„Für mich war Jesus kein Superstar“

Vor historischer Kulisse ein kirchliches Thema: „Jesus Christ Superstar“. Was sagen Kirchenvertreter dazu? Ein Gespräch mit Domprediger Jörg Uhle-Wettler.

Wie in vielen anderen Städten in Deutschland, so z. B. in Erfurt, in Gandersheim oder Worms, finden in Magdeburg unmittelbar vor dem Dom Theateraufführungen statt. In unserer Stadt ist das nicht unumstritten. Jedes Jahr gibt es da von Neuem ein Für und Wider. Wie stehen Sie als Dompfarrer zum Musical vor „Ihrer Haustür“, Herr Uhle-Wettler?
Es steht mir nicht zu, das zu bewerten. Das Theater ist seit vielen Jahren im Sommer auf dem Domplatz. Wir haben aber eine Kommunikationsstruktur gefunden, die ein gedeihliches Nebeneinander von Dom und Domplatzveranstaltungen ermöglicht. Außerdem gehe ich selber auch gerne ins Theater. In den nächsten Jahren werden wir vielleicht mal einen großen Künstler holen, der im Dom beginnt – und auf dem Domplatz endet.
 
In diesem Jahr zeigt das Theater ein Werk, dessen Story auf die Bibel zurückgeht: Jesus Christ Superstar von Andrew Lloyd Webber. Wie sehen Sie als Theologe die Interpretation, die die Autoren vorgeben?
Für mich war Jesus kein „Superstar“, sondern der maßgebende Mensch schlechthin. Ich bin gespannt darauf, welche Akzente die Magdeburger Inszenierung setzt. Im Vorfeld ist das Koketieren einiger Schauspieler mit ihrem eigenen Atheismus  eher peinlich. Habt keine Angst, vor dem der zweifelt – aber zweifelt an dem, der sagt, er hat keine Angst.
Die Musik von Andrew Lloyd Weber ist wunderbar und ich habe großen Respekt davor, dass nichts vom Band, sondern jeden Abend live gespielt wird. Ein Hoch auf den Opernchor, das Ballett und die Magdeburgische Philharmonie.
Die Handlung wird aus dem Blickwinkel von Judas erzählt. Hier wird ein interessantes Stilmittel benutzt. Die letzten sieben Tage von Jesus als zeitlose Geschichte. Es läuft der ganz normale Wahnsinn ab. Judas verrät aus Liebe, Pilatus reagiert aus eigenen Sachzwängen heraus, der Hohe Priester handelt aus religiösem und politischem Kalkül, Petrus lügt, nur um nach außen hin nicht auf der Verliererseite zu stehen, die Jünger verschlafen. Das sind alles keine Unholde. Aber all die, die Jesus einen kurzen Prozess (lateinisch: vorantreiben) gemacht haben, haben dadurch einen langen Prozess in Gang gesetzt. Ohne diese Geschichte keine Kirche. Nirgends. Auch keinen Dom.
 
Denken Sie, dass durch die Aufführung ein Stück weit Kenntnis der christlichen Botschaft in unsere doch weitgehend atheistische Region getragen wird?
Aber ja doch. Im Musikunterricht meiner Tochter wird das Stück gerade im Domgymnasium besprochen und analysiert. Die hören es rauf und runter. Wer eine der Aufführungen auf dem Domplatz in diesem Jahr besucht, wird hoffentlich aus der Geschichte etwas für seine eigene Lebensgeschichte mitnehmen. Hüte dich vor Überforderung, heische nicht nach dem Beifall der Massen und lass dich um Gottes Willen nicht aufs Kreuz legen. Fragen: Gisela Begrich

Premiere am 15. Juni auf dem Domplatz: Tobias Bieri und Julia Gámez Martín freuen sich auf den Start des diesjährigen Open-Air-Musicals des Theaters Magdeburg und posieren vorab für unseren Fotografen. Sie werden in den Hauptrollen als Jesus von Nazareth und Maria Magdalena zu erleben sein. „Jesus Christ Superstar” mit der grandiosen Musik von Andrew Lloyd Webber ist ein Rockspektakel, das historische Überlieferung ins Heute bringt. „Es ist kein  Historienspiel“, kündigt Regisseur Sebastian Ritschel an. Junge Leute stehen im Mittelpunkt, mit Fragen, Sorgen, Hoffnungen – bis hin zur Frage, was Kirche heute bedeutet. Die Musik wird live von der Magdeburgischen Philharmonie gespielt. Aufführungen gibt es bis 8. Juli, jeweils ab 21 Uhr. Foto: Peter Gercke

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