Glatt und rau: eine Bereicherung

So wie auf dieser Abbildung zeigt sich der Ausstellungsraum des Ottonianum in der ehemaligen Schalterhalle der Reichsbank. Visualisierung: Holzer Kobler Architekturen.

Wenige Tage vor der Eröffnung des neuen Dommuseums Ottonianum Magdeburg herrscht im Gebäude der ehemaligen Reichsbank zwischen dem Domplatz und dem Breiten Weg geschäftiges Treiben. Das Kreischen einer Säge erfüllt die Luft. Es wird geschliffen, gehämmert, gebohrt. Kisten versperren den Weg. Kabelsalat, so weit das Auge reicht. Exponate liegen noch verpackt auf dem Boden. Für den Laien das übliche Baustellen-Chaos. Für Heinrich Natho, Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, einer der größten Glücksfälle für Magdeburg. Der studierte Archäologe weiß, dass die Zeit drängt und dass bis zur Eröffnung am 3. November 2018 noch vieles zu erledigen ist. Aber er wirkt zuversichtlich und hat keine Zweifel, dass die Bauarbeiten rechtzeitig abgeschlossen sein werden.

„Hier entsteht etwas Großartiges für Magdeburg“, schwärmt Heinrich Natho und muss sich dabei anstrengen, den Baustellen-Lärm zu übertönen. „Jede große Stadt verfügt über ein Museumsquartier und nun wird sich auch Magdeburg in die Riege dieser Städte einreihen.“ Er macht eine ausladende Handbewegung in Richtung Nordosten, vollführt mit dem Arm eine halbkreisartige Drehung, um schließlich Richtung Westen zu zeigen. „Ganz in der Nähe befindet sich das Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen. Dann haben wir hier den Dom und das Ottonianum. Und nur ein paar Meter entfernt kann man das Kulturhistorische Museum Magdeburg sowie das Museum für Naturkunde besuchen.“ Nach Ansicht des Zuständigen für Öffentlichkeitsarbeit ein Highlight für die Stadt. „Das Ottonianum wird jedoch nicht nur für die Landeshauptstadt von großer Bedeutung sein, sondern für das Land Sachsen-Anhalt und den gesamten mitteldeutschen Raum.“

Heinrich Natho, Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Museumspädagogik im Kulturhistorischen Museum Magdeburg, nennt das Ottonianum eine große Bereicherung für das Museumsquartier. Foto: P. Gercke

Mit vorsichtigen Schritten führt Heinrich Natho durch das Erdgeschoss des 1924 eingeweihten Gebäudes, in dem sich früher eines der sichers-ten Geldinstitute Europas befand. Von November an werden hier auf 650 Quadratmetern Ausstellungsfläche drei große Themenkomplexe des europäischen Mittelalters präsentiert: Kaiser Otto der Große (912 bis 973) und Königin Editha (910 bis 946), das Erzbistum Magdeburg und die spektakulären Funde der archäologischen Grabungen rund um den Dom. Eta Erlhofer-Helten, Leiterin Presse, Zentrale Aufgaben und Kommunikation bei der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt folgt ihrem Kollegen ebenso vorsichtig. „Jährlich besuchen etwa 200.000 Menschen den Dom zu Magdeburg, doch einen wirklichen Mehrwert haben wir davon nicht, denn die Besucher werden nicht mit den nötigen Erklärungen und Informationen versorgt. Daher ist die Eröffnung des Dommuseums ein wichtiger Schritt“, sagt Eta Erlhofer-Helten.

Wasserspeier wie dieser aus dem 14. Jahrhundert sollten als bedrohliche Monster den Dom beschützen. Sie boten den damaligen Bildhauern die Möglichkeit, ihrer künstlerischen Fantasie freien Lauf zu lassen. Foto: Ronald Floum

Das Ottonianum ist ein Kooperationsprojekt der Landeshauptstadt Magdeburg, des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/Landesmuseum für Vorgeschichte und der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. „Die einzelnen Aufgaben wurden zwischen den Partnern aufgeteilt“, erklärt Heinrich Natho. „So ist die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt für den wirtschaftlichen Betrieb zuständig.“ Sie wird beispielsweise für den D.O.M.-Laden – D.O.M. für Dommuseum Ottonianum Magdeburg – und das Editha-Café verantwortlich sein, die sich im hinteren, dem Dom zugewandten Teil des Gebäudes befinden.

Säulenfragmente, die bei Ausgrabungen gefunden wurden. Foto: Ronald Floum

Die kräftige Farbgestaltung der Innenausstattung durchzieht alle Bereiche des Museums – vom Café bis hin zum großen Ausstellungsraum. „Das Ganze soll modern und nicht zu altbacken wirken und gleichzeitig hat das Architekturbüro Holzer Kobler einen Weg gefunden, die Gestaltung an die sakralen Farbtöne anzulehnen und zudem an das Bauen in den 1920er Jahren zu erinnern, als dieses Gebäude entstanden ist“, schildert Heinrich Natho und  weist auf das Glatte des Interieurs hin, das im klaren Kontrast zum groben, rauen Exterieur steht. Die Wände wirken wie nicht vollständig verputzt, die Pfeiler, die den Raum durchziehen, wecken den Anschein, als seien sie nicht richtig übermalt worden. „Damit wollen wir an die Rohheit des Mittelalters erinnern und auch den Dombauhütten-Charakter hervorheben.“

Noch verpackt wartet die Madonna im Strahlenkranz mit anderen Sandsteinfiguren auf ihren Einzug in das neue Ottonianum am Domplatz. Foto: Ronald Floum

Der nach Norden und Süden mit großen Fens-tern versehene Ausstellungsbereich ist in zwei Teile untergliedert. „Zum einen haben wir zahlreiche archäologische Funde, die Licht gut vertragen und daher gut in diesen Raum passen, der je nach Wetter und Tageszeit einen anderen Charakter hat. Zum anderen gibt es lichtempfindliche Stücke, die wir in der Schatzkammer, die in den großen Ausstellungsbereich eingebettet ist, präsentieren“, erklärt der Mitarbeiter des Kulturhistorischen Museums. Zu den originalen Exponaten gehören die spektakulären Funde der Dom- und Domplatzgrabungen, darunter der Bleisarg der Königin Editha, mittelmeerische Stoffe aus der Bestattung der Königin Editha, kostbare Beigaben aus den Gräbern der Erzbischöfe Wichmann von Seeburg (1115 bis 1192) und Otto von Hessen (1301 bis 1361), das gemauerte Grab eines Vertrauten Kaiser Ottos des Großen aus dem Jahr 963 sowie antik-römische Bauteile von den ottonischen Bauten am Domplatz. In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Mittelalterausstellungen und dem Fraunhofer Institut IFF Magdeburg wird zudem ein virtuell-interaktives Echtzeitmodell des Magdeburger Doms gezeigt, das die Baugeschichte und ausgewählte Kunstwerke der im Jahr 1207 begonnenen ersten gotischen Kathedrale auf deutschem Boden erlebbar macht.

Das Dommuseum Ottonianum Magdeburg, das für maximal 150 Besucher zeitgleich zugänglich gemacht werden kann, ist ab 3. November täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eta Erlhofer-Helten und Heinrich Natho sind sich einig, dass die Kultureinrichtung eine große Bereicherung ist. Unschlüssig sind sich die beiden noch, wie man das Areal am sinnvollsten erkundet. Zuerst in den Dom, um das Bauwerk auf sich wirken zu lassen und anschließend ins Dommuseum für das Bildungserlebnis? Oder umgekehrt? Tina Heinz

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