Der Gärtner aus Loburg

ZeitGenossen: Ulf Drzymala „Leben ist Bewegung – und ich will Teil der Bewegung sein“

Multi-Ehrenamtlich: der Loburger Ulf Drzymala. Foto: Bea Dittmann

Was, eigentlich, habe ich unter Lach-Yoga zu verstehen?“ Mit der Frage ist Ulf Drzymala nicht in Verlegenheit zu bringen. „Meine Frau und ich waren zu einer Tagung und wir lasen, dass es am anderen Morgen gegen 6 Uhr im Hotel eine Einladung zum „Lachen mit Heike“ gibt, dahinter stand: „Lachyoga“. „Ja, hallo“, habe ich zu meiner Frau gesagt, „ich glaube, wir stehen morgen sehr früh auf. Ich will wissen, was die da machen.“ „Müssen Sie immer wissen, was sich hinter bestimmten Begriffen verbirgt?“ „Ja. Leben ist Bewegung. Und ich will Teil der Bewegung sein.“

Zurück in Loburg bot Ulf Drzymala Lachyoga-Kurse an. Madan Kataria, Arzt und Yogalehrer aus Mumbai, verband Yogatechniken mit Lachübungen. Innerhalb von nur fünfzehn Jahren verbreitete sich die neue Bewegung über die ganze Welt. „Naja, die Idee dahinter ist: ‚Wir lachen nicht, weil wir glücklich sind – wir sind glücklich, weil wir lachen.’ In einer kleinen Stadt wie Loburg funktioniert das freilich nur eine kurze Zeit, weil Lachyoga auch immer einen Wechsel unter den Teilnehmern voraussetzt. Und dafür haben wir einfach zu wenig Einwohner.“ Ulf Drzymala ist „der Gärtner aus Loburg“. Mit diesem Label bewirbt er seine und die Firma seiner Frau Astrid. Bis 2016 gehörte ein Blumengeschäft zur Firma. Das wurde aufgegeben, weil es, trotzdem es hier die schönsten Blumensträuße weit und breit gab. „Es war unrentabel geworden. Wir konnten keine höheren Preise ansetzen. Bei unseren Preisen aber zahlten wir drauf.“ Heute gehört zu den Angeboten der Firma Landschaftspflege, der Baumschnitt, Grabgestaltung und Grabpflege sowie die Ausgestaltung der Trauerfeier mit Trauergebinden und Dekorationen. „Als wir unseren Blumenladen schlossen, ergab sich für uns eine neue Möglichkeit, die uns Loburgs wichtigster Investor schuf.“

Der Besitzer des Barbycafés und des Ritterguts derer von Barby, Robert Dahl, „Chef“ in 3. Generation von „Karls Erdbeerhöfe“, hat in den vergangenen Jahren nicht nur das alte Familiengut zu neuem Leben erweckt, sondern mit einem eigenen Konzept verbunden: Hier in Loburg entsteht das Nusszentrum Deutschlands. „Heute schon haben wir hier die größte Fläche in Deutschland, auf der Nussbäume stehen. Und wir wachsen weiter“, meint Drzymala. Dahl suchte jemanden mit gärtnerischer Erfahrung. In Drzymala fand er seinen „Nusslandschaftsmeister“. „Ja, ich musste mich zwar erst mal viel belesen, was es mit dem Nussanbau auf sich hatte. Aber das war eine Herausforderung, die mir Spaß machte. Die größte Herausforderung freilich ist der Boden um Loburg. Die Sandböden bedürfen besonderer Pflege, dass wir hier mit den Jahren Böden gewinnen, die eine gute Ernte ermöglichen. Drzymala machte den Vorschlag, unter den Nussbäumen eine Bienenweide anzulegen, Bienenbeuten aufzustellen und gleich an Ort und Stelle Honig von der Nussplantage zu gewinnen.

