350 Jahre Magdeburger Zeitungsgeschichte

Rotationsdruck in der Faberschen Buchdruckerei um 1920. Foto: Stadtarchiv

Der Buchdruck hat die Welt verändert. Ohne ihn wäre die Verbreitung der Reformationsgedanken am Ausgang des Mittelalters nicht denkbar gewesen. Ein kleiner historischer Streifzug durch die Druck- und Zeitungsgeschichte in Magdeburg.
Als Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg (geb. um 1400 in Mainz; gest. 3. Februar 1468 ebenda), mit beweglichen Metalllettern den modernen Buchdruck erfand und damit die Grundlage für ein Vervielfältigungsverfahren von Schriftwerken legte, verbreitete sich die Methode in Europa rasant. Endlich hatte das Abschreiben von Hand ein Ende. Der ältes-te in Magdeburg verbriefte Drucker hieß Ambrosius Kirchner. 1559 soll er in Magdeburg zu drucken begonnen haben. Ihm folgten Wolfgang Kirchner, der Verleger der „Wöchentlichen Zeitungen“, einer Vorläuferin der späteren „Magdeburgischen Zeitung“ und des 1584 herausgegebenen „Magdeburger Gesangbuches“.
Um 1595 begann Andreas Duncker in der Elbestadt zu drucken. Er hatte in die Kirchnersche Familie eingeheiratet. Als Duncker 1604 mit seiner Druckerei nach Braunschweig übergesiedelt war, folgte ihm in Magdeburg der Verwandte, Andreas Betzel, nach.
Betzel soll ursprünglich einem in Rothenburg ob der Tauber ansässigen, dann aber nach Plauen, Vogtland, verpflanzten Patriziergeschlecht, angehört haben. Von seinen Drucken sind erst solche aus dem Jahre 1618 und nachfolgende erhalten. Auch konnte er sich samt Buchdrucker vor der Zerstörung Magdeburgs 1631 retten. Die Druckmaschinen hatte er im Augustinerkloster in Sicherheit gebracht. Die Kaiserlichen Truppen hatten das Klostergebäude vor der Vernichtung durch das Feuer bewahren können. Bereits 1632 druckte Betzel wieder in Magdeburg. Aus dieser Zeit sind zwei Flugblätter politischen Inhalts im Magdeburger Stadtarchiv aufbewahrt. Offensichtlich konnte sich Betzel mit seinem Gewerbe nicht dauerhaft in Magdeburg behaupten. So druckte er zeitweise in Zerbst. Aber es tauchen zwischenzeitlich wieder Druckschriften wie beispielsweise 1640 die „Kayserliche Privilegia der Stadt Magdeburg“ und die „Gerichtsordnung“ auf, die in Magdeburg erstellt worden sind. 1646 siedelte Betzel dauernd nach Zerbst über, kaufte vom dortigen Gymnasium die Universitäts-Buchdruckerei, deren erster Leiter und zugleich erster Drucker Bonaventur Faber war. Die Magdeburger Druckerei überließ er seinem Schwiegersohn, Johann Müller dem Älteren, der zuerst noch im Augus-tinerkloster druckte.
Müller hatte scheinbar neben dem „Magdeburger Gesangbuch“ auch die „Wochentlichen Zeitungen“ wieder aufleben lassen. Später übernahm dessen Sohn Andreas Müller (1677 - 1737) die Druckerei. 1730 verband sich Andreas Müller mit Gabriel Gotthilf Faber (28.08.1967), dem Bruder von Christian Leberecht Faber, der seit 1709 in der Neustadt einen Druckereibetrieb unterhielt. Gabriel Gotthilf Faber heiratete schließlich die Tochter von Andreas Müller wurde dadurch Mitbesitzer von dessen Druckerei. 1731 sind von Müller-Faber 14 Verlagsartikel bekannt, darunter auch die „Magdeburgische Zeitung“. 41 Jahre stand Faber an der Spitze des früher Müllerschen Geschäftes. Dessen Sohn Carl Friedrich Faber (geb. 1739, gest. 1823) gab kurz nach der Übernahme des väterlichen Geschäfts die neue Zeitschrift „Der Wohlthäter“ heraus. Er baute die „Magdeburgische Zeitung“ weiter aus und änderte von 1774 ab den Titel der Beilage in „Anzeiger gemeinnütziger Bücher“.
