Die verschollenen Bücher

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Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär's, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Johann Wolfgang von Goethe
Faust I, Vers 1338 ff. / Mephistopheles

Fortlaufend entstehen Bücher, die guten und wertvollen oder schändliche, solche mit leichter Unterhaltung, auch wissensbeladene, erklärende, von Tatsachen berichtende und reine Fantasiewerke. Für so manchen ist ein Buch ein Schlüssel. Es eröffnet Gedankenwelten, die ein Geist noch nicht durchschritten hat. Werke tragen Erlebtes und Geschehnisse weiter. Auf diese Weise bleibt vieles im Heute oder Morgen lebendig, was längst vergangen ist. Wer sich einmal den gedruckten Geschichten und Romanen hingegeben hat, wer den eigenen Geist für einen anderen öffnet und auf diese Weise eine Verbindung schafft, kommt sein Leben lang von der Droge Buch nicht mehr los.

Manche  häufen über die Jahre eine ganze Bibliothek an Druckwerken an. Je größer der Bestand, umso schwerer fällt es jedem, sich auch nur von einem Bändchen in den Regalreihen lösen zu können. Bücher können wie eine Droge sein. Wobei es stets der eigene Geist ist, der aus der Erzählkraft anderer einen Fetisch macht. Doch selbst das geistreichste Dasein, ein lebenslanges Baden in Blättern, verhindert den Gang ins Jenseits nicht. Das Leben ist in seiner Frist zwischen Geburt und Tod einzig ein Ableben. Unter der eigenen schmerzlichen Vergänglichkeit vergehen auch die Erzählungen und Nachschlagewerke, die für einen Geist Nährboden für Ideen und Fantasie waren. Der vergangene Geist ruht – so sagt man – auf dem Friedhof. Er hat seine Stätte fürs Angedenken. Doch was wird aus den Büchern?

Der Literaturbetrieb wirft jedes Jahr über 70.000 neue Titel auf den Markt. Zehn Mal mehr Menschen erblicken in Deutschland jährlich das Licht der Welt. Man dürfte annehmen, es wächst stets genug Potenzial an Neugierde und Wissensdurst nach. Und diese Neuankömmlinge, mit frischem saugfähigen Geist, stürzten sich auf die Beichten und Berichte vergangener Generationen. Wollten wissen, was ihre Eltern und Großeltern bewegt hat. Weit gefehlt. Die Bücherschätze und Privatbibliotheken der Vorfahren sind vergänglicher als man denkt. Kaum scheidet ein Mensch von der Welt, gehen auch seine Bücher.

Der Magdeburger Andreas Jörn steht fast täglich vor Bücherbergen – solchen, die weg sollen. Die Tonnen, die er mit seinem Unternehmen „tip-top Möbel“ jährlich bei Haushaltsauflösungen bewegt, kann er nicht zählen. Die Cents, die Papier im Recyc-lingkreislauf bringen, wiegen den Reichtum nicht auf, der darin abgedruckt und herauslesbar ist. Und weil heute schon genug entsorgt und weggeworfen wird, auf nimmer Wiedersehen aus dem Bewusstsein schwindet, braucht es Menschen wie Andreas Jörn. Nicht alles übergibt der Liebhaber fürs Alte und His-torische der Papierverwertung. Bücher haben Magie, so drückt er es aus, wenn er über die Bande spricht, die er mit Hinterlassenschaften knüpfen kann. Der Trödel-Profi ist eben nicht nur Bewahrer für Möbel und allerlei Hausrat. So trägt er nämlich poetischen Reichtum und Wissensschätze in seine Ausstellung an der Brenneckestraße. Hier werden Bücher aufbewahrt und feilgeboten. Klassiker wie den Schiller findet man da oder gedruckte Kuriositäten. Natürlich auch den Dichter-Übervater Johann Wolfgang von Goethe. Was nutzt das große Gedenken an einen großen Deutschen in Weimar, wenn er nicht lebendig im Hier und Jetzt gelesen wird. So vergeht ein Goethe wie Bücher vergehen, auf die kein Auge mehr geworfen wird.

Es ist wichtig, dass Bücher in Bibliotheken und Archiven ruhen. Doch viel wichtiger ist, dass der konservierte Geist von Autoren in Gegenwart und Zukunft weiterlebt. In öffentlichen Sammlungen findet sich nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was einst gedruckt wurde. Erst die Aufbewahrung der vielen unzähligen privaten Schätze, trägt den Reichtum ganzer Generationen fort. Über die bereits nicht mehr zählbaren, verschollenen Bücher möchte man ein Klagelied anstimmen, und darüber, dass sie den Nachfahren so wenig Wert waren.

So bleiben am Ende zwei Erkenntnisse. Erstens: Die Werke künftiger Generationen werden ebenso ins Nirwana verschwinden wie die schon gegangener. Vielleicht sogar schneller als heute, weil Worte unter dem Takt und der Taktlosigkeit der Onlinewelt noch schneller verhallen. Gedruckt blieben sie wenigstens für mindestens ein Menschenleben erhalten. Und Zweitens: Es gibt Leute wie Andreas Jörn, die aufbewahren und weitertragen, was für andere verschollen erscheint.

tip-top Möbel – Lübecker Str. 87
Telefon: 0391 54 15 957
tip-top Möbel – Halberstädter Str. 183
(Zufahrt über die Brenneckestraße)
Telefon: 0391 73 47 852
Email: tip-topmoebel@t-online.de

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