„Robert Dahl ist ein Mensch, dem Begriffe wie Nachhaltigkeit und Umwelt nicht buchstabiert werden müssen. Auch auf Karls Erdbeerhöfen finden Bienen ihre Bienenweiden. Mit solchen Gedanken rennt man bei ihm offene Türen ein.“ Drzymala und die „Hauptstadt des deutschen Nussanbaus“: Hier hat Robert Dahl einen Mitarbeiter gefunden, der die Landschaft, die hier entsteht, im Kopf trägt und Ideen sammelt. Beispielsweise die, Haselnussbäume als Windschutz um die Walnussbaumplantage zu pflanzen. „Und auch allerhand blühendes Buschwerk, soweit dafür Platz da ist, ebenfalls als Bienenweide und natürlich für die Vogelwelt im Loburger Land.“
 
„Herr Drzymala, es ist Sonntag, elf Uhr. Sie warten nicht zu Hause auf das Mittagessen, sondern ich habe Sie vom Kirchencafé abgeholt. Wir sitzen im fast noch nagelneuen Loburger Gemeindehaus der evangelischen Kirche und es sieht nicht so aus, als wären Sie hier ein Fremder.“ Nein, natürlich nicht. Er ist der Vorsitzende des örtlichen Beirates der evangelischen St.-Laurentius-Kirchgemeinde. „Und da will man es wohl einrichten, am Sonntag 10 Uhr zum Gottesdienst zu gehen. Obwohl mir das heute schwer fiel.“ Als Mitglied des Fördervereins der Loburger Feuerwehr war er am Samstag-Abend natürlich zum Feuerwehrball. „Da geht man ja auch nicht um 21 Uhr nach Hause.“ Mit anderen Worten: Das Aufstehen fiel schwer. „Ich bin nicht der typische Feuerwehrmann. Aber ich halte die Freiwillige Feuerwehr für eine ganz wichtige Einrichtung in unserer Gemeinde und ich habe einen hohen Respekt für den freiwilligen Einsatz unserer Kameraden, die sich in einem Sommer wie den von 2018 bis über die Grenzen der Belastbarkeit für unsere Sicherheit einsetzen mussten. Deshalb wollte ich wenigstens im Förderverein mittun, um meinen Respekt vor ihrer Arbeit zu zeigen.“ Vor dem Feuerwehrball lag noch ein Pflichtprogramm für den Christen Ulf Drzymala: „Die katholische Gemeinde Loburgs hat gerade ihre Kirche verkauft. Die Gemeinde sah sich außerstande, das Gebäude noch zu erhalten. Und gestern wurde die erste katholische Messe in unserer evangelischen Kirche gelesen. Da muss ich freilich als Vorsitzender unseres örtlichen Beirates anwesend sein.“ Wobei das „Muss“ kein „Muss“ war, sondern ein Bedürfnis. „Da beginnt für uns etwas Neues. Vielleicht gibt das auch unserer ökumenischen Arbeit einen Impuls. Ich war jedenfalls sehr bewegt und habe mich außerordentlich gefreut über diesen Zuwachs an geistlicher Tätigkeit in unserer Kirche.“

Bleiben wir doch mal bei der Arbeit Drzymalas für die Kirche. In seine Zeit als Vorsitzender fallen die Res­taurierungsarbeiten an der Kirche und der Umbau des Gemeindezentrums der Kirchgemeinde. „Das führte einen wirklich an die Grenzen der Belastbarkeit für jemanden, der das nur ehrenamtlich macht. Was da allein an Geldern durch den Beirat bewegt wurde, war schwindelerregend. Nicht zu vergessen, was auch an Einsatz unserer Mitglieder nötig gewesen ist. Aber schauen Sie sich die Kirche an. Ist sie nicht ein Schmuckstück geworden? Es waren in dieser Zeit unendlich viele Sitzungen nötig, unendlich viele Entscheidungen zu fällen. Und unser Gemeindehaus ist ebenso schön wie praktisch geworden. Es macht einfach Freude, hierher zu kommen. Das Kirchencafé nach dem Gottesdienst war auch eine Idee unseres Beirates. Jede Woche treffen sich hier die Gemeindeglieder, die noch Zeit und Lust auf ein Gespräch haben, hier. Es wird sehr gut angenommen.“ Gut angenommen wird auch eine andere neue Errungenschaft der Kirchgemeinde. Robert Dahl bat für seine Gäste darum, ob man die Kirche nicht grundsätzlich öffnen könne. „Wir haben gedacht, dass dann die Touristen kommen und die Kirche besichtigen und schließlich wieder fahren“, bringt sich jetzt Astrid Drzymala ins Spiel. „Aber dem ist nicht so. Ich war sehr erstaunt, dass viele unserer Besucher, und es sind viele, sich in eine Bankreihe setzen und eine Zeit der Stille halten, des Gebetes. Oder sie im Altarraum eine Kerze entzünden wollen, um eines ihnen nahen Menschens zu gedenken oder einfach selber ein Gebet zu sprechen. Ich hätte vorher nicht geglaubt, dass die Kirche über den Tag so viele Menschen sieht, die auch ein religiöses Bedürfnis haben und deswegen froh über die offene Kirche sind.“

