Glück zwischen Pflicht und Kür

Täglich lernen wir dazu. Ob bewusst oder unbewusst, ob gewollt oder nicht. Meist ist es existenziell. Es kann Freude machen oder Pflicht sein. Im Beruf weiterbringen oder den Beruf wechseln, aus wirtschaftlicher Not oder weil die Zeit reif ist dafür.

Eines Morgens blickt sie in den Spiegel, sieht das Gesicht gegenüber und fragt: Was machst du eigentlich? Es ist wie im Film, so ein typisches Klischee, und doch nicht selten in deutschen Wohnungen.   Das kann doch nicht alles gewesen sein, sagt sie ihrem Ich gegenüber. Das schaut ratlos zurück. Wie weiter? Immer mehr Frauen erleben, was früher vor allem Männern zustand und als midlife crisis belächelt wurde. Die Herren legten sich ein Motorrad zu oder eine neue Freundin. Beides wäre auch für Frauen möglich, doch suchen die sich dann eher ein Hobby oder gar einen neuen Beruf.
Die Mitte des Lebens (midlife) ist die Zeit, in der wir uns Gedanken darüber machen, woher wir kommen, wohin wir wollen und wo wir stehen.  Wo es früher noch genügte, für Haushalt, Kinder und Ehegatten zu sorgen, will die Frau von heute mehr vom Leben. Wer für die Familie sorgte und länger zuhause war, findet in den Beruf schwer zurück, orientiert sich neu. Oder wer mit seiner Arbeit unzufrieden ist.
Nicht immer geschieht das freiwillig. Firmen schließen, Arbeitsverhältnisse enden. Die frühere Sicherheit, einen Job fürs Leben zu haben, gibt es längst nicht mehr. Manche Berufe werden schlichtweg abgeschafft (wo gibt es im Computerzeitalter noch die frühere Sekretärin?). Bei anderen ist am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig. Deutschlandweit geht der Trend zum „Multijobber”. Obwohl genaue Zahlen kaum zu finden sind. Vielleicht weil sie sich ständig ändern?  Das Statistische Bundesamt gibt für 2015 rund zwei Millionen Menschen an, die Bundesagentur für Arbeit zählte 2,9 Millionen. Die meisten Mehrfachverdiener (83,5 Prozent) üben nach Angaben der BA einen Mini-Job auf 450-Euro-Basis neben ihrer sozialversicherungspflichtigen Haupttätigkeit aus. Ein  Minijob jedoch  finanziert nicht das Leben, so werden es meist zwei, manchmal sogar schon drei ... Die gilt es unter einen Hut, einen zeitlichen wie kräftemäßigen, zu bringen. Nicht gerade eine berauschende Perspektive.
Wobei es natürlich auch Menschen gibt, die möchten sich gar nicht auf einen einzigen Arbeitsplatz beschränken. Sie lieben die Abwechslung und wollen flexibel sein. Zumindest für eine Zeit. Und so lange es sich finanzieren lässt.
Für alle steht gleichermaßen die Aufgabe, sich bildungsmäßig auf dem neuesten Stand zu halten. Ob im eigenen Beruf oder für einen neuen. Heute bleibt meist nichts anderes übrig, als sich ständig auf dem Laufenden zu halten. Am besten gelingt das natürlich, wenn man Freude daran hat. Wie beim Entdecken der neuesten Technik, des neues-ten Handys, Smartpones, Fernsehgerätes ... Wenn es jedoch um die tägliche Arbeit geht, vergeht einigen schnell der Spaß. Für manche Menschen ist Lernen ein Graus. Sie sind froh, der Schule entwachsen zu sein und dann sowas? Ob vom Arbeitgeber verordnet oder vielleicht übers Arbeitsamt, stehen Weiterbildungen oder Umschulungen an. Ein großes System von Unternehmen ist entstanden, die sich auf Fort- und Weiterbildung qualifiziert haben, Bildungszentren schossen aus dem Boden. Sie werben: Seien Sie flexibel, studieren Sie von zuhause aus, holen Sie Ihr Abitur neben dem Beruf nach oder machen Sie eine zweite Ausbildung. Die Angebote reichen vom Technikkurs bis zum Bewerbungstraining, von Gehirnjogging bis Tanztherapie, vom Sprach- bis zum Töpferkurs ...
Werden Sie glücklich. Lernen Sie sich glücklich. Das gilt bis ins hohe Alter. Welches auch immer die Beweggründe sind, im Ergebnis zeigt sich: „Die Investition in Wissen zahlt die besten Zinsen” (Benjamin Franklin). Das gilt - egal, ob uns das Lernen Freude bereitet oder wir uns dazu überwinden müssen. Am Ende zählt, was wir daraus machen. Birgit Ahlert

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