Armaturen aus Magdeburg Teil 2

Ein geschichtlicher Abriss

Gefragte Produkte aus Magdeburg waren HD-Absperrschieber

Nach vier Jahrzehnten Frieden in Europa trieb der Kontinent zu Beginn des neuen Jahrhunderts auf den 1. Weltkrieg zu, der alle Bereiche der Gesellschaft in seine Vorbereitung, Durchführung und in das Erleiden der Folgen einbezog. „S&B", „POLTE" und „STRUBE" überlebten als Unternehmen, mussten jedoch –  das betraf in erster Linie „S&B" – den Verlust zahlreicher Auslandsniederlassungen in den Siegerstaaten hinnehmen. Nach Überwindung der Nachkriegswehen hatte schließlich die Magdeburger Armaturenindustrie ihre führende Stellung in Deutschland und internationale Geltung wiedererlangt. Bedeutende technische Verbesserungen und neue Bauarten aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, durch Patente unterlegt, konnten sich erfolgreich gegen die Wettbewerber durchsetzen, so der Fischbachschieber, das strömungsgünstige Rhei-Ventil (welches sich weltweit gegen das Bauchventil durchsetzte), der Sera K Hochdruckschieber, die Vollhub- und hilfsgesteuerten Sicherheitsventile, die Sicherheitsschnellschluss- und Rohrbrucharmaturen, die Kondensatableiter sowie blockgeschmiedete Hochdruckarmaturen für die Kohlehydrierung PN 1000 für Prozessdrücke bis 840 bar.
Nicht vergessen werden dürfen die Pionierleis-tungen von „Schäffer & Budenberg" bei der Verbesserung der herkömmlichen und der Entwicklung neuartiger warmfester, zunderfreier und druckdichter Stahlgussqualität, die erfolgreich für die Hochdruck-Heißdampfanwendung mit damaligen Parametern bis 530 °C bei Drücken bis 125 bar eingesetzt werden konnten.
Die Wurzeln bedeutender deutscher Armaturenwerke, wie „Sempell", „Stahlarmaturen Persta" und „ARI" lassen sich nach Magdeburg zurückverfolgen.

Zuverlässige KKW-Armaturen sind wichtig.

Nach der sogenannten Machtübernahme im Januar 1933 begann eine Entwicklung, die im Zweiten Weltkrieg ihren verhängnisvollen Höhepunkt erreichte. 1945 lagen auch viele deutsche Städte in Schutt und Asche. Magdeburg verlor neben Tausenden von Wohnungen auch große Teile seiner Industrieanlagen, „Schäffer & Budenberg" z. B. war zu 60 Prozent zerstört. Mühsam begann der Wiederaufbau der Stadt und der Industrie, die Aufnahme der Produktion in den Werken wurde vorbereitet. 1945 ging der erste Elektro-Ofen wieder ans Netz, „POLTE" begann mit 30 Arbeitern zu fertigen.

Die als Rüstungsbetriebe eingestuften Unternehmen Polte, mit C. Louis Strube als 100-prozentige Tochter, und Schäffer & Budenberg wurden im Dezember 1945 unter Sequester der sowjetischen Besatzungsmacht gestellt, die folgende Anordnung traf:
• Demontage von Polte und C. Louis Strube. Ein Teil der Maschinen für die Armaturenproduktion und Herstellung von Bevölkerungsbedarf konnte gerettet werden für die Nachfolgeunternehmen, die „Magdeburger Armaturen- und Metallwarenfabrik GmbH, vormals Polte" (1946-1948) und die „Industriewerke Sachsen-Anhalt, Maschinen- und Armaturenfabrik, vormals C. Louis Strube, Magdeburg".
• Übernahme Schäffer & Budenberg als Sowjetisch-Staatliche Aktiengesellschaft: „SAG Messgeräte und Armaturenwerk Magdeburg, vormals Schäffer & Budenberg, Magdeburg-Buckau", ab 1946 bis Ende 1953.

1948 erfolgte die Unterstellung von Polte und C. Louis Strube als VEB Sanar Schwerarmaturenfabrik Magdeburg und VEB Sanar Spezialarmaturenfabrik Magdeburg der „Vereinigung Volkseigener Betriebe für Armaturen und sanitären Bedarf" VVB Sanar mit Sitz in Halle.

1950 wurde die Armaturenindustrie der DDR der „Hauptverwaltung Allgemeiner Maschinenbau" und später der „Hauptverwaltung Leichtmaschi-nenbau" des Maschinenbau-Ministeriums mit Sitz in Halle unterstellt.

1952 wurde der „VEB Sanar Schwerarmaturenfabrik vormals Polte" zum „Schwerarmaturenwerk Erich Weinert". Die „Wilhelm Strube GmbH“ wurde nach Enteignung in den „VEB Sanar Spezialarmaturenfabrik vormals C. Louis Strube" eingegliedert.

