2084 - Eine Vision von Reinhard Szibor

Wir schreiben das Jahr 2084. Der Planet Erde beherbergt über 11 Milliarden Menschen. Sie alle haben satt zu essen und Wasser sprudelt allerorten frisch und rein. Für alles und jeden steht Energie zur Verfügung. Versorgungsprobleme sind Vergangenheitsphänomene, die in Geschichtsbüchern und Erzählungen aufgeschrieben sind. Wissenschaft und Technik ermöglichten die Überwindung von Hunger und Energieproblemen. In Sachsen-Anhalt erhält am 5. Juni, also am Weltumwelttag der Vereinten Nationen, die „grüne“ Wirtschaftsministerin den Umweltpreis vom „United Nations Environment Programme“, weil sie als erste in einem Bundesland allen Windkraftanlagen die Betriebsgenehmigung entzogen hatte. Die Rotmilanpopulation ist wieder auf den Stand vor der Windkraftära gewachsen. Dem Sterben weiterer Arten wurde Einhalt geboten, Fledermäuse beispielsweise. Der größte wirtschaftliche Ansiedlungserfolg ist der Neubau einer WindradEntsorgungsfabrik in Magdeburg-Rothensee. Hierher werden die stählernen kaum recyclebaren Ungetüme über das europäische Wasserstraßennetz, wozu auch der Elbe-Saalekanal gehört, transportiert. Energiewende 2.0 ist das Zauberwort der Zeit. Nach Stilllegung der Atomkraftwerke (AKWs) im Jahre 2021 trat ein, wovor Fachleute gewarnt hatten: Es gab keinen funktionierenden, grundlastfähigen Kraftwerksverbund mehr. Und so kam es vielfach zum großflächigen Zusammenbruch der Stromversorgung – dem so genannten „Black out“-Milliardenverluste, die wirklich jeden getroffen hatten. Aber das war nur eine Folge. Wenn die Stromversorgung landesweit komplett ausfällt, gibt es Todesopfer. Wie gut, dass andere Länder nach dem Fukushima-Unglück nicht aus der Kerntechnik ausgestiegen sind, sondern AKWs einer neuen Generation entwickelt haben. Vor kurzem ist in Deutschland eine ganze Serie Reaktoren vom WAMSR-Typ ans Netz gegangen. Die haben die Amerikaner und Chinesen gebaut. Das Kürzel steht für Waste Annihilating Molten Salt Reactor (Müll vernichtender Salzschmelzereaktor). Der WAMSR ist in der Lage, den gesamten vorhandenen Atommüll zu „verbrennen“, ihn damit zu entsorgen und Strom im Überfluss zu erzeugen. Dass Deutschland es nicht geschafft hat, seinen Atommüll unrückholbar einzulagern, erweist sich nachträglich als Glücksfall. Somit gibt es ausreichend spaltbares Material. Wenn ein WAMSR-Reaktor aus irgendeinem Grunde beschädigt wird, der Betriebsstrom ausfällt und das ganze Personal am Norovirus erkrankt auf dem Klo sitzt oder durch andere Gründe aussteigt, passiert trotzdem nichts. Weder steht der Reaktorkern unter Druck, noch ist eine aktive Kühlung erforderlich. Er kann nicht explodieren und es kann nicht zur Kernschmelze kommen, da es gar keinen festen Kern gibt. Der Brennstoff zirkuliert im flüssigen Salz gelöst. Der menschliche Geist hat eben Ideen. Menschen sind eben kreativ, und können, wenn sie denn dürfen, die meisten Probleme lösen. Erfreulich ist, dass sich jetzt immer mehr Jugendliche ausbilden lassen, um in solchen Industrien arbeiten zu können. Sie studieren wieder Ingenieurswissenschaften, Chemie, Mathematik und Physik. Biologie als Studienfach war nie so ganz out, aber heute gibt es einen Andrang auf die Studienplätze, wie nie zuvor. Tatsächlich begann wie vorausgesagt zum Ende des 21. 20. Jahrhunderts das Zeitalter der Biologie/Biotechnologie. Die Fortschritte in Medizin und Landwirtschaft werden als „Biotechnologische Revolution“ bezeichnet. Auch das Ökologiebewusstsein hat sich verfestigt und zu konkreten Maßnahmen geführt.
