Mit oder ohne ...

Vor ein paar Tagen hatte mein Freund mich unbedingt gleich nach der Arbeit treffen wollen. Er hole mich ab, ließ er per Nachricht über das Smartphone verlauten. Zugegebenermaßen war ich von dieser Idee von Beginn an nicht begeistert gewesen. Der Tag im Büro war nervenaufreibend und stressig, von seiner Ankündigung hatte ich mich irgendwie überrumpelt gefühlt und außerdem war meine Vorfreude auf das heimische Sofa, ein Gläschen Wein und belangloses Gequatsche im Fernsehen zu groß gewesen, als dass ich mich auf spontane Unternehmungen hätte einlassen wollen. Aber da stand er, ganz pünktlich, vor dem Gebäude, das ich täglich zum Arbeiten betrat, und wartete … nur um mich anschließend in ein Reisebüro zu schleppen. Das Reisebüro seines Vertrauens, wie er mehrmals betonte. Ein wenig enttäuscht war ich schon, hatte ich mir doch etwas anderes vorgestellt. Zudem war ich müde und erschöpft. Und so saß ich in einem kleinen Raum, der mit Palmen-Strand-Sonnenschein-Plakaten tapeziert war und lauschte apathisch den Ausführungen der jungen Reiseverkehrskauffrau. Von der Karibik bis zu den Philippinen reiste sie auf dem Bildschirm ihres Computers mit uns, zeigte uns diverse Inseln und Hotelanlagen bis mir ganz schwindelig war und ich keine Ahnung hatte, wo auf dem Globus wir uns in diesem Moment befanden. Mein Freund war ganz euphorisch beim Gedanken an den türkisen Pool unweit vom noch türkiseneren Meer vor wolkenlosem, stahlblauem Himmel, beim Gedanken an den sandigen Strand, die heiße Sonne und Cocktails mit bunten Schirmchen. Mir hingegen schauderte bei der Vorstellung, zwei Wochen mit Touristen aus unseren Gefilden in einer Hotelanlage eingeschlossen zu sein, um Liegestühle kämpfen zu müssen und Essen vorgesetzt zu bekommen, das von den kulinarischen Köstlichkeiten des jeweiligen Landes weit entfernt ist. Als ich ihn fragte, warum er für Schnitzel, Bier, Sonne, Sand und Wasser so weit reisen wolle, sah er mich fassungslos an. Und während sich peinliche Stille im Reisebüro ausbreitete, die Fachfrau nicht mal zu atmen wagte, beschloss ich, lieber ohne ihn den Urlaub zu verbringen. Ist vermutlich besser für uns beide … Leonie Felix

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