Meine Ex sagt...

… eigentlich gerade gar nichts. Jedenfalls saß sie kürzlich in meiner Küche und starrte pausenlos auf ihr Smartphone. Hin und wieder tippte sie hektisch auf die Buchstabenanzeige. Manchmal blickte sie mit einem Ausdruck von Empörung auf den kleinen Bildschirm, schüttelte mal den Kopf oder riss die Augen weit auf. Ich saß ihr gegenüber und beobachtete das Schauspiel. Nur so ein richtiger Beobachtungsgenuss wollte sich bei mir leider nicht einstellen. Vielleicht lag das auch an der Situationsdauer. Schließlich hatte ich mir das Schauspiel nun schon fast eine halbe Stunde besehen. Zwar nippte sie zwischenzeitlich an der Kaffeetasse, nur zu einem Gespräch mit ihr kam es nicht. Irgendwann war mir ihre digitale Abwesenheit zu bunt geworden und ich fragte, warum sie mich überhaupt besuchte, wenn sie sich doch mit ganz anderen Dingen beschäftigte. Meine Frage war natürlich völlig überflüssig. Ohne darauf einzugehen, platzte ihr der Ärger aus dem Gesicht: Was sich dieser Typ einbilde … ob er sie an der Nase herumführen wolle … sie lasse sich doch nicht verar… Lauter solche Schimpftiraden füllten nun den eben noch schweigsamen Raum. Eine weitere Frage brauchte ich nicht zu stellen, ohne Punkt und Komma erfuhr ich nun, dass ihr Freund offensichtlich gar nicht da sei, wo sie ihn vermutet hatte. All das hätte ihr das Telefon verraten und gerade sei sie dabei, mit ihrer Freundin die Strategie auszutauschen, wie sie ihrem Freund für das Hintergehen auf die Schliche kommen wollte. Meine Empfehlung, sie könne ihn doch einfach fragen, war die absolut falsche Taktik. Sie würde ihm schon eine Falle stellen und dann könne er sich warm anziehen, wetterte sie vor sich hin. Ob sie sich nicht selbst in Rage bringen würde, fragte ich noch. Möglicherweise gäbe es eine schlüssige Erklärung für alles. Der ganze Unmut würde sich in Luft auflösen und wäre letztlich selbst erzeugtes Leid. Davon wollte sie jedoch gar nichts wissen. In der Vor-Smartphone-Zeit hätte es solche Probleme gar nicht geben können und ob ihr bewusst sei, dass eine neue Technologie stets neue Handicaps hervorbringen würde. Ich möge keinen Schmarrn daherreden, sagte sie und ich warf ein, dass es ohne Smartphone gar nicht zu unserem Disput hätte kommen können. Aber da war sie längst wieder beim Tippen und ich holte mir eine Zeitung. Thomas Wischnewski

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