Gedanken- und Spaziergänge im Park: Allerlei Fragwürdiges

Der Spaziergang durch den grauen Novembertag regte uns nicht zu fröhlichen Gesprächen an. Uns beschäftigten Nachrichten aus Rundfunk und Zeitung. Kürzlich war im Deutschlandfunk eine Reportage über die Stasi-Gedenkstätte in Hohenschönhausen zu hören. Dort würde über ein neues pädagogisches Konzept nachgedacht. Die „stark emotionalisierende und strikt anti-kommunistische“ Pädagogik der Einrichtung würde immer lauter in Frage gestellt. „Das wundert mich überhaupt nicht“, sagte Gerd, „erst räumen sie den Chef Knabe beiseite und dann gehen sie ans Eingemachte. Das ist doch das Ziel dieser miesen Kampagne.“ „Da die Stasi Schwert und Schild der kommunistischen SED war, sind alle ihre Machenschaften natürlich als prokommunistisch zu werten. Schließlich galt der Kommunismus als Endziel der sogenannten sozialistischen Staaten. Daher ist eine Aufklärung darüber naturgemäß antikommunistisch.“ „Bin gespannt, wie ein neues pädagogisches Konzept aussehen soll. Vielleicht wird dann die Stasi als große Kämpferin für den Weltfrieden hingestellt und ihre Opfer gelten wie früher als Friedensfeinde.“ „Die Auslandsagenten wurden auch als ,Kundschafter des Friedens’ bezeichnet. Der Vorsitzende des Stiftungsrates, Genosse Lederer von den Linken, wird das schon in Ordnung bringen.“

Mit dieser Befürchtung verstummten wir, gingen weiter und kamen auf das Thema Geld zu sprechen. Ich sagte zu Gerd, dass es ab Juli 2019 3,9 Prozent mehr Rente geben solle. „Das ist nicht für alle reine Freude. Manche Rentner kämen damit über eine Grenze und müssen Einkommensteuer zahlen. Ein Teil dieser Erhöhung ist so wieder weg und die Freude über die anfallende Steuererklärung dürfte sich in Grenzen halten“, erwiderte er. Manche haben diese Geldsorgen ja nicht. Durch die Presse gingen gerade Mitteilungen über Vielverdiener. Helene Fischers Namen stand auf der Titelseite und dass sie ein Vermögen von 28 Millionen Euro habe. „Ich frage mich, warum sie sich die ausgesucht haben. Ich möchte nicht wissen, wie groß die Konten von Fußballspielern der Bundesliga sind. Bei Spitzenspielern dürfte es kaum weniger sein.“ „Kritiker der Unterhaltungsbranche haben sich wohl auf Helene Fischer eingeschossen.“ „Warum das?“ „Für die hat sie zwei gravierende Mängel: Sie ist blond und sie singt Deutsch.“ „Ich könnte mir vorstellen, dass berühmte Opernsängerinnen wie Anna Netrebko oder die berühmten Tenöre oder Dirigenten mindestens ebenso viel besitzen.“ Ein anderer, dessen Einkommen durch die Medien ging, ist der CDU-Mann Friedrich Merz mit seinem Einkommen von rund einer Millionen Euro. „Weißt Du,“ sagte Gerd, „abgesehen davon, dass ich es in meinem Leben nie zu so einem Einkommen bringen würde, ist mir ein Politiker mit einem hohen Einkommen ehrlich gesagt lieber als solche, die durch ihre Karriere als Politiker zu einem ordentlichen Einkommen gelangen. So ein Wohlhabender hat es nicht nötig, sich vor anderen zu verbiegen. Er kann, wenn es ihm nicht passt, den ganzen Bettel hinschmeißen. Hat Merz ja schon einmal getan. Andere, die mit ihren Berufen oder Abschlüssen, falls sie überhaupt welche haben, erst als Abgeordnete und Parteifunktionäre ein gutes Einkommen erlangen, die müssen vielleicht zu Kreuze kriechen, wenn ein über ihnen Stehender es verlangt. Diäten und schöne Vergünstigungen könnten sonst verloren sein.“ „Das sind bei einem Bundestagsabgeordneten ohne Aufwandsentschädigungen 9.780 Euro im Monat. Und davon gehen keine Rentenbeiträge ab. Da lob ich mir die Schweizer: bei denen gibt es nur ein Monatseinkommen von rund 2.000 Franken etwa 1.830 Euro.“ „Nun, das Schweizer Parlament ist ein sogenanntes Milizparlament. Das heißt, dass die meisten Abgeordneten ihrem Beruf nachgehen und Politik kein Hauptberuf ist.“ „Mir gefällt das. Ich glaube das gibt die nötige Bodenhaftung, die ich bei manchem unserer Politiker vermisse.“ „Vielleicht geht es bei der Veröffentlichung des Einkommens von Herrn Merz mehr darum, seine Kandidatur als Parteivorsitzender zu erschweren.“ „Warum das?“ „Er kritisiert das System der Asylgesetze. Nicht so sehr das Asylgesetz selber, sondern wie es gehandhabt wird. Politisch Verfolgte genießen Asyl, heißt es. Aber wer überprüft eigentlich, ob es sich in jedem Falle um politisch Verfolgte handelt? Und solch eine Kritik, auch der offenen Grenzen, ist  anderen ein Dorn im Auge.“ „Ganz reaktionär kann das nicht sein. Die für mich klügste Frau der Linken, Sahra Wagenknecht, sagt, dass man nur eines haben kann – entweder ein gut funktionierendes Sozialsystem oder offene Grenzen.“

