Hennekens Tiraden

Henneken. Ich kann den Typ nicht leiden. Henneken ist Zyniker. „Das Leben hat mich dahin gebracht“, sagt er, wenn man ihn darauf anspricht. „Fick das Leben, wenn ich Dir nicht passe.“ Das ist sein immer wiederkehrender zweiter Satz. Henneken sitzt am Stammtisch im „Alten Nordhäuser Bahnhof“. „Und ich sage dir, das Leben ist wie der Kneipenname. Eine Lüge. Weit und breit gibt es hier keinen Bahnhof.“ Dass es mal einen gab, will er nicht wissen. „Das sind olle Kamellen. Damit belaste ich mein Hirn nicht. Was mal war, ist nicht was jetzt ist. Verstehst du?“ Dabei tritt er Lustmeiers Minihund unter dem Tisch auf den Schwanz. Der jault auf. „Ach, deshalb nennt man so was eine Fußhupe“, kommentiert Henneken den Jauler. „Schaff Dir einen anständigen Deutschen Schäferhund an. Der lässt nicht auf sich herumtrampeln. Das unterscheidet den Deutschen Schäferhund von den Deutschen. Der schluckt nicht nur, der beißt auch mal.“ Henneken eben.

hast du gehört, dass die Bundesregierung jetzt einen Antisemitismus-Beauftragten angestellt hat?“ „Was soll das sein?“ Lustmeier sieht eher so aus, als wollte er mit diesem Thema nichts zu tun haben. „Einer, der denen auf die Finger haut, die etwas gegen die Juden sagen.“ „Was soll man denn gegen die Juden sagen? Ich kenne keinen.“ Lustmeier bestellt eine Bockwurst. „Die was dagegen sagen, kennen auch keinen. Das geht ja auch mehr um die Araber, will ich mal sagen.“ Henneken streut sich eine Prise Schnupftabak auf den Zeigefinger und zieht das Zeug durch die Nase. Eine Pause entsteht.

„Sag mal, Lustmeier, ist das denn antisemitisch, wenn ich nach der Gaza-Geschichte sage: Diese Netanjahu-Truppe ist eine demokratisch gewählte Verbrechervereinigung an der Spitze eines als demokratisch geltenden Staates?“ Lustmeier zuckt mit der Schulter. „Woher soll ich das denn wissen. Frag doch diesen Bundesheini. Der wird doch dafür bezahlt.“ Wieder eine Pause. Dann: „Nee, Lustmeier, das könnte dir so passen. Du willst es wissen und ich setze mich in die Nesseln.“ „Henneken, ich will gar nischt wissen und das schon überhaupt nicht. Ich kenne meine Meinung. Und die behalte ich für mich.“ „Ach“, sagt Henneken, „das ist ja noch schöner. Du sitzt hier in der Öffentlichkeit und behältst was du denkst privat. Ich meine, das waren sechzig Tote!“ „Der vom Deutschlandfunk hat gesagt, dass die nicht tot wären, wenn sie zuhause geblieben wären.“ Henneken bestellt zwei Bier. „Ich will dir mal was sagen. Das ist die mindestens vierte Generation, die da ohne jede Perspektive aufwächst. Meinst du nicht, dass das für einen Sechzehnjährigen ohne jede Perspektive, aus diesem Knast herauszukommen, kein Schrecken mehr sein kann, da erschossen zu werden? Und ist das nicht verbrecherisch, wenn auf Protestler statt Wasserwagen Scharfschützen angesetzt werden? Wo ist denn da unsere Bundeskanzlerin, dass sie dem Netanjahu öffentlich auf die Finger haut? Da hörst du nix. Wenn der mit Bundesmitteln erbaute palestinensische Flughafen von den Israelis zerdeppert wird, bauen wir ihn still und friedlich mit unserem Geld wieder auf. Ach hör doch auf. Ich finde, der Netanjahu, dieser korrupte Kerl, das ist ein Antisemit. Den dürften sie hier gar nicht hereinlassen, will ich mal sagen. Der tut mit seiner Kriegspolitik seinem Volk keinen Gefallen. Prost, Lustmeier. Und nimm mir mal deine Fußhupe vom Schuh, ehe er die Kneipe fliegend durchmisst.“ Ludwig Schumann

Zurück