Der Irrtum an Popeyes Spinatmuskeln

Es gibt das Sprichwort „Gute Mütter wissen, dass Gemüse am besten schmeckt, wenn man es kurz vor dem Servieren durch ein Schnitzel ersetzt.“ Früher wussten kluge Mütter nur, dass Spinat aufgrund des enorm hohen Eisengehalts unheimlich gesund wäre. Voller guten Glaubens immer wieder aufgetischt, weckt die grüne Masse heute bei Kindern verschiedenster Generationen einen Horror.

Aber woher kommt die Überzeugung, dass Spinat so gesund sei? Es war das Jahr 1890, als der Schwede Gustav von Bunge den Eisengehalt von Spinat mit 35 Milligramm berechnet hatte. Dieser außergewöhnlich hohe Wert bezog sich allerdings statt auf 100 Gramm frischen Spinat, auf getrockneten. Die frische Variante besteht zu neunzig Prozent aus Wasser und enthält deshalb wesentlich weniger Eisen – man findet Werte zwischen 2,6 und 3,5 Milligramm. Diese Menge kann vom Körper nicht einmal vollständig aufgenommen werden, da es durch die ebenfalls enthaltene Oxalsäure auch schnell gebunden wird.

Der Irrtum des Wissenschaftlers war in Deutschland schon Ende der Dreißigerjahre bekannt, dennoch erlangte die 1929 entstandene Comicfigur Popeye große Popularität. Der grummelige Seemann kam durch das grüne Gemüse, das er dosenweise vertilgte, zu beeindruckenden Muskeln und enormer Stärke. Er habe sogar angeblich den Spinatkonsum in den USA um ein Drittel erhöht, so lautet zumindest die Inschrift des Popeye-Denkmals im texanischen Chrystal City. So konnte der Kollektivirrtum um den vermeintlichen Geheimtipp in Sachen Gesundheit sich weiter in den Köpfen der Menschen festsetzen und Speisepläne in Schulkantinen ruinieren.

Wenn auch der Irrtum um den vermeintlich hohen Eisengehalt von Spinat vielen Kindern den Genuss von Gemüse vereitelt hat, ist er dennoch gesund. Frischer Spinat enthält neben den Vitaminen A und C auch den Naturfarbstoff beta-Carotin, dem eine krebsvorbeugende Wirkung nachgesagt wird. Diesen Zweck erfüllen allerdings auch andere Gemüsesorten, die vielleicht keine PTBS auslösen.

Nichtsdestotrotz: Spinat hat noch niemandem geschadet. Was uns dieser Fall aber zeigt, ist, dass ein Irrtum keineswegs den Untergang bedeutet. Zwar hat der Spinat einen besonderen Stellenwert im Ranking um das unbeliebteste Gemüse erlangt, Popeye aber ist bis heute ein international bekanntes Stück Kultur. Vielleicht hat ihn auch der Glaube an die eigene Stärke so kräftig werden lassen und nicht das Gemüse selbst. Swantje Langwisch

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