In der digitalen Hängematte

Ein kleiner Blick in eine mögliche Zukunft

Ein wunderschöner Sommerabend in Magdeburg. Wir steigen in das autonome Auto ein, das vor dem Restaurant schon auf uns gewartet hat, nennen das Ziel und es geht los, nach Hause. Wir haben es uns im Fonds bequem gemacht, mit 4 Glas Rotwein sollte man nicht mehr selbst fahren, aber das macht ja heute ohnehin kaum noch jemand. Es wird aus Sicherheitsgründen auch bald verboten werden, war letztens online zu lesen. Der Beruf des Taxifahrers ist zwar schon seit vielen Jahren ausgestorben, dafür haben wir aber autonom fahrende Elektroautos. Nun ja, es hat gedauert bis hierhin.

Wir schreiben jetzt das Jahr 2032 und man erinnert sich nicht gern an die zwanziger Jahre, in denen sich nahezu alles durch diese sogenannte „Künstliche Intelligenz“, kurz KI genannt, verändert hat.  Das reinste Chaos. Trotzdem waren alle wie verrückt nach dieser Digitalisierung. Die Regierung überschlug sich mit Förderprogrammen, die Industrie arbeitete an ihrer Version 4.0, automatisierte und entließ permanent Leute, die klassische Verwaltung rationalisierte sich selbst und machte sich fast völlig überflüssig, Präsenzpflicht an Schulen war nahezu abgeschafft, alle Schüler oder Studenten lernten ohnehin nur mit Tablet und online-Veranstaltungen. Das musste nicht in den engen, muffigen oder sogar desolaten Räumen früherer Schulen oder überfüllten Hörsälen  geschehen. Man konnte auch am Elbufer oder im Gartenlokal sitzen. Ach Gott, wenn ich hier alles aufzählen müsste, was sich geändert hat. Diese sinnlosen Streiks am Anfang der Entlassungswellen  waren ohnehin schon lange vorüber. Ordentlichen Krach hatte es allerdings beim Wiederaufbau der Elektroversorgung mit Kernenergie gegeben. Na ja, aber die Elektroautos brauchen ja auch viel Strom. Da musste man schon eine kleine Rolle rückwärts machen. Es gab aber auch wirklich ganz erfreuliche Dinge. Das bedingungslose Grundeinkommen war Ende der zwanziger Jahre endlich Gesetz geworden und wir hatten jetzt einfach Zeit, uns um die schönen Dinge des Lebens wie Kunst oder Literatur zu kümmern oder uns eben auch dem wunderschönen Müßiggang hinzugeben. Hatten nicht unendlich viele Generationen davon geträumt? Die KI und die Roboter erledigten von der Industrie- und Verwaltungsarbeit über den Haushalt sowieso alles und unsere alten Eltern waren froh, dass sie jetzt von liebevollen und empathiefähigen künstlichen Helfern gepflegt wurden.

Es könnte alles so schön sein, wenn nur diese schrecklichen neuen Krankheiten nicht wären, die so ganz still und heimlich unsere Lebenserwartung reduzieren. Es gab früher massenweise Studien dazu, solche, die eine Erhöhung der Sterblichkeit als Verschwörungstheorie bezeichneten und solche, die vor Elektrosmog warnten. Gut, es ist schwierig, heute letztere zu bekommen, denn Google hat im Interesse der Volksgesundheit und der richtigen, progressiven Lebensauffassung schon lange damit begonnen, den Bürgern nur noch aufbauende und zum Frohsinn führende Informationen zur Verfügung zu stellen. Aber sie wissen ja, wie das ist. Es gibt stets jemanden, dem das alles nicht passt und es wird diese subversiven Typen und Meckerer immer geben, die das jeweilige glückliche Leben kritisch hinterfragen und Zweifel schüren. Und manchmal braucht man tatsächlich auch solche Leute. Wir haben uns jedenfalls im Darknetz Unterlagen besorgt, die der Meinung sind, dass die Plage der neuen Krankheiten mit dem Mobilfunkstandard 5G begonnen hat. Vielleicht können Sie sich erinnern: 2019 wurde dieses superschnelle Netz eingeführt, um die Industrie 4.0 und vor allem auch das autonome Fahren zu ermöglichen. Im Zusammenhang mit der Digitalisierungswelle wurden auch solche Dinge wie das IoT, also das Internet der Dinge, überall eingesetzt, um – ein schönes Bonmot aus der damaligen Zeit – jede Milchkanne identifizieren zu können. Dazu brauchte man diese RFID-Technologie, Sie wissen schon, diese kleinen Chips, die heute auf jedem Gegenstand zu finden sind und die an der Kasse über Scanner ausgelesen werden. Also, na ja, die Milchkanne muss jedenfalls erfassbar sein, sonst kann der Melkroboter sie nicht finden und später auf den richtigen Lkw auf dem Hof stellen. Aber ich schweife ab.

