Die wachsende Stadt braucht Platz

Gott zum Lobe und der Stadt zu Ehren und Frommen und manchen Menschen zum Troste” – mit diesen Worten beschloss der Rat der Stadt mit Zustimmung der Schöffen und aller Innungen den Bau einer neuen Holzbrücke in Höhe der heutigen Strombrücke. Ostern 1422 stürzte die alte Steinbrücke in Folge von Hochwasser ein und der Ersatzbau wurde 1424 begonnen. Spielverderber war in diesem Fall Erzbischof Günther II., Graf von Schwarzburg, der den Weiterbau untersagte, weil ihn keiner vom Bau unterrichtet hatte. 6000 Taler Strafe sollten deshalb die Magdeburger zahlen. Mit der bereits in der Wiege vorgefunden Sturheit setzten sich die Magdeburger über dieses Verbot hinweg, handelten die Strafe auf 700 Taler herunter und bauten die Brücke einfach weiter.

Die Strömung des Flusses machte den Elbestädtern stets zu schaffen. Ständig wurden die Pfeiler unterspült und die Brücken stürzten ein. Obwohl man ständig die Pfeileranzahl erhöhte, zeigte die Natur kein Erbarmen. Die lose im Grund befestigten Pfeiler konnten den Naturgewalten wie Hochwasser und Eisgang nicht standhalten. Und auch der Dreißigjährige Krieg setzte den Brückenbauten zu. 1632 brannte der Vorgängerbau der heutigen Anna-Ebert-Brücke vollständig ab. Erst 1666 wurde die „Lange Brücke” unter Otto von Guerickes Regie wiederaufgebaut. Die Reste der Pfahlbauten sind bei Niedrigwasser noch heute zu sehen. Zum Schutze dieses Bauwerkes wurde ein Turm errichtet, der 1731 den Namen „Turmschanze” erhielt.

Eine der wichtigsten Elbüberquerungen war und ist die Strombrücke. 1450 wurde der Neubau als steinerne Brücke fertiggestellt. Die Ausdehnung Magdeburgs war noch im 19. Jahrhundert durch die Befestigungsanlagen eng begrenzt. Doch mehr Siedlungsflächen wurden dringend benötigt – das Wachstum der Bevölkerung zwischen 1815 und 1840 war rasant. Es handelte sich um den größten Bevölkerungsanstieg – prozentual gesehen – einer deutschen Stadt in diesem Zeitraum überhaupt. Die Altstadt zählte 1812 etwas mehr als 28.300 Menschen, 1840 waren es dagegen knapp 51.000. Sudenburg war von 764 Menschen im Jahr 1818 auf 2.800 Einwohner im Jahr 1840 angewachsen und in der Neustadt erhöhte sich die Einwohnerzahl im selben Zeitraum von 3.700 auf 7.500 Menschen.

Bereits 1842 sprach Oberbürgermeister Francke im Magistrat den drückenden Platzmangel an. Zwei Jahre später bildete sich eine Kommission, um die Möglichkeiten der Stadterweiterung zu prüfen, denn die Wohnverhältnisse, der Mangel an Licht und Luft und der Zustand der sanitären Anlagen waren schlichtweg katastrophal. Zwischen 1780 und 1846 hatte sich die Bevölkerung verdoppelt, der verfügbare Raum war hingegen gleichgeblieben. Militärische Interessen prägten weiterhin die Stadtentwicklung und bremsten ihr städtebauliches wie auch ihr wirtschaftliches Wachstum. Das preußische Kriegsministerium war noch nicht bereit, die einengenden Festungsanlagen zu beseitigen; erst in den 1870er Jahren wurden die strengen Bestimmungen gelo-ckert. Dabei hatte die neuere Kriegstechnik, besonders die Entwicklung von Geschützen mit größerer Reichweite und Treffsicherheit, den Sinn der Fes-tungsanlagen längst in Frage gestellt.

In den Jahren 1861 und 1862 erfolgte der Bau einer neuen Strombrücke, die am 4. November 1862 eingeweiht wurde. Diese überspannte in direkter Verlängerung der Johannisbergstraße die Elbe. Statt Holz wurde jetzt eine Eisenbrücke favorisiert. 83 Jahre erfüllte die Stahlbrücke ihren Dienst. Allerdings erfüllte sie die Erwartungen nicht. Noch im 19. Jahrhundert musste sie verbreitert werden, um den wachsenden Verkehrsströmen zu entsprechen. Außerdem bereiteten die Brückenpfeiler der Schifffahrt, die immer größerer Kähne verwendete, erhebliche Schwierigkeiten. Am 16. April 1945 und somit kurz vor Kriegsende wurde die bisherige Strombrücke, von der sich nach Osten zurückziehenden Wehrmacht zerstört. Nach Kriegsende errichteten amerikanische Pioniere eine Behelfsbrücke. Ab dem 29. April 1946 konnten auch wieder Straßenbahnen über die Behelfsbrücke rollen. Die heutige Strombrücke wurde am 6. Oktober 1965 eingeweiht.

Neue Stadtteile gründeten sich auch über die Elbe hinaus. Gerade dieser Erweiterung verdankte Magdeburg sein schnelles wirtschaftliches Wachstum und die Entwicklung zur Großstadt. Die 1860 begonnene Diskussion um die Eingemeindung der Vorstädte zeigte Erfolge: Magdeburg benötigte den Wohnraum wie auch die Wirtschaftskraft der Vororte, um eine zentrale wirtschaftliche Stellung inmitten Deutschlands zu erhalten. Die Vorstädte hatten sich in kurzer Zeit zu wichtigen Gewerbegebieten entwi-ckelt; der Warenumschlag über Wasser und Schiene trug wesentlich dazu bei. Magdeburg hatte sich zum Verkehrsknotenpunkt wichtiger Linien gemausert. Die Stadt wuchs durch weitere Eingemeindungen an: 1908 kam Rothensee dazu, 1910 folgten Fermersleben, Cracau, Lemsdorf, Prester, Westerhüsen und Salbke. Damit stieg die Einwohnerzahl auf knapp 280.000 Menschen an. Am 1. April 1912 schließlich zogen die Militärbehörden die Stelle des Festungskornmandanten ein und hoben den Status der Stadt als Festung endgültig auf. Große Teile der Anlagen waren zu diesem Zeitpunkt bereits abgetragen, überbaut und umgenutzt. rf

Zurück