Salongeflüster: Ein Iro für das Vaterland

Neulich kam einer zu mir in den Salon, dessen Gesicht ich bisher nur von Bildern kannte. Im Leben sah er noch ungesunder aus, ein teigiger Teint in einem Jungengesicht, leicht gebeugte Haltung und die spillerige Figur, um die der Anzug schla-ckerte. Vor dem Laden hatten sich drei vierschrötige Schlägervisagen mit ausrasierten Schädeln platziert, die ihn begleiteten. Er habe Angst um sein Leben, ramenterte er los, dabei sei er doch einfach nur ein Patriot, der sein Vaterland lieben würde. Aber keiner würde ihn verstehen. Die eigene Partei habe ihn kaltgestellt. Er würde nämlich anderes wollen, größeres. Kurz, er klang so wie die neuen Abelliozüge in den Harz. Die würden ja auch gerne fahren, aber mal sind die Züge kaputt, mal gibt es keine Fahrer und mal schneit es mitten im Winter. Irgendwas ist immer, nur nach Halberstadt oder Wernigerode kommst du nicht mehr. Nicht, dass es wichtig wäre, aber irgendwann bist du die vollmundigen Ankündigungen leid und würdest gerne wieder mal dahin fahren. Einfach so. Jedenfalls schien bei meinem Kunden auch der Fahrer zu fehlen, denn da war niemand, der bremste, es quoll pausenlos aus ihm raus. Nicht, dass ich allzuviel verstanden hätte, denn sein burgenländischer Dorfdialekt klang wie Til Schweiger auf Crystal Meth, man konnte bei dem Genuschel nur vermuten, worum es eigentlich ging. Immer wieder tauchte „Deutschland“ und „Vaterland“ in seiner Rede auf. Bei diesen Worten hob sich sein Stimmchen und er bekam Tränen der Rührung in die Augen. Ich unterbrach den Redeschwall meines Kunden mit der Frage nach der Frisur. Deutsch solle sie sein, erklärte er, blond und kurz. Ob er denn auch einen kleinen deutschen Oberlippenbart haben wolle, fragte ich scherzhaft. Er teilte meinen Humor nicht, schüttelte den Kopf wie ein trotziges Kleinkind und schwieg endlich still. Während ich schnitt, nickte er allmählich ein und so machte ich mich ans Werk. Er bekam einen fein gestylten Irokesenschnitt, schwarzrotgold gefärbt, mit dem ihn seine eigene Mutter nicht wieder erkannt hätte. Als er die Augen aufschlug, nachdem ich ihn geweckt hatte, versuchte er als erstes, den Punk zu verprügeln, den er vor sich im Spiegel sah. Ich ließ ihn toben und erklärte ihm, dass es patriotischer wohl kaum ginge. Aber da heute Tag des Ehrenamtes sei, müsse er nichts dafür bezahlen. Und dann schob ich ihn raus. Den Rest erledigten die drei Schläger vor der Tür, die ihn auch nicht erkannten und das Vaterland mit Füßen traten. Man kann es eben keinem Recht machen. Na denn: Der Nächste bitte.

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