Also dieser 5G-Standard: Mit der Physik ist das so eine Sache. Sie fügt sich einfach demokratischen Regeln nicht. Wenn die Wellenlänge immer kürzer wird, dann kommt die elektromagnetische Strahlung nicht mehr durch die Haus- oder Zimmerwand. Das wundert bei Licht natürlich niemanden, aber bei den 5G-Wellenlängen ist das auch schon ein bisschen so. Man muss also die Strahlungs- also die Sendeenergie erhöhen, um die Absorption und Dämpfung in der Wand auszugleichen. Und zu allem Übel ändert sich auch das Ausbreitungsverhalten der Wellen. Sie werden geradliniger, die Beugungsfähigkeit verringert sich. Ebenso wie bei einer Taschenlampe: man kann nicht um die Ecke leuchten. Sie wissen ja, dass damals als Konsequenz aus dieser Misere nun auf jedes Haus, möglichst noch an jeder Straßenlaterne eine 5G-Antenne aufgestellt werden musste. Auf dem Land, insbesondere auf den Landstraßen, auf denen die autonomen Autos fahren sollten, war das zwingend. Es gab damals, also vor 13 Jahren schon Leute, die gesundheitliche Risiken sahen. Wir haben da einen uralten Artikel aus dem „Tagesspiegel“ vom 12. Januar 2019 im Darknetz gefunden. Da heißt es:  Mit dem neuen 5G-Standard sollen Funktechnologien demnächst flächendeckend alle privaten und öffentlichen Räume durchdringen. Und weiter: „Die Technologie für den Mobilfunk steht im Verdacht, die Gesundheit zu schädigen. Aber die Regierungen fördern den Ausbau unbeirrt … Dabei handelt es sich keineswegs nur um einige wenige „elektrosensible Aluhutträger“, wie der ein oder andere vielleicht spöttisch meinen möge. Auch die Zahl namhafter Wissenschaftler sowie Ärzte, welche vor 5G warnen, wächst weltweit. Einige richteten jüngst sogar einen Appell an UNO, WHO und die EU. Das Ziel – nicht weniger als der sofortige Stopp des 5G-Ausbaus“.

Da warnten damals zwei US-Radiologen in einem Brandbrief im International Journal of Radiation Oncology: „5G ist Russisch Roulette“. Der „Tagesspiegel“ zitierte die Meinung eines Experten: „Es gibt fünf öffentlich bekannte Untersuchungen zu 5G mit besorgniserregenden Ergebnissen: Mikrowellenstrahlung im Millimeterwellenbereich – mit welchen das hochfrequente 5G zukünftig arbeiten soll, also 27 GHz und 60 GHz, koppelt sich z. B. über Hautdrüsen in den Organismus ein, mit unkalkulierbaren Risiken.“ Sie wissen ja, wie das ausgegangen ist. Natürlich interessierte das niemanden und heute leben wir schon 13 Jahre mit 5G und seinen Nachfolgern.  Nur diese schrecklichen neuen Krankheiten und die drastische Lebensverkürzung…,  aber was soll´s. Die Digitalisierung hat uns alle glücklicher gemacht.

Gestern kam in einer Sendung im Europäischen 2. Kanal (sogar auf Deutsch, stellen Sie sich das vor), dass es schon immer „besorgte Bürger“ gab, ängstliche, abgekoppelt vom technologischen Fortschritt usw. Das war schon bei der Einführung der Dampfeisenbahn so. Doch die Europäische Bundesregierung kann es sich natürlich nicht so einfach gefallen lassen, dass hier Defätismus über dunkle Kanäle verbreitet wird. Wir werden deshalb alle diese verbotenen Berichte, die wir aus dem Darknetz haben, in der Sammelstelle für „Hassliteratur“ abgeben. Sehen Sie, das ist auch ein Vorteil des „Autonomen Fahrens“. Man hat mehr Zeit zum Nachdenken. Prof. Dr.-Ing. habil. Viktor Otte

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