Hengstmanns andere Seite: Wo alles rollt, will ich allein nicht kugeln

Wenn man eine bestimmte Situation drollig, spaßig oder ulkig findet, könnte man, vor allem hier Magdeburg, auch äußern: „Das ist ja zum kugeln!“ Ich zum Beispiel finde die letzte Zeile eines Scherzliedes aus meiner Kindheit zum kugeln: „Da lachte sich der Rollmops die Gurke aus dem Bauch!“
Wenn ich mir das dann bildlich vorstelle, drängt es mich jedes Mal fast manisch in einen Fischladen zu gehen. Dort kaufe ich mir zwei Rollmöpse. Zu Hause angekommen, lege ich die rundlichen gurkenschwangeren Fischlein auf einen Teller. Aber ich esse sie nicht. Ich treffe mit ihnen eine sogenannte Mensch-Fisch-Vereinbarung.
Ich beginne am laufenden Band, Witze zu erzählen. Und wer dann von beiden Rollmöpsen sich zuerst die Gurke aus dem Bauch lacht, darf erst einmal in den Kühlschrank. Der humorlose andere wird dann sofort verspeist. Lecker!
Meine Zähne durchdringen mit festem Biss den Fischmantel. Doch dann der kulinarische Höhepunkt. Meine Nahrungszerkleinerungswerkzeuge spalten den festen Korpus der hoffentlich aus dem Spreewald stammenden Gurke! Ah! Doch genau in diesem wunderschönen Augenblick versagt meine Kaumuskulatur ihren Dienst.
Mein Hirn hat die Vorherrschaft über diesen Vorgang übernommen. Ich beginne zu grübeln. Warum heißt der Rollmops eigentlich Rollmops? Dieses nicht von Gott, sondern vom Menschen erschaffene Tier, besteht semantisch betrachtet aus
zwei Substantiven. Da wäre einmal die Rolle und zum anderen der Mops. Eine Rolle kann man im Theater spielen. Man kann umgangssprachlich auch von Selbiger sein.
Beim Substantiv Mops ist die Sachlage ein wenig anders. Der Mops ist in der Artenvielfalt klar und eindeutig definiert. Der Mops ist ein Hund! Das wusste vor allem Loriot. Seine Lebensmaxime lautete: „Ein Leben ohne Möpse ist möglich aber sinnlos!“ Gut! Wenn jetzt der Mops mehrfach existierend, wie bei Loriot in die Welt bellt, muss man schon den Plural bedienen. Also Möpse! Das könnte aber doch zu Irritationen führen. Weil man so volkstümlich die sekundären Geschlechtsmerkmale einer Frau bezeichnet.
Doch zurück zum Roll-Mops. Meine Grübeleien beginnen mein Kleinhirn zu zerfurchen. Wenn ich also einen Rollmops esse, esse ich dann wirklich einen Fisch oder gar einen Hund? Muss ich jetzt koreanisch lernen? Es schaudert mich. Wer hat diese Speise erfunden?
War es vielleicht der Koch, zu dem ein Mops in die Küche kam und ihm ein Ei stahl? Was danach mit der armen Kreatur im Lied passierte, muss hier nicht explizit erwähnt werden. Stichwörter wie Kelle und Brei müssten genügen. Ja und dann? Hat dieser perfide „Bulettenschmied“ den plattierten Leib des Mopses mit einer Gurke und Zwiebeln gefüllt und dann zusammen gerollt? Angewidert breche ich die Mahlzeit ab und wickle die Speisereste in ein Blatt der Küchenrolle.
Da! Plötzlich schon wieder! Die Rolle in wörtlicher Beziehung zu einem anderen Hauptwort. Ich verbiete mir darüber nachzudenken, was eine rollende Küche sein könnte. Gedankenfetzen wie: „Essen auf Rädern“, „Gulaschkanone“ oder „Mitropa-Speisewagen“ irrlichtern zwischen den Synapsen. Ich bin, wie schon erwähnt, völlig von der Rolle.
Es rollt in meinem Schädel. Ich beginne ernsthaft daran zu glauben, das einst Chuck Berry mit seinem Song: „Roll over Beethoven“ den Bonner Komponisten überfahren hat.
Jetzt aber kulminiert meine geistige Verfasstheit! Es drängt mich, mir ein Skateboard zu kaufen. Was ja bekanntlich in der DDR nicht Skateboard heißen durfte, sondern: Rollbrett! Ja! Rollbrett! Aber ein Brett, das rollt, ist alle mal besser als ein Brett vor dem Kopf. Ich kriege mich wieder ein, aber ich beschließe, trotz meiner 61 Jahre heute Abend mit meiner Liebsten „Rock’n Roll“ zu tanzen.
Die Rolle, also die Rolle, die sämtlichen Fortschritt ins Rollen bringt, ist eine der besten Erfindungen der Menschheit. Wenn nichts mehr rollt, dann kann man sich eigentlich nur noch kugeln! Herzlichst, Ihr Frank Hengstmann

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