Langsamer Leser: Die Macht der Bilder

Vor Jahren bestellte ich mir in einem Landgasthof in der Pfalz einen Saumagen. Es war noch Kohlzeit. Rechts vor mir saß am Nachbartisch ein schmächtiger alter pfälzischer Bauer vor einer großen Schüssel gekochter Schweineohren und vertilgte diese mit großem Behagen. Ich glaube nicht, dass der amerikanische Trump jemals ein solches kulinarisches Vergnügen genossen hatte, wie jener pfälzische Landmann. Dabei stammt die Familie des amerikanischen Präsidenten aus der Pfalz, aus Kallstadt, einem 1.200-Seelen-Ort. Demselben übrigens, aus dem der Tomatenketchup-Magnat Heinz stammt.

In Kallstadt in der Pfalz, dem Herkunftsort der amerikanischen Trumps (Tramps) spricht man Trump noch Trump aus. Passt wesentlich besser zu dem massigen und unendlich plumpen Möglicherweisemilliardär. Der Trump also, der erzählen kann, was er will. Je größer die Lüge, desto größer der Erfolg. Er darf darüber lamentieren, welchen Frauen er unter den Rock gefasst hat und wird trotzdem von den Frauen, ausgerechnet denen aus dem Bibelgürtel, gewählt. Die Bilder der Pressekonferenz nach den Midterm-Wahlen, als Trump gegen den CNN-Reporter Jim Acosta vorgeht, dem später die Akkreditierung im „Weißen Haus“ unter Zuhilfenahme eines dort eigenproduzierten Videos entzogen wird, werden im Gedächtnis bleiben – allerdings schaden sie Trump nicht. In seinem Lügengeflecht wiegt Gezwitschertes gewichtiger als zu Sehendes. An Trump scheint sie zu zerschellen, die Macht der Bilder.

Es ist „National Geographic“ zu verdanken, dass das gleichnamige Buch, „Die Macht der Bilder“, ein gewichtiger und großartiger Bildband, der „amerikanische Präsidenten und ihre Inszenierung“ vor uns aufblättert, erschienen ist. Die amerikanischen Präsidenten hatten jeweils ihre Leib- und Hoffotogafen im „Weißen Haus“, ob Nixon, Johnson, Kennedy, Reagan, Bush sen., Bush jun., Clinton. Keiner aber wusste, ob der Macht der Bilder so genau Bescheid wie Barack Obama. Zwischen ihm und seinem Hausfotografen scheint es kein Blatt Fotopapier gegeben zu haben. Sie haben die Bilder vielleicht noch in Erinnerung: Wie eines der Töchterchen den Vater hinter dem Sofa anschleicht, der nachdenkliche Obama am Schreibtisch: „Wissen Sie, ich glaube, Pete und ich sind so langsam wie ein altes Ehepaar. Wir kennen uns einfach gut.“ So Obama über seinen Fotografen Pete Souza.

Die neue Rechte produziert keine Bilder, sie hat sie ersetzt durch Fake News, durch Sprachbilder, die per Tweed auftauchen und verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen. So, wenn Alexander Gauland, noch dazu ein Mann, dem man ohne weiteres zutrauen darf, dass er es besser weiß, eben gegen dieses eigene bessere Wissen anlässlich der Gedenkfeier an 100 Jahre Kriegsende des 1. Weltkrieges in Paris die Teilnahme der Bundeskanzlerin respektive die Teilnahme des Bundespräsidenten an den nämlichen Feierlichkeiten in London kritisiert: Man könne nicht nachträglich Geschichte umschreiben „und sich an der Siegesfeier der damaligen Verbündeten nachträglich beteiligen.“ Das ist bösartig und im Stil des Bocks von Babelsberg. Die Bilder, die von dieser Versöhnungsfeier bleiben werden, sind eh schwierig genug, weil ein versteinerter und verstört aussehender US-Präsident auf diesen Fotos sich ohnehin medial schon als der böse Geist über dem Geist der Versöhnung inszeniert. Immerhin, die herzliche Geste zwischen den einstigen Kriegsgegnern in Gestalt des Präsidenten Macron und der Kanzlerin Merkel wird sich hoffentlich einschreiben in die Geschichte beider Völker. Vielleicht also ist wieder ein solch spektakuläres Bild entstanden, dass sich in das gemeinsame Gedächtnis beider Völker einprägt. Mit ihrem Teffen am Ort der Unterzeichnung des Waffenstillstands von 1918 im Wald von Compiégne, in jenem historischen Eisenbahnwagen, in dem er unterzeichnet wurde und in dessen Nachbau sich beide Staatsvertreter in das Goldene Buch der Gedenkstätte einschrieben, unterstrichen sie ihren Willen, nicht zu vergessen, wie viel junges Blut auf beiden Seiten damals sinnlos vergossen wurde. Woran wollte Herr Gauland mit seinem Widerspruch erinnern? Vielleicht wieder an den „Schandvertrag von Versailles“, der dem Waffenstillstand folgte und dessen Inakzeptanz in direkter Weise zum Dritten Reich führte. Wir schweifen ab. Leider aus gegebenem Anlass.

Ausgangspunkt war das wundervolle „Bilderbuch“ zu den amerikanischen Präsidenten. „Die persönliche Beziehung zwischen Fotograf und Präsident ist ein ganz entscheidender Faktor.“ So heißt es im Text über die Zusammenarbeit zwischen Obama und seinem Fotografen. Kein anderer Präsident ließ seinen Fotografen so tief in seinen Privatbereich schauen wie eben Barack Obama. Er hatte, will er damit sagen, nichts zu verstecken. Das kann man vom gegenwärtigen Präsidenten nicht sagen: fehlende Steuererklärng, keine Auskünfte zu den Russland-Connections, das Weiße Haus als Narreninsel: Welche Bilder sollen da entstehen, um der Zukunft ein Bild über die Vergangenheit zu geben, zumal das ohnehin keine Denkkategorie dieses Präsidenten ist.

Es ist ein Blättern in einem Buch intelligenter Menschen, hat man den Eindruck. Erst dann folgen auch die Fragen: Da sind die Zeiten des Vietnam- Krieges, um mal die schlimmste und bis heute als Trauma zu bezeichnende Verfehlung amerikanischer Politik zu benennen. Da ist der Präsident, der Chile in die Jahre der Militärdiktatur stieß, sie alle geben ein properes Bild ab. Bilder können auch trügen. Das ist auch ein Ergebnis im Betrachten dieses Bildbandes. Nichtsdestotrotz: Es lohnt sich. „Die Macht der Bilder“, Herausgeber: John Bredar. Da bin ich gern ein langsamer Betrachter.

Im Übrigen meine ich auch heute, Alexander Gauland beweist es leider trefflich, nur weil eine Partei auf demokratischem Wege ins Parlament gelangt ist, hat sie damit kein Siegel erlangt, dass sie auch eine demokratische Partei sei. Ludwig Schumann

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