Die Stadt hat noch Potenzial

Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper. Foto: Peter Gercke

Wenn gebaut wird, ist das meist ein Zeichen für positive Entwicklungen. OB Dr. Lutz Trümper spricht über Impulse und Schwierigkeiten im Baugeschehen und über künftige Gestaltungsmöglichkeiten in Magdeburg.

Herr Dr. Trümper, am 30. Juni sind Sie 17 Jahre im Amt. In der Zeit hat sich eine Menge in Magdeburg bewegt. Welches sind für Sie die wichtigsten Veränderungen?
Dr. Lutz Trümper: Vor zehn Jahren gab es einen Paradigmenwechsel. Damals ging es schwerpunktmäßig um die Beseitigung von Massenarbeitslosigkeit. Die gibt es zwar immer noch, aber die Quote hat sich in dieser Zeit von 20 auf unter 10 Prozent mehr als halbiert. Heute reden wir vermehrt darüber, wie man Mitarbeiter gewinnen kann, und zwar nicht nur im Bereich der geringfügig Beschäftigten. Das ist einerseits ein Beleg für den wirtschaftlichen Erfolg, andererseits aber auch eine Tatsache der demografischen Entwicklung.

Wie schätzen Sie den Trend am Arbeitsmarkt ein?
Die sozialversicherungspflichtigen Jobs waren in Magdeburg zeitweise unter 100.000 gesunken, jetzt haben wir wieder über 110.000. Die Zahlen schwanken immer mal. Aber mittlerweile sind dabei namhafte Unternehmen enthalten wie beispielsweise IBM, die qualifizierte Arbeitsplätze anbieten. Große Industrieansiedlungen mit Massenproduktionen sind für uns eher illusionär. Die passieren da, wo die Löhne halb so hoch sind wie in Deutschland, etwa in Asien oder in Osteuropa. Aber im Logistikbereich hat sich einiges getan. In Rothensee beispielsweise hat sich Norma bereits angesiedelt REWE und ein weiterer Konzern, der noch einmal rund 400 Arbeitsplätze schaffen wird, kommen ebenfalls.

Wer wird das sein?
Den Namen kann ich im Moment noch nicht bekanntgeben. Ein anderer Aspekt: Ansiedlungsflächen, auf denen einige Jahre wenig passierte, werden jetzt langsam voll. Wir müssen uns mittlerweile darüber Gedanken machen, wo wir neue Flächen akquirieren können. Forschungseinrichtungen könnten wir noch ein paar mehr gebrauchen. Auch die eine oder andere Bundesbehörde würde der Stadt gut stehen. So etwas gibt immer einen enormen Schub.

Magdeburg erlebt einen regelrechten Bauboom, der wohl noch ein paar Jahre anhalten wird.
Wenn wir den derzeitigen Wohnungsbau in der Innenstadt sehen, ist das ein Zeichen dafür, dass es eine wachsende Anzahl Bürger gibt, sie sich diese Lagen leisten können. Dies ist auch ein Indiz für die positive Entwicklung Magdeburgs. Zudem können wir mit den jährlich bereitgestellten Flächen für neue Einfamilienhäuser im gesamten Stadtgebiet die Nachfrage gar nicht decken.

Bremst die Verzögerungen beim Tunnel und für die neue Elbbrücke nicht die Dynamik der Bautätigkeiten im innerstädtischen Bereich?
Jede Verzögerung beim Tunnel ist richtig schlecht, insbesondere für den Einzelhandel. Aber es herrscht in Magdeburg offenbar auch die Vorstellung, dass man jederzeit ohne Verzögerung von A nach B kommt. Das gibt es doch in keiner anderen deutschen Großstadt.

Ich denke, der Unmut kommt aus der Vielzahl der Störquellen. Neben der Sperrung am Bahnhof ist auch die Leipziger Straße/ Ecke Wiener Straße dicht …
Das ist ja klar und resultiert wiederum aus der Verzögerung an der Halberstädter Straße. Die MVB wollte, um Behinderungen zu vermeiden, in vier Abschnitten bauen. Dann musste plötzlich eine Abwasserleitung erneuert werden und alles verzögerte sich. Ich habe damals mit der bauausführenden Firma selbst gesprochen und gefragt, ob sie den Zeitverlust nicht durch eine zweite Schicht einholen könnten. Das hätte die Firma getan. Nur es gibt am Arbeitsmarkt keine entsprechenden Leute, die man dafür hätte einstellen können. Die neuen Straßenbahntrassen – auch die ins Neustädter Feld – werden erst 2021/22 fertig. Ein Grund dafür ist eben auch der Mangel an Fachkräften.

Bei der Größe der Vorhaben sind das doch europaweite Ausschreibungen. Finden sich da keine Unternehmen, die das in angemessener Zeit leisten können?
Ja, das ist die Pflicht. In der Realität bewirbt sich aber kein Unternehmen aus dem Ausland, noch nie haben wir eine ausländische Bewerbung gehabt. Um es einmal deutlich zu sagen: Das europäische Ausschreibungsrecht ist reiner Humbug. Wir müssen mit den Firmen bauen, die wir hier haben. Selbst für den Neubau der SWM an der Stelle des ehemaligen Blauen Bocks gab es nur ein einziges Angebot. Wir müssen uns damit abfinden, dass die Bauwirtschaft an ihre Grenzen stößt. und dabei akzeptieren, dass es deutschlandweit einen Bauboom gibt: im Wohnungsbereich, bei Schulen und Kindergärten, im Straßenbau und bei Einfamilienhäusern. Wir haben in Magdeburg keine Wohnungsnot, aber in anderen Städten sieht das ganz anders aus. Das bindet viele Ressourcen der Bauwirtschaft.

Sie bleiben indes optimistisch, dass sich Magdeburg weiter positiv entwickeln kann?
Natürlich. Am Universitätsplatz wird gebaut werden. Am Heumarkt wird sich der Charakter des Gebietes komplett verändern. In diesem Bereich wird das noch schönere Elbufer entstehen. Dort sind ideale Plätze für gastronomische Angebote, weil es durch die Lage dort abends noch sonniger ist als am Westufer, wo man abends eher im Schatten sitzt. Das ist sicher eine Entwicklungsaufgabe für die nächsten zehn Jahre. Also kurz: Magdeburg verfügt noch über sehr viel Gestaltungspotenzial.

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