Ab 1. Januar 1954 wurde die „Sowjetische Staatliche Aktiengesellschaft AMO Geräte- und Armaturenwerk, vormals Schäffer & Budenberg Magdeburg-Buckau", nach Rückgabe durch die sowjetische Besatzungsmacht zum „VEB Messgeräte- und Armaturenwerk Karl Marx Magdeburg".

1956: Eingliederung des vormaligen „VEB Sanar Spezialarmaturenfabrik Magdeburg in den „VEB Messgeräte- und Armaturenwerk Karl Marx", Magdeburg nunmehr als Betriebsteil Spezialarmaturen.

1958: Gründung der VVB Armaturen und Hydraulik mit Sitz in Halle als neue Vereinigung der Armaturenindustrie mit MAW „Karl Marx" als Leit-betrieb für Forschung und Entwicklung mit dem hierfür gebildeten ZEK – Zentrales Büro für Entwicklung und Konstruktion, dem späteren Institut für Armaturen.

1960: Vereinigung der beiden großen Magdeburger Armaturenbetriebe zu dem „VEB Magdeburger Armaturenwerke Karl Marx".

1965: Ausgliederung des vormaligen Betriebsteiles Messgeräte als selbständigen „VEB Messgerätewerk Erich Weinert", nunmehr mit der Zugehörigkeit zur WB Automatisierungsgeräte Berlin.

Das MAW am Standort Magdeburg-Stadtfeld in der Liebknechtstraße.

1970 erfolgte die Bildung des Armaturenkombinates mit den „Magdeburger Armaturenwerken MAW" als Stammbetrieb (7.000 Beschäftigte). Zu diesem Verbund gehörten nunmehr die 12 bedeutendsten Armaturenwerke der DDR, wie „IAL Leipzig", „Armaturenwerk Halle", „Armaturenwerk Prenzlau", „Armaturenwerk Hötensleben" sowie die moderne Stahlgießerei in Magdeburg-Rothensee und das Eisenwerk Tangerhütte mit insgesamt 18.000 Beschäftigten. Sie vereinigten 90 Prozent der Industrie-Armaturenproduktion mit mehr als 6.000 verschiedenen Erzeugnisgruppen und mehr als 100.000 Ausführungsvarianten.

Eine verzweigte Zusammenarbeit mit Instituten, Akademien und Hochschulen sorgte für eine zukunftsgerichtete wissenschaftlich-technische Ausrichtung, speziell auf den Gebieten der Grundlageforschung, der Erzeugnisentwicklung und neuester Fertigungsverfahren. Ferner erfolgten Vereinbarungen mit Osteuropas Staaten hinsichtlich der Spezialisierung der Armaturenpalette.
Traditionell verblieb im Stammbetrieb z.B. die Fertigung der Schmiedestahl- und Stahlgussventile, der Stahlgussschieber, der selbsttätigen Druckregler, der Großarmaturen und der Kraftwerks- und Kernkraftwerks-Armaturen sowie der Hochdruckarmaturen und -formstücke PN 2.500 für Hochdruck-Polyethylen-Anlagen (Polymir 50 und 60).

Einen guten Ruf unter den Armaturenfachleuten in Ost und West hatten die sehr anspruchsvollen, regelmäßig durchgeführten „Fachtagungen Armaturen" und die in Magdeburg publizierte Fachzeitschrift „Technische Information Armaturen".

Die Fertigung von Klappen und Ringkolben großer Nennweiten bei der armacon-steel GmbH

Mit der Wende ab 1990 waren sämtliche Industriezweige und somit auch die Armaturenindustrie einschneidend betroffen. Bedeutende Kapazitäten („MAW" war Europas größter Armaturenproduzent) konnten infolge des entfallenden Absatzgebietes in Osteuropa nicht mehr ausgelastet werden. So wurde der MAW-Stammbetrieb einer der ersten Magdeburger Großbetriebe, die in den Besitz eines Konzerns übergingen. Neuer Eigentümer war nunmehr die „DEUTSCHE BABCOCK AG", die das Werk in ihre Armaturengruppe integrierte. In Magdeburg waren der Schwerpunkt Mittel- und Niederdruckarmaturen für industriellen Einsatz und für kommunale Netze. Aus strategischen Gründen trennte sich Babcock 1996 komplett von dem Geschäftsfeld Armaturen. Die einzelnen Gesellschaften wurden verkauft. Damit wurden alle mit dem Namen „Magdeburger Armaturenwerke MAW GmbH" verbundenen Aktivitäten eingestellt.
Doch sollten Erfahrungen und langjährige Tradition nicht verloren sein. Es erfolgten Firmenneugründungen und weitere mittelständische Unternehmen siedelten sich in den 90er Jahren in der Magdeburger Region an, sodass sich die Armaturenbranche wieder zu einem expandierenden Wirtschaftsfaktor mit nationaler und internationaler Geltung entwickelt hat. Die Magdeburger Armaturen-Tradition wird somit fortgeführt.

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