Die Agrarwende, die im Jahr 2017 die Partei Die Grünen im Wahlkampf gefordert hatte, ist gelungen. Nur ist sie ein wenig völlig anders verlaufen als prophezeit. Ein großer Teil der Ackerflächen wird nicht mehr bewirtschaftet. Zwanzig Fünfzehn Prozent davon dienen als ökologische Vorrangflächen. Das sind Brachland, Blühstreifen, Hecken und Wasserlöcher, die zwischen Äcker eingestreut sind. Möglich ist das, weil die verbliebenen Nutzflächen mehr Ertrag abwerfen. Der „Biolandbau“ der Vergangenheit wird nicht mehr subventioniert und ist wegen Ertragsarmut eingestellt worden. Heute existiert überhaupt nur noch ökologischer Landbau, der den Namen verdient. Stickstoffdüngung ist für viele Kulturpflanzen obsolet. Die meisten Nutzpflanzen wie Mais, Getreide, Raps und Rüben sind jetzt zur Symbiose mit Knöllchenbakterien fähig, die ihre Wirtspflanzen mit Stickstoff aus der Luft versorgen. Die Gentechniker haben darüber hinaus die gleiche Pflanzengruppe auch mit Enzymen ausgestattet, die eine Steigerung der Photosynthese-Effektivität um 60 Prozent erbracht haben. In den Tropen und Subtropen, zum Teil auch bei uns in Mitteleuropa, besitzen die wichtigsten Agrarpflanzen Eigenschaften wie eine Trockenresistenz. Das bedeutet, dass sie längere Perioden ohne Regen überstehen. Allerdings brauchen natürlich auch sie während der entscheidenden Wachstumsphasen Wasser. Aber da helfen in vielen Teilen der Welt Meerwasserentsalzungsanlagen. Die ungeheuren Energiemengen, die man dazu braucht, kommen aus AKWs und Sonnenkraftwerken, die in südlichen Ländern sehr ertragreich arbeiten. Wo sich einst Wüsten befanden, breiten sich heute blühende Landschaften aus. Die Sinaihalbinsel und große Gebiete Afrikas gehören dazu. Das hat auch den Nahost-Konflikt entschärft. Aber zurück zur Pflanzenzucht: Viele Pflanzen sind gentechnisch verändert worden, sodass z.B. Futterpflanzen mehr essentielle Aminosäuren enthalten. Deren Nährwert steigerte sich dadurch wesentlich. Gegen die am häufigsten auftretenden Virus- und Pilzschädlinge sind die meisten Pflanzen immun. Sie produzieren RNA-Sequenzen, die die Schädlingsvermehrung unterbinden. Schadinsekten, die nicht zum natürlichen Artenspektrum Europas gehören, gelten als sind ausgerottet worden. Das Verschwinden von invasiven Neozoa, also Arten, die aus entlegenen Gebieten eingewandert sind und sich bedrohlich ausgebreitet hatten, hat in der Umwelt nur positive Effekte und keine ökologischen Risiken. Deshalb kann man das machen. Beispiele sind der Kartoffelkäfer, die Varroamilbe der Bienen und der Asiatische Laubholzbockkäfer, der Maiswurzelbohrer und der Asiatische Marienkäfer u.a.m, zu dessen Bekämpfung man 2016 in Magdeburg noch ganze Parkanlagen rodete. Das Aussterben dieser Schädlinge konnte man mittels Methoden der „Geneditierung“ erreichen. Es wurden Gene in die Population eingebracht, die sich über den sogenannten Gene-Drive-Prozess schnell ausbreiten. Sie sorgen dafür, dass nur noch Männchen geboren werden und die Art somit verschwindet. Alle anderen Insekten, auch wenn sie als potentielle Schädlinge für unsere Kulturpflanzen auftreten, sind streng geschützt. Bt-Pflanzen, die Insektengifte produzieren, sodass Schadinsekten davon sterben, gibt es kaum noch. Vielmehr produzieren die gentechnisch verbesserten Pflanzen für Menschen nicht wahrnehmbare Duftstoffe (Pheromone), die Schädlinge vertreiben. Sollen sich doch Raupen, Blattläuse und -wanzen zum Nutzen der Feldvögel auf den Blühstreifen und Brachflächen tummeln, nicht aber auf den Kulturpflanzen! Sollte es plötzlich eine Schädlingsinvasion geben, bietet eine „Gentechnik von außen“ einen Ausweg. Hierbei werden kurze RNA-Moleküle versprüht, die jeweils ein lebenswichtiges Gen der Organismen abschalten. Man nutzt die gleichen Regulierungsmechanismen, die auch in der Natur wirken. Das funktioniert gegen Insekten, Pilzkrankheiten, Bakterien und sogar gegen Unkräuter. Die gesprühten RNA-Moleküle treffen nur die Schädlingsart, die gemeint