Nach der Besitzergreifung Magdeburgs durch die Franzosen begann für die „Magdeburgische Zeitung“ und ihren Verleger eine traurige Zeit. Als die französische Regierung eine Zeitungssteuer von 50 Centimes pro Exemplar und Quartal ausschrieb und dadurch das Geschäft erschwerte, entschloss sich Faber 1809, Druckerei und Zeitung seinem Neffen Friedrich Heinrich August Faber abzutreten. Erst nach der Befreiung von den Franzosen gelang es ihm, an die „Magdeburgische Zeitung“ wieder erfolgreich herauszugeben. Vom 1. Januar 1892 erschien die Zeitung mit Ausnahme des Sonntags täglich, statt bisher dreimal wöchentlich.
Das alte Faberhaus mit Expedition und Inseraten-Annahme befand sich einst am Breiten Weg  6. 1875 kamen neue Geschäftsräume mit Verwaltung, Verlagsbuchhandlung, Redaktion, Wetterwarte und Druckerei in Bahnhofstraße 17 dazu. Die „Magdeburgische Zeitung“ war bis 1944 die älteste deutschsprachige Zeitung, sie erschien 1664 bis 1944 ununterbrochen in Magdeburg und war im kaiserlichen Deutschland nationalliberal ausgerichtet. Ein prominenter Mitarbeiter der „Magdeburgischen Zeitung“ war beispielsweise Erich Everth (geb. 3. Juli 1878 in Berlin; gest. 22. Juni 1934 in Leipzig), er war ein deutscher Kunsthistoriker, Journalist und der erste ordentliche Professor für Zeitungswissenschaft in Deutschland. Er zählte neben Otto Groth und Emil Dovifat zu den Begründern der Zeitungswissenschaft in Deutschland. Ernst von Niebelschütz (geb. 25. Februar 1879 in Frankfurt an der Oder; gest. 12. Februar 1946 in Magdeburg) war ebenfalls Kunsthistoriker, Redakteur und Schriftsteller. Dessen Sohn, der Schriftsteller Wolf von Niebelschütz (1913–1960) wurde als Dichter, Romancier und Essayist bekannt und arbeitete ebenso für die „Magdeburgische Zeitung“. Der Abiturient des Domgymnasiums Magdeburg, Friedrich Schrader (1865–1922), war bis 1918 Korrespondent in Konstantinopel. Er galt 1908 als Mitbegründer und bis 1917 stellvertretender Chefredakteur der deutsch- und französischsprachigen Istanbuler Tageszeitung „Osmanischer Lloyd“ (Lloyd Ottoman). Sein bekanntestes Buch ist „Konstantinopel in Vergangenheit und Gegenwart“ (1917). Seine literarische Essaysammlung über die Geschichte der multikulturellen Bosporusmetropole wurde übrigens 2015 in türkischer Sprache neu aufgelegt.
Die 1890 gegründete, damals sozialdemokratische Tageszeitung „Volksstimme“ erreichte vor dem Ersten Weltkrieg eine Auflage von 34.000 Exemplaren und wurde 1933 von den Nationalsozialisten verboten. Im August 1947 wurde die SES Herausgeber der Zeitung. Seit 1952 war sie offizielles Organ der SED-Bezirksleitung Magdeburg. Die Redaktion sagte sich am 19. Januar 1990 von ihrem Herausgeber los, wurde zeitweise in Eigenregie erstellt. Eine Übereignung an die Belegschaft erfolgte nicht. Die SPD als früherer Eigentümer gab ihren Eigentumsanspruch auf. So verkaufte die Treuhandanstalt 1991 bei 13 vorliegenden Geboten zur Privatisierung die im früheren Magdeburger Pressehaus von Fritz Faber residierende „Volksstimme“ an die Hamburger Bauer Verlagsgruppe (heute Bauer Media Group).
