Es tanzen die Gefühle

Tanzen – das hört nicht auf. Jede Generation hat ihre Rituale, Ort und ihre Musik. Die gemeinsame Bewegung nach Musik hat an Anziehungskraft nichts verloren und sie kommt so facettenreich wie nie daher.
Tanzen ist Magie, ein Feuerwerk der Gefühle, Ritual, Brauch, Sport, Kunst oder einfach Leidenschaft zum Selbstzweck. Und mit facettenreichem Ausdruck zieht sich der Tanz durch die Menschheitsgeschichte. Die älteste Darstellung Tanzender schätzt man auf 2.000 bis 5.000 Jahre alt. Gefunden wurden eine Malerei einer Reihentanzformation in den indischen Höhlen von Bhimbetka. Doch wie zieht sich das Metier durch die nähere Magdeburger Geschichte und auf welche Weise lebt man das Tanzen heute?
Seit Generationen hört man aus Mündern von Großeltern, dass diese in ihrer Jugend auf Teufel komm raus getanzt hätten. Doch in einer verklärenden Rückschau über die eigene Geschichte wird häufig ein verzerrtes Bild gezeichnet. Im Zeitalter präelektronischer Medien, war Musik – und die bildet nach wie vor die Grundlage jeder tänzerischen Bewegung – nur aus einem gespielten Instrument zu haben. Es mussten schon irgendwo Musiker zumTanz aufspielen, damit sich andere in verzückenden Schritten wiegen konnten. In Europa verortet man den Gesellschaftstanz ins frühe 15. Jahrhundert. Hier erscheinen die ersten Hoftanzmeister. Auch die Landbevölkerung mag zu jahreszeitlichen Festen immer getanzt haben. Doch existieren darüber schlicht keine Aufzeichungen.
Ein richtig großer Boom setzte möglicherweise mit der Industrialisierung ein. Die Städte wuchsen rasant in ihren Einwohnerzahlen. Und jede Tanzveranstaltung galt zugleich als gute Gelegenheit für junge Menschen, gesellschaftlich anerkannt erste Annäherungen mit dem jeweils anderen Geschlecht zu versuchen. Das ist bis heute so geblieben. Anfang des 20. Jahrhunderts verzeichnete der Magdeburger Fremdenführer 30 Konzertlokale, die zu abendlichen Tanzvergnügungen einluden.
Wirft man einen Blick auf die DDR-Zeit, war dort das Tanzen beliebt. Das „Café Stadt Prag“, auch „Scheibe“ genannt, das Theater Café (TC), der Jugendklub Lindenhof und viele andere waren dennoch nie genug, um die Herrschar der Vergnügungssüchtigen aufzunehmen. Vor das Vergnügen hatte die Mangelwirtschaft das Anstehen verordnet.
Mit der Deutschen Einheit kamen neue Angebote dazu. Großraumdiskos waren viele Jahre lang der Renner. Doch deren Zeit ist offensichtlich abgelaufen. Heute vergnügt man sich jede Woche aufs Neue im „First“, im „Prinzz Club“ oder im Studentclub „Baracke“. Zweimal im Jahr lädt das Maritim-Hotel zur Ü30-Party ein. Vor einigen Jahren etablierten sich so genannte Tanz-Cafés als Angebote für Senioren. Das ist übrigens eine wirklich neuzeitliche Erscheinung. Sie ist ein Beleg für die heutige aktive Generation der über 65-Jährigen. Die Clubs sind vielleicht kleiner geworden, aber das Tanzen insgesamt vielfältiger. „House“, „Hip Hop“, „Techno“, „Metal“ – Musik kennt viele Namen und jede findet Fans, die sich in besonderer Weise dazu bewegen wollen. Was sich wirklich in den letzten 15 Jahren gewandelt hat, ist das Ausgehverhalten der Generationen. Für junge Leute ab 18 Jahren und älter beginnt die Party erst nach 23 Uhr. Dafür wird bis tief in die Morgenstunden abgetanzt. Doch selbst der klassische Tanzsport lebt und wird in Vereinen wie Grün-Rot e.V. und anderen gepflegt. Mehrmals im Jahr finden in der Landeshauptstadt Tanzturniere statt, beispielsweise am 28. Oktober das 49. Internationale Tanzturnier in der Stadthalle. Tanzsport kann in der Jetztzeit noch anders betrieben
werden. Selbst Fitnessstudios bieten heute musikalisch-dynamisch Aktivierung an. „DanceMove“ oder „NewMoove“ heißen solche Kurse, bei denen gemeinsam in einer Gruppe zu Musik geschwitzt wird. In den 80er Jahren nannte man solche Formen „Aerobic“. Musik ist heute quasi immer und überall verfügbar und die Genre sind für einen Laien fast unüberschaubar geworden. Heute muss man gar keine festen Schrittkombinationen für Walzer, Tango oder Rumba erlernen. Jeder kann sich nach seiner Facon bewegen. Doch es existiert auch der gegensätzliche Trend. Paare beginnen Tanzkurse jenseits der 40, wenn der Betreuungsaufwand für die eigenen Kinder geringer wurde. Oder Singles suchen sich per Kurs einen gleichgesinnten Partner. Manchmal wird eine späte Liebe daraus, ein anderes Mal bleibt es eine lange Freundschaft.
Das emotional verbindende Element beim Tanzen ist stets präsent. Grazile, ästhetische, kraftvolle, akrobatische und sonstige Einflüsse bleiben Ausdruck eines eigenen Körpergefühls und senden anderen Signale, lockende, begehrende bishin zu tiefer liebender Verbundenheit. Und wer sich nicht traut, eigene Gefühlsbewegungen öffentlich zu zeigen, tanzt vielleicht heimlich im stillen Kämmerlein. Doch irgendwann will aus allen die Tänzerin oder der Tänzer heraus und dann findet man in jedem Alter in Magdeburg einen Ort, der dem persönlichen Musikgeschmack entspricht und wo schon Gleichgesinnte darauf warten, das Tanzbein zu schwingen. (tw)

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