„Ja“, meint Ulf Drzymala, „mein Engagement in der Kirche ist mir, glaube ich, das wichtigste. Weil es eben aus meinem Glauben kommt. Und ihm auch dient.“ Bei den Vorüberlegungen zum Interview fiel ihm auf, dass er seit 1998 im örtlichen Beirat ehrenamtlich arbeitet. „Da staunt man manchmal selber und hält das gar nicht für möglich.“

Ja, aber das ist es doch noch nicht gewesen. Da gibt es doch noch … richtig, den Gewerbeverein „Raum Loburg e.V.“ Wie heißt doch da gleich der Vorsitzende? „Sie haben mich zum Vorsitzenden gewählt.“ Der Gewerbeverein dient zugleich der  Interessenvertretung, dem Informationsaustausch und natürlich auch der Geselligkeit unter den mehr als vierzig Gewerbetreibenden und Selbstständigen im Loburger Land. „Ganz wichtig wurde der Stammtisch, den wir einrichteten. Da haben doch etliche erst einmal kennengelernt, was alles von unseren Gewerbetreibenden angeboten wird.“ Der Stammtisch bedeutet für Drzymala auch, dass monatlich ein Abend besetzt ist. „Ja, aber das lohnt sich doch. Man erfährt eine ganze Menge. Wir sind als Verein außerdem Mitglied im Technologie- und Gründerzentrum Jerichower Land GmbH in Genthin. Von hier erhalten wir Informationen über Fördermittel des Landkreises, des Landes Sachsen-Anhalt und des Bundes. Und ein- oder zweimal im Jahr leisten wir uns auch Kultur. Letztlich beispielsweise gastierte die Magdeburger „Zwickmühle“ um Hans-Günther Pölitz auf Einladung des Vereins im Rittergut Barby. Und natürlich stellen wir uns auch immer wieder in der Öffentlichkeit vor, zum Bauernmarkt oder im letzten Jahr auf der Laga.“ Das klingt nach mehr als einem Abend im Monat.  

Was auffällt ist das Blitzen in den Augen Ulf Drzymalas. Da ist einer begeistert von dem, was er tut. „Naja, ich musste auch mit meinen Kräften haushalten lernen. Wenn man das Nein-Gen nicht hat, ist man schnell bereit, sich zu übernehmen. Aber das ist letztlich eine Frage der Disziplin. Die kann man lernen.“ All die ehrenamtliche Arbeit erledigt Drzymala nach seiner Arbeitszeit. „Warum ich das mache? Ich habe eine Unmenge Ideen im Kopf, ich träume jede Nacht. Ich muss, was sich da anhäuft, hin und wieder realisieren. Das macht mir nicht nur Spaß, Das ist für mich auch lebensnotwendig. Und wenn man dann noch Leute um sich hat, die mitziehen, die einen nicht im Stich lassen, die ebenfalls Freude dabei empfinden, Dinge zum Gelingen zu bringen, dann ist das doch ein Segen für das Leben.“ Drzymala, ich glaube, ich beuge mich da nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, der Mann ist auch ein Segen für Loburg. Und niemand außer ihm selber hat ihn dazu gezwungen. Ludwig Schumann

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