bewohner gab es einen Ordner“, so Jeanette Nötzold. „Darin befanden sich ein Blatt, auf dem Besonderheiten oder Telefonnummern vermerkt wurden, sowie der Sozialversicherungs- und der Personalausweis. Da es nur eine Krankenkasse gab, war alles übersichtlicher. Die Kosten für das Pflegeheim wurden mit dem Sozialhilfeträger abgerechnet – 105 Mark mussten Heimbewohner zahlen, für Pflegepatienten kostete der Platz 120 Mark. Das wurde jeden Monat von der Rente abgezogen, die Differenz bekamen die Bewohner ausgezahlt.“ Heute sei die Arbeit am PC zwar einfacher, der Aufwand aber größer, da viel mehr dokumentiert werden muss. „Diese Zeit könnten wir effektiver für die Bewohner nutzen.“

Kathrin Exner schmunzelt, als ihr noch ein Detail einfällt. „Einwegmaterialien gab es auch nicht. Alles musste gesäubert, getrocknet und sterilisiert werden – von Kanülen bis hin zu Spritzen. Verbandsmaterial wie Mullplatten oder Tupfer haben wir zum Sterilisieren in die Poliklinik Nord gebracht. Unsere Handschuhe hingen nach dem Desinfizieren nebeneinander an der Leine. Sobald sie trocken waren, mussten wir sie von der linken Seite pudern.“ Manches war eben früher einfacher, anderes ist heute unkomplizierter sind sich die Damen einig. Tina Heinz

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