Mit der politischen Wende in der DDR und der Deutschen Einheit 1990 erlebte die Zeitungslandschaft in Magdeburg einen regelrechten Boom. Überregionale Zeitungen wie BILD, Express und Morgenpost eröffneten eigenständige Redaktionsbüros. Die DAZ („Die andere Zeitung“) als erste unabhängige Wochenzeitung der DDR, die vom 17. Januar 1990 bis zum April 1991 erschienen ist, unterhielt in der Elbestadt eine Dependance.
Bis dahin unbekannte Konzepte wie Anzeigenblätter, die sich aus Werbung finanzierten, wurden herausgegeben. Titel wie „Elbe Report“ (1990 - 2008), „Magdeburg Report“ (1990 - k.A.) und „General-Anzeiger“ (1991 bis heute) entstanden.  Überhaupt war der Blätterwald mit Stadtmagazinen, Stadtteilzeitungen und zahlreichen anderen Periodika vor der Jahrtausendwende bunt.
Mit zunehmender Verbreitung des Internets und steigenden Nutzerzahlen nahm die Anzahl an Printprodukten ab und Auflagenzahlen gingen zurück. Am deutlichsten spürt dies die hiesige Tageszeitung. 1988 gab die „Volksstimme“ als SED-Organ eine Auflage von 451.000 Exemplaren an. 1991 waren es im gesamten Verbreitungsgebiet von Salzwedel bis zum Harz noch 375.000. Seit 1990 hat sich die Gesamtauflage mehr als halbiert. Die jüngste Angabe per Abschluss zum 2. Quartal 2017 lautet 158.894 Exemplare für den Norden Sachsen-Anhalts. Die Abonnentenzahl für die Landeshauptstadt wird aktuell mit 34.628 angegeben.
Heute noch bestehende Anzeigenblätter verweisen zwar auf hohe Auflagen, allerdings ist kaum zu ergründen, ob diese tatsächlich gedruckt werden und schon gar nicht, wie viele davon wirklich unter die Augen von Lesern geraten. Außer dem „General-Anzeiger“ aus dem „Volksstimme“ Verlagshaus machen andere Anzeigenblätter erst gar keine Angaben mehr über ihre Auflagen. (Über MAGDEBURG KOMPAKT und das Konzept der Zeitung lesen Sie mehr auf den Seiten 14 bis 17.)
Mit den Möglichkeiten von Online entstanden und entstehen natürlich auch lokale oder regionale Kanäle, die Nachrichten veröffentlichen und Zeitungen verbreiten ihre Printprodukte als so genannte „ePaper“. Allerdings bleibt die Entwicklung solcher Online-Zeitungen, insbesondere weil sie oft Bezahlangebote sind, hinter den Erwartungen zurück. Die aktuelle ePaper-Zahl der Gesamtauflage der „Volksstimme“ wird mit 4.375 angeben, davon sind allerdings laut IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.) nur 2.140 regelmäßige Abos.
Unter dem Trend, einer weiter wachsenden kos-tenlosen Informationsnutzung im Internet, ist es kompliziert geworden neue Printprodukte herauszugeben. Reine Nachrichten wie Polizeimeldungen, Unwetter, Veranstaltungen oder ähnliches verbreiten sich dort schnell selbstständig. Offensichtlich braucht es dafür absehbar kein Papier mehr. Eine wirtschaftliche Basis suchen Zeitungsverleger im Internet noch vergebens. Da scheint doch mehr Hoffnung Vater des Gedankens zu sein. Bisher hat noch kein klassischer Zeitungsverlag unter Beweis stellen können, dass die Onlinesphäre ein existenzielles Fundament für Journalismus bieten könnte.
Um das Produkt Information zu nutzen, zahlen Internet-User bereits für den Zugang an einen Telekommunikationsanbieter. Die Information selbst erscheint auf einem Gerät, das von Computerproduzenten stammt und auf dem Bildschirm steht sie gleichberechtigt neben jeder anderen. Ob sich daraus ein inhaltlicher Wertschöpfunsprozess ableiten lässt, wie er klassischerweise einst durch den Druck in die Welt kam, bleibt äußerst fraglich. Thomas Wischnewski

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