Die Geschichte hinter der „Feuerzangenbowle“

Schausteller Karl Welte. Foto: Peter Gercke

Der Weihnachtsmarkt ist zum untrüglichen Zeichen für den Ausklang des Jahres geworden, aber nicht nur für Besucher, sondern insbesondere für solche Menschen, die im Hintergrund für die entsprechende Atmosphäre mit Düften, Leckereien oder allerlei passenden Adventssortimenten die Gäste anlocken. Der Magdeburger Karl Welte gehört zweifelsfrei dazu. Der 68-Jährige ist quasi durch die Eltern ins Schaustellergeschäft hineingeboren worden. Und wie es bei den Fahrensleut nicht ungewöhnlich ist, erblickte er 1949 das Licht der Welt in Apolda, als seine Erzeuger eben auf Tour waren. Selbst die Eltern hatten schon die Schausteller-Tradition ihrer Vorfahren fortgeführt. Der Urgroßvater hatte den Polizistenrock einst in Dortmund an den Nagel gehängt und seine Frau ein gutgehendes Gasthaus aufgegeben, um mit einem Karussell von Volksfest zu Volksfest zu ziehen. „So ist das eben, man wird in dieses Leben hineingeboren und kommt dann nicht mehr davon los“, sagt Karl Welte. Die Behausung seiner Kindheit war ein fünf Meter langer Wohnwagen, mit Kohlenherd und ohne Wasseranschluss.

Bis zum Ende der Grundschule zog er mit seinen Eltern durchs Land. Dann besuchte er ein Internat in Gnadau und nach dessen Schließung regelmäßig die Clara-Zetkin-Schule in Magdeburg. Er wünschte sich aber, dass ihn die Eltern nach der 8. Klasse wieder mitnehmen würden. Rechnen und Schreiben war gelernt, alles, was er sonst für den Beruf brauchte, konnte ihm der Vater vermitteln. Seine Ehefrau, selbst eine Schaustellertochter, lernte er mit 22 Jahren kennen. Sie hatte einen Fachschulabschluss. Da wollte er als Achtklässler aber doch eine ordentliche Ausbildung vorweisen können. Also holte er an der Abendschule die 10. Klasse nach und absolvierte beim Kraftverkehr Schwerin eine Lehre als Kfz-Schlosser, natürlich alles neben der Schaustellerei.

Für einen Außenstehenden mag so ein Reiseleben unstet erscheinen, und doch hat das Herumziehen eine gewisse Stabilität. Die Routen und Volksfest-Standorte wiederholen sich. Untereinander kennen sich die Schausteller wie eine große Familie. 

Bevor Karl Welte seit Anfang der 1990er Jahre regelmäßig zum Jahresabschluss auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt mit seinem Glühweinstand „Feuerzangenbowle“ Station machte, stand er schon auf dem Dresdner Striezelmarkt, in Rostock und häufig auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz, damals noch mit seiner legendären Walzerbahn der einstigen Karussellbaufirma Gundelwein in Wurtha (Thüringen). Mit der Deutschen Einheit mussten neue Fahrgeschäfte her und Karl Welte investierte in ein modernes Fahrgeschäft mit Namen „Sound Machine“. Schweren Herzens musste dafür die „Walzerbahn“ weichen. Heute wäre das Karussell schon wieder ein historisches Kleinod.

Vielleicht möchte man es nicht glauben, aber selbst Schausteller fühlen sich an einem Ort tief verwurzelt. Für Karl Welte ist dies Magdeburg. Seine Eltern waren 1955 von Nordhausen in die Elbestadt gezogen. Und so gehört er seit jeher dem Verein selbständiger Gewerbetreibender, Markt- und Messereisender (VSG e.V.) an. Seit 20 Jahren ist er dessen 1. Vorsitzender. Bevor die 2003 gegründete Magdeburger Weihnachtsmarkt GmbH die Geschicke der Adventszeit auf dem Alten Markt übernahm, hatte der VSG e.V. den Markt organisiert. Glücklich ist Karl Welte darüber, dass sein Sohn Alexander schon in seinen Fußstapfen steht und die Schaustellertradition der Familie hoch hält. Sicher hätte das gar nicht anders sein können, denn irgendwie scheint das Fahren von Fest zu Fest mit den Genen weitergegeben zu werden oder eben mit dem Lebensgefühl, mit dem man als Kind aufwächst. Aber jetzt ist für Familie Welte erst einmal Saisonabschluss mit der „Feuerzangenbowle“ auf dem Magdeburger Alten Markt, in der Heimat. (tw)

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