ist. Alle anderen Lebewesen merken nichts davon. Genauso wie man mit der richtigen Telefonnummer nur das gewünschte Handy anspricht, docken die RNA Moleküle nur an die Gene an, zu denen sie passen. Es ist eine Kombination aus wissenschaftlich-technischem Fortschritt und kluger Politik, die dazu geführt hat, dass einst vom Aussterben bedrohte Arten wie Rebhuhn, Braunkehlchen und Kiebitz wieder reichlich vorhanden sind und die Lerchen wieder über den Feldern jubilieren. Landwirte erhalten Subventionen nicht mehr, um Überproduktionen zu finanzieren, sondern sie bekommen ihre Dienste in der Landschaftspflege bezahlt. So befleißigen sie sich eines umweltverträglichen Pflanzenschutzes und schützen Nester von Bodenbrütern wie Lerchen, Rebhühner, Kornweihen usw. Sie stationieren Roboter, die über Bilderkennung Füchse, Waschbären, Elstern, Krähen usw. erkennen und vergrämen, indem sie schmerzhafte Laserstrahlen aussenden. Obwohl die Situation alles andere als schlecht ist, gibt es in der gelb-grünen Regierungskoalition Streit. Die Grünen wollen den großflächigen Anbau von nicht gentechnisch optimierten Pflanzen verbieten, weil ihnen die Ackerflächeneffizienz sonst zu gering ist. Das folgt der Philosophie, die bei ihnen seit 2012 en vogue ist. Damals wurden energetisch ineffiziente Glühlampen verboten. Die Gelben sind damit nicht einverstanden. Sie argumentieren, dass sich die besten Produkte ohne staatliche Eingriffe durchsetzen würden und dass eine freie Wirtschaft einen kontinuierlichen Fortschritt sowie höchste Lebensqualität der Bevölkerung garantierte.

Epilog

Zurück ins Jahr 2017: Man muss sich fragen, ob eine Vision für das Jahr 2084 realistisch sein kann. George Orwell schrieb 1948 eine Utopie mit einer Prognose für 1984. Das war für mich eine Anregung für „2084“. Orwell war ein genialer Literat. Ich bin das nicht und als Wissenschaftler auch eher den Fakten verpflichtet. Deshalb lege ich nur einen kurzen Aufsatz vor. In der Biologie bewege ich mich in meinem Metier. Die Energiepolitik liegt außerhalb meines Fachgebietes. Aber ich verfolge Dank des Internets die Entwicklung in der Welt. Dort lässt man sich vom deutschen Alleingang hinsichtlich des Atomausstiegs nicht beeindrucken und gestaltet die Energieversorgung der Zukunft. Was Orwells „1984“ betrifft, hatte er eine düstere Vision. Manches davon ist so eingetroffen. 23 Jahre nach dem Jahr 1984 haben wir es in Deutschland mit „Gedankenverbrechen“, „Zwiedenken“ und „Neusprech“ zu tun. Ein eigenes „Wahrheitsministerium“ gibt es in der prognostizierten Form nicht, aber Beamte und Politiker, die in diesem Sinne wirken, beherrschen alle Institutionen. Eines Gedankenverbrechens macht sich schuldig, wer Kernkraftwerke als Option für die künftige Energieversorgung sieht oder gar gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere als Nahrungsgrundlage willkommen heißt. Amtlich verordnetes Zwiedenken offenbart sich, wenn einflussreiche Parteien und Organisationen einen vermeintlich vorhandenen Ziegenmelker zum Anlass nehmen, um den Bau einer Autobahn zu verhindern, gleichzeitig aber die Verspargelung unser Landschaft mit Windkraftanlagen vorantreiben, die jährlich etwa 250.000 Fledermäusen und Vogelarten, wie dem Rotmilan, den Garaus machen. Anderenorts hätten die Straßen nie gebaut werden dürften. Das virtuelle Orwellsche Wahrheitsministerium besteht zwar nicht darauf, dass wir anerkennen dass 2+2= 5 ist, aber dass es mehr als 250 Geschlechter gibt, das soll darf nicht bezweifelt werden. Dazu passt dann auch die Forderung, uns eines „politisch korrekten“ Neusprechs zu befleißigen. Es ist die vorgeschriebene gendergerechte Sprache. Dass Ob meine Prognosen wirklich eintritt, bleibt offen. Darauf, dass sich die Grüne Gentechnik in unserem Lande etabliert, können Sie allerdings Gift nehmen! Wenn Sie das nicht wollen, nehmen sie homöopathische Kügelchen. Die haben keine pharmakologische Wirkung.

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