Auf dem Rückweg kamen wir auf den Mord an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zu sprechen. Das war ein ganzes scheußliches Verbrechen. Dazu kommt, dass dabei gegen alle internationalen Regeln der Diplomatie verstoßen wurde. „Was mich wundert“, sagte Gerd, „sind die internationalen Sanktionen gegen Saudi-Arabien, auch von unserer Regierung. 2017 sollen 67 und 2018 schon 37 Journalisten getötet bzw. ermordet worden sein. Auf Malta, in der Slowakei, in Indien und in Pakistan z. B.. Da folgten außer einer Empörung – wenn überhaupt – keine Taten. Oder nimm das Beispiel ermordeter Christen. Genaue Zahlen sind unbekannt, man spricht von tausenden Getöteten jährlich. Über ihre Verfolgung in Nordkorea, Iran, Pakistan und in anderen islamischen Staaten keine offizielle Reaktion. Im Iran gibt es die Todesstrafe für einen Übertritt zum Christentum. Stell Dir vor: gerade unter dem Diktator Sadat in Syrien hatten die Christen gleiche bürgerliche Rechte wie alle anderen. Vor Jahren soll es einmal eine einzige Erklärung eines Bundestagsabgeordneten zur Christenverfolgung gegeben haben. Sonst nur dröhnendes Schweigen.“ „Ja, dagegen nimmt sich die Empörung mit Sanktionen eigentümlich aus. Zumal Khashoggi ja kein Demokrat im europäischen Sinne war. Er gehörte der radikalen Muslimbrüderschaft an, war ein eifriger Kritiker Israels und ein Vertrauter des saudischen Königshauses, bis er in Ungnade fiel.“

Frankreich und die USA lehnen Sanktionen ab. Sie verurteilen den Mord, wollen aber ihre wirtschaftlichen Beziehungen nicht leiden lassen. Schon de Gaulle prägte den treffenden Ausspruch: „Staaten haben keine Freunde, sie haben Interessen.“ Ein gutes Beispiel dafür ist China: im eigenen Land verfolgt und unterdrückt es muslimische Uiguren und steckt sie in Umerziehungslager, hat aber gleichzeitig beste Beziehungen zum erzmuslimischen Pakistan, den es großzügig unterstützt. Unsere Bundesregierung denkt nicht an die Wolgaster Arbeitsplätze, wenn sie sich aufs hohe Ross setzt und die Ausfuhr bestellter Patrouillenboote an Saudi-Arabien untersagt. „Politik und Moral sind zwei recht verschiedene Gebiete, die man nur selten zur Deckungsgleichheit bringt“, sagte ich. „Allerdings soll das Ausfuhrverbot nur für wenige Wochen gelten. Alles reine Schaufensterpolitik. Paul